Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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leid."

      Wieder blieb Rawnes nichts anderes übrig als zu nicken. "Das ist schon in Ordnung. Ich danke Euch." Der Mann verschwand mit einer Andeutung einer leichten Verbeugung und ließ sie allein.

      "Wartet.", hielt Rugar ihn auf. Rawnes sah ihn überrascht an. Ungeduldig drehte sich der Bibliothekar noch einmal zu ihnen herum. "Habt Ihr Bücher hier, die überhaupt nicht zu lesen sind. Ich meine, keine Verbrannten."

      "Zufällig ja." Im gleichen Moment schüttelte der Mann entnervt den Kopf. "Wenn ich Euch dadurch glücklicher machen kann, so folgt mir."

      Er ging zügig in eine der hinteren, geschützten Ecken der Halle, in der eine Reihe geschlossener Schränke stand. Trotz seines Alters legte er ein hohes Tempo vor und sie mussten zusehen, mit ihm Schritt halten zu können. Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Der Alte suchte nach einem passenden Schlüssel unter den Unzähligen die er bei sich trug, schloss einen der Schränke auf und holte ein altes, vergilbtes Buch hervor. Der Lederumschlag war an einigen Stellen schon eingerissen und einige Seiten standen hervor. Es war tatsächlich nur sehr klein, nicht mehr als ein dünnes Heft und als Rugar es in die Hand nahm und aufschlug, mussten sie feststellen, dass es in der Tat sehr schwer zu lesen war, denn die Seiten waren ausnahmslos blankes Papier.

      "Das ist es doch, was wir gesucht haben.", meinte Rugar mit purem Ernst. "So einfach lässt es sich finden. Ihr habt doch sicher nichts dagegen, wenn wir es uns einmal ausleihen würden?"

      Der Bibliothekar schüttelte erbost den Kopf. Er glaubte, auf den Arm genommen zu werden, was er gar nicht gerne hatte. "Nehmt es. Ich schenke es Euch, wenn Ihr dann glücklich seid und meine Bibliothek nicht mehr länger stört."

      "Wir werden Eure Zeit sicher nicht mehr länger in Anspruch nehmen.", versicherte Rugar ihm. "Lass uns gehen.", wandte er sich an Rawnes.

      Widerstandslos folgte diese ihm nach draußen. Sie gingen eilig an den Reihen mit Tischen vorbei, an denen die Gelehrten saßen und mit höchster Konzentration ihre Bücher studierten. Sie ließen sich nicht bei ihrer Arbeit stören. Einige junge Studenten waren auch dabei, die neugierig aufsahen, als die Fremden vorbeigingen. Sie kamen von überall her aus dem Lande Zahur, um ihr Wissen zu erweitern in der Hoffnung so ihre höchsten Grade in ihrem Studium zu erlangen. Nur Wenige erreichten auf diese Weise ihr Ziel.

      Kaum hatten sie das Gebäude verlassen, nahmen sie ihre Pferde und führten sie den Hügel hinab.

      "Was ist los?", fragte Rugar, als er ihr unglückliches Gesicht sah. "Du hast doch, was du wolltest."

      "Willst du dich über mich lustig machen?", fauchte sie ihn empört an. "Schon gut, lass dich nicht aufhalten. Du hattest ja Recht, dass dies alles nichts bringt. Aber wenn du es wissen willst, ich hatte das starke Gefühl, dass es wichtig war, was ich vorhatte. Und was habe ich erreicht? Ein Buch habe ich. Ja, und was soll ich mit ihm anfangen?"

      "Wie wäre es mit lesen?", schlug Rugar vor und reichte ihr das dünne Buch.

      Sie blieb stehen, nahm es und hätte es ihm vor Wut beinahe wieder ins Gesicht geschleudert. Doch dabei fielen ihr einige Seiten zu Boden und automatisch bückte sie sich, um diese aufzuheben. Dabei bemerkte sie, dass die Seiten nicht mehr leer, sondern eng, Zeile für Zeile, beschrieben waren. Verwundert blieb sie in der Hocke sitzen und schlug das Buch auf. Dort bot sich ihr der gleiche ungewöhnliche Anblick. Seite für Seite war beschrieben, mit fein säuberlicher Schrift. Ab und zu waren einige Fehler ausgebessert und manchmal waren einige Sätze kaum mehr wegen des Alters zu lesen. Fasziniert blätterte sie die Seiten durch und merkte dabei kaum, dass Rugar weiter gegangen war.

      "Warte!", rief sie ihm hinterher. "Nur einen Moment."

      Sie war so sehr in das Buch vertieft, dass sie nicht sehen konnte, wie er die Augen verdrehte und kurz inne hielt. Dann kam er doch zurück, gab seinem schwarzen Hengst die Zügel frei und setzte sich auf den sonnengewärmten Boden.

      "Was hältst du davon, wenn du es später liest, wenn wir sowieso eine Rast machen werden."

