Leichenwasser. Christina Kreuzer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Kreuzer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741852022
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und Boschi verbrachten zusammen einen wunderbaren Tag in Ingolstadt. Zuerst bekam Boschi seine kesselfrischen Weißwürste im Weißbräu, einer bayrischen Wirtschaft gegenüber vom alten Rathaus. Gemeinsam saßen sie vor dem Lokal, unter der Markise im Schatten, und lauschten dem Glockenspiel über dem Eingang der Traditionsgaststätte. Danach zeigte Jette ihren Chef den Auwaldsee im Südosten von Ingolstadt. Sie spazierten nebeneinander den Rundweg entlang, begegneten einigen Joggern und vielen Sonnenanbetern, die am Ufer des Sees die Liegeflächen bevölkerten. Darunter viele verliebte Pärchen, die ungeniert in der Nachmittagssonne flirteten oder sich küssten. Jette trug ein leichtes, knielanges Sommerkleid, in dem sich ihr Busen deutlich abzeichnete, während es Boschi in seiner alten Jeans und dem grünen Polohemd langsam zu heiß wurde. Er bemerkte das Jette immer ruhiger wurde und schließlich gar nichts mehr sagte. Eine ganze Weile liefen sie wortlos am See entlang. Plötzlich nahm Jette Boschis Hand und sah ihn hoffnungsvoll an. Boschi lächelte und drückte leicht Jettes Finger. Während sie still weitergingen, streichelte Jette mit ihrem Zeigefinger immer wieder Boschis Handinnenfläche. Boschi schwitzte noch mehr, bekam einen roten Kopf und war gleichzeitig froh und traurig, als sie an einem Waldlehrpfad ankamen und Jette seine Hand losließ. Gemeinsam rieten beide die gestellten Fragen auf der Holztafel um die Wette und alberten herum wie Schulkinder. Die Zeit verging viel zu schnell. Zurück am Ausgangspunkt verlor Boschi noch mit fünf Schlägen mehr als Jette auf der Minigolfbahn und danach schlemmten beide ein Stück Torte mit Kaffee in der Gaststätte am See. Nach einem Glas „Hugo“ für Jette und einen „Veneziano“ für Boschi, entdeckten sie den, zwischen hohen Schilf versteckten, kleinen Bootsverleih. Den ganzen Tag hatte sie schon die Ruderboote auf den See beobachtet.

      „Komm Jette, wir leihen uns ein Boot!“ Ohne eine Antwort abzuwarten legte Boschi 30 Euro auf den Tisch des Bootsverleihers, nahm Jettes rechte Hand und zog sie in Richtung Steg.

      Jette sträubte sich wie ein Kindergartenkind. „Halt Boschi! Ich kann nicht!“

      „Was kannst du nicht? Hast du Angst? Kannst du nicht schwimmen?“, fragte Boschi überrascht, denn auf der Polizeischule musste eigentlich jeder Anwärter schwimmen lernen.

      „Doch schon … aber nicht so richtig“, druckste Jette herum.

      „Ach geh zu! Haha! Hast du nur das kleine Seepferdchen geschafft?“ Boschi war klar, dass Jette ungern zugab, etwas nicht richtig zu können. Jette besaß einfach den Ansporn überall die Beste zu sein.

      „Hör auf zu lachen Boschi. Das ist nicht lustig!“

      „Keine Angst Jette! Ich hab eine Ausbildung als Rettungsschwimmer bei der Wasserwacht Wörthsee. Nun komm schon! Ich rette dich, wenn das Boot untergeht, haha!“

      Zögerlich folgte Jette ihren Chef und dachte dabei. „Was denkt der sich … der … Nein, Boschi ist doch lieb. Ich mag ihn eigentlich ganz gern.“ Ängstlich und unsicher stieg Jette ins schwankende Boot. Boschi hielt sie dabei mit seinen starken Händen fest. Jette saß endlich, krallte sich aber zitternd mit beiden Händen am Bootsrand fest. Boschi nahm in der Mitte Platz, schnappte sich beide Ruder und paddelte los. „So Jette, jetzt geht es dir endlich mal genauso wie deinem Beifahrer, wenn du mit ihm, mit achtzig durch die Stadt rast, haha!“

      „Du bist gemein! Außerdem rase ich nie!“ Dann hielt Jette lieber den Mund und konzentrierte sich darauf die Schwankungen des Bootes so gut wie möglich auszugleichen. Fünf Minuten später hatte sie sich an das Schaukeln gewöhnt, sie fühlte sich sicherer und es machte Spaß von Boschi über den See gerudert zu werden. In der Mitte des Sees zog Boschi die Ruder auf einmal ein und ließ das Boot treiben.

      „Du sitzt viel zu weit weg!“, stellte Boschi nach einer Weile fest. „Komm setz Dich zu mir!“

      Jette sah ihn fragend an. „Das Boot ist viel zu klein! Da ist kein Platz für zwei Leute nebeneinander. Außerdem hab ich Angst aufzustehen. Hilfe! Das Boot kentert gleich!“ Jette versuchte im schwankenden Boot zu stehen und bemühte sich das Gleichgewicht zu halten.