      "Gar nichts halte ich davon.", entgegnete sie. "Wenn wir Rast machen werden, wird es dunkel sein und es ist kein Licht mehr zum Lesen, also werde ich die Zeit nutzen solange es hell ist. Wir können die Nacht durchreiten."

      "Was hältst du vom Schlafen?"

      "Wenn du müde bist, schlaf jetzt. Wir werden eine Nacht ohne auskommen."

      "Schön, dann bleib hier und lies und ich reite in der Zwischenzeit weiter. Du kannst meinetwegen nachkommen. Vielleicht treffen wir uns morgen früh irgendwo." Der Klang seiner Stimme verriet, wie ernst er es diesmal meinte. Sie hatte seine Geduld schon mehr als genug strapaziert.

      Seufzend stand sie wieder auf. "In Ordnung, gehen wir.", stimmte sie widerwillig zu. Noch während sie weiter den Hügel hinab lief, konnte sie ihren Blick nicht mehr von dem Buch lassen.

      "Ist es denn wenigstens hilfreich?", fragte er kopfschüttelnd.

      "Das weiß ich noch nicht genau.", gestand sie. "Es ist ein wenig seltsam, dieses Buch. Es ist eine Art Geschichte, herausgenommen aus dem Zusammenhang der Mythen über die Götterwelt. Angeblich sei Sherina nicht wirklich eine Göttin, sondern der oberste Herr Ulasta habe sie zu sich kommen lassen, aus Liebe zu ihr. Später bekamen sie einen Sohn, der das Blut der Götter unter das Auserwählte Volk bringen soll. Sein Name wird hier nicht erwähnt, es wird von ihm nur als der Herrscher der Nacht gesprochen."

      Rugar dachte eine Weile darüber nach. "Wurde das vorher schon einmal irgendwo erwähnt?", erkundigte er sich.

      "Nein." Rawnes schüttelte den Kopf. "Da bin ich mir sicher."

      "Ich frage mich nur, was daran von solcher Wichtigkeit ist, dass jemand verhindern wollte, dies leserlich zu erhalten.", teilte er ihr seine Überlegungen mit.

      "Das wir es jetzt wieder lesen können, bringt uns leider auch nicht mehr besonders viel. Aus der Mitte fehlen ziemlich viele Seiten oder sind nicht in der richtigen Reihenfolge.", stellte Rawnes fest.

      "Lese den Schluss.", forderte er sie auf.

      "Den Schluss?", fragte sie irritiert nach.

      "Vielleicht wissen wir dann, worum es wirklich geht.", meinte er. "Niemand macht sich Sorgen um dieses Buch, wenn es um irgendwelche göttlichen Familienprobleme geht."

      Rawnes tat, was er vorschlug und las den letzten Satz. "Und schließlich werden sie sich erheben aus den Schatten der Erde und die Welt wird unter ihnen erbeben und das Dämonenheer erzittern -- vor den Hütern der Nacht. Gefürchtet wird ihre Macht sein und weder Gott noch Dämon wird seine Hand gegen sie erheben können."

      Beide blieben stehen und starrten eine Weile vor sich her. "Ist das gut oder schlecht?", fragte sich Rawnes laut, doch sie wusste, dass es darauf eigentlich kaum eine Antwort gab.

      "Ich denke, es könnte gut werden.", überlegte Rugar. Sie sahen sich an und wussten beide, etwas würde geschehen, mit dem sie bisher nicht gerechnet hatten. In diesem Moment wurde ihnen bewusst, dass sie alles bisher zu leicht genommen hatten. Justaka war wieder hier, doch ihnen war nicht klar gewesen, was dies eigentlich bedeutete. Jetzt hatten sie die Gefahr direkt vor sich und wussten sie auch nicht, was die geheimnisvolle Andeutung des Buches besagte, ahnten sie, dass ihre Vorhaben alles andere als leicht sein würden. Die Gefahren waren weitaus größer, als sie sich einzustehen gewagt hatten. Doch jetzt war es zu spät und sie hatten so gut wie verloren, denn gegen die Macht, der sie sich stellen wollten, hatte kaum ein lebendes Wesen eine Chance.

      STALCA

      Unruhig wälzte er sich im Schlaf hin und her. An den Großteil seiner wirren Träume konnte er sich hinterher nicht mehr erinnern. Immer wieder sah er den schwarzen Schatten in der Höhle stehen, trotz dass er ihm im Traum sehr viel näher war als in der Wirklichkeit, konnte er sein Gesicht noch immer nicht erkennen. Es war eine unebene Fläche hinter einer fast zugezogenen Kapuze und doch konnte er den kalten Blick deutlich spüren.

      Die Gestalt streckte die Hand aus, zuerst dachte er, sie wolle nach ihm greifen und er wich zurück. Doch sie folgte ihm nicht, hob beide Arme empor und murmelte mit einer tiefen, rauen Stimme einige unverständliche