      Boschi machte ihr Mut. „Trau dich Jette! Das Boot liegt ganz ruhig auf dem Wasser. Komm setz dich vor mich hin. Ich halte dich fest!“

      Vorsichtig, auf allen Vieren, krabbelte Jette auf Boschi zu. Der zog sie zwischen seine Beine und umschloss mit seinen Armen ihre Hüfte. Jette ließ sich die Umarmung wortlos gefallen. Sie fühlte sich in Boschis Nähe so geborgen. Still und fast bewegungslos lag das Boot im See. Der Abendhimmel zeigte die erste zarte Rötung am Firmament und Boschi roch den zarten Duft von Jettes langen, blonden Haaren, die seinen Hals kitzelten. Boschi versuchte ruhig zu bleiben und die Zeit mit Jette zu genießen. Langsam streichelten seine Finger ihren festen Bauch. Sein Verstand sagte Boschi, kein Verhältnis mit einer Abeitskollegin anzufangen, doch sein Gehirn weigerte sich. Vorsichtig näherten sich Boschis Lippen Jettes Kopf. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten und küsste Jette zärtlich in die Halsbeuge. Sie zuckte leicht, schlang ihre Arme rücklings um seinen Kopf, suchte Boschis Lippen und erwiderte hingebungsvoll seinen Kuss. Minutenlang ließen sich ihre Lippen nicht los und ihre Körper bebten nach Verbundenheit. Langsam setzte die Dämmerung ein und der Abendhimmel zeigte sich postkartenwürdig. Boschi und Jette schmiegten sich liebevoll aneinander und beobachteten vereint, wie die rot glühende Sonne den Tag verabschiedete. Erst ein rücksichtsloser Pfiff vom hektisch winkenden Bootsverleiher, der endlich Feierabend machen wollte, riss beide aus dem leidenschaftlichen Miteinander. Schnell ruderte Boschi ans Ufer und übergab mit hochrotem Kopf das Ruderboot an den grinsenden Bootsverleiher.

      *

      Jettes Elternhaus war dunkel. Ihre Mutter Hilde hatte ihnen eine Nachricht am Küchentisch hinterlassen, dass sie die Nacht im Krankenhaus bei Franz verbringen wolle. Außerdem hatte sie für Jette und Boschi vorgekocht. Auf dem Herd stand eine leckere, noch warme Bolognese Sauce. Während Jette Spaghetti kochte und den Tisch deckte, ging Boschi in den Keller zum Weinregal und holte eine Flasche Südtiroler Edelvernatsch. Sie verstanden sich fast wortlos, als wenn sie schon immer miteinander leben würden. Beim Essen saßen sie sich gegenüber und beide konnten die Augen nicht voneinander lassen. Jette konnte kaum die Beine ruhig halten, ihr Schoß erzitterte, sehnte sich nach Zärtlichkeit. Sie beobachtete Boschi, der auch unruhig und nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Jette gab sich sichtlich einen Ruck, trank ihr Glas in einem Zug aus, stand mit schlottrigen Beinen auf und ging zu Boschi. Mutig fasste sie in Boschis kurze Haare und küsste seine Stirn. „Du bist mein größter Schatz. Ich liebe Dich!“, hauchte sie ihm zu.

      „Eigentlich ist es reiner Wahnsinn, was wir machen. Jette! Aber ich liebe dich auch!“ Boschi zog Jette auf seinen Schoß und küsste sie zärtlich auf ihre bebenden Lippen.

      „Komm Boschi!“ Jette schubste ihn die Treppe in den ersten Stock hinauf, drängte Boschi in ihr Jugendzimmer und ineinander verschlungen fielen sie auf Jettes Bett.

      *

      Eine unheimliche Gestalt, mit einer schwarzen Mönchskutte bekleidet, schlich durch die nächtlichen Straßen von Tutzing. Leise kichernd blieb sie immer wieder vor dunklen Häusern mit Hinterhöfen stehen und hielt minutenlang Ausschau in der Umgebung. Manchmal hörte man ein leises „Miauen“ und danach wieder ein unheimliches Kichern. Kein Mensch war in der dunklen Nacht unterwegs und niemand sah, wie sich eine graue Katze zutraulich und neugierig dem geheimnisvollen Mönch näherte. Blitzschnell fasste der zu und die Katze verschwand laut kreischend in einem Sack unter der Kutte. „Hahaha!“ Ein lautes hämisches Lachen schallte durch die nächtlichen Straßen von Tutzing.

      *

      Jette erwachte durch lautes Vogelgezwitscher und die Sonnenstrahlen, die ihre Nase kitzelten. Sie öffnete die Augen und blickte auf ihre Lieblingspuppe Sara, die sie mit großen Augen, halb verdeckt von ihrem Sommerkleid, anstarrte. Blitzartig erinnerte sie sich an den vergangenen Abend. Jette spürte, neben ihr lag der schönste Mann der Welt. Sie drehte sich vorsichtig und betrachtete Boschi, der ruhig, mit gleichmäßigen Atemzügen neben ihr schlief. Sie bewunderte sein hageres Gesicht mit den kurzen Bartstoppeln am Kinn und den Wangen. Seine Wimpern waren fast länger als ihre! Mein Gott, welch schöne ebenmäßige, gerade Nase Boschi nur hat. Aber das Beste waren seine