Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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stehlen«, gab sie lachend zurück. »Das hörte ich kürzlich bei einer Seifenoper.«

      »Welch tiefe, philosophische Einblicke!«, erwiderte er daraufhin und betrachtete Cassandras wohlgeformten Körper, den er diesmal nicht mit dem Sachverständnis eines Anatomen wahrnahm, sondern mit den Augen eines Liebenden.

      »Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verschreckt, mit meinem unzüchtigen Verhalten«, schmiegte sich die frisch Geschminkte wieder an ihn.

      »Oh, nein. Es wäre mir wesentlich peinlicher gewesen, wenn du vor deinen Mitarbeitern über mich hergefallen wärst. Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er besorgt und stopfte seine Pfeife.

      »Ich befürchtete schon, dass du dich sträuben würdest, weil Klempnern nicht unbedingt dein Schaffensgebiet ist. Obwohl ich sagen muss, das mit dem Rohr verlegen, war schon mal ein guter Anfang!«, lachte sie und stieß dabei ein kleines Rauchwölkchen aus.

      »Wenn du wieder meine Klempnerfähigkeiten brauchst, bitte ich vorher um einen Termin«, witzelte er. »Findest du nicht, wir passen gut zusammen? Du, eine Drachenfrau und ich, ein Gestaltwandler. Wir könnten doch auch mal als Drachen... Wenn du verstehst, was ich meine...«

      »Wärst du sehr beleidigt, wenn ich dich Sodomit nenne?«, lachte sie schallend, als sie daraufhin Connies verdutztes Gesicht sah. »Natürlich wäre das eine schöne Sache. Ja, aber dafür sollten wir nicht eine allzu kleine Kabine auswählen. Es könnte sehr eng werden!«, kicherte sie.

      Connie zog sein Jackett zu sich und durchforstete die Taschen. Cassandra wusste sofort, was er begehrte und blies sachte in die Pfeife. Flammen erwärmten den Pfeifentabak, der sofort sein angenehm süßliches Aroma verbreitete.

      »Danke, so ein gutaussehendes Feuerzeug besaß ich noch nie!«, lächelte er charmant und paffte.

      »Du siehst selbst wie ein Streichholz aus. Du hast einen ganz roten Kopf...«, frotzelte sie und inhalierte entspannt. »Ich liebe den Duft des Pfeifentabaks. Wieso, kann ich nicht sagen, er erinnert mich daran, wie ein Großvater seine Pfeife entzündet und seinem Enkel eine schöne Geschichte erzählt.« Sie wirkte ein wenig unglücklich. »Selbstverständlich hatte ich niemals einen Großvater der Pfeife rauchte. Aber mein Vater fraß mal einen großen Ritter, der dabei auf dem letzten Loch pfiff. Dies, jedenfalls, erzählte mir meine Mutter.«

      »Ja, die Zeiten haben sich sehr geändert, zum Positiven, würde ich mal so sagen.«

      »Stimmt, Autos, Telefone, Jets. Leider ist die Welt nicht mehr so leise wie damals. Obwohl das Klappern der Hufe und das Rumpeln der Holzräder auch keine leise Angelegenheit waren. Aber diese ganzen Rasenmäher, Laubbläser, Kreissägen und dergleichen, sind die Kehrseite der technischen Errungenschaften.«

      »Erinnere mich daran, dass ich dir eine CD mit dem Schweigen im Walde sende. Wenn es laut wird, kannst du dir ein wenig Ruhe anhören«, grinste der Graue.

      »Du bist wirklich ein sehr humorvoller Typ, wenn die anderen nicht da sind«, konterte Cassandra und gab ihm einen liebevollen Knuff.

      »Au! Wenn du mich schlägst, verlasse ich dich!«, schmunzelte er.

      »Du kannst es ja mal versuchen, meine Schwingen tragen mich weit und ich werde dich überall finden!«, drohte sie gespielt.

      »Oh, dann ist ja gut! Cassandra, ich denke, wir sollten uns wieder ankleiden, wir gehen in den Sinkflug.«

      »Jetzt wo du es sagst, stimmt... Ich wunderte mich schon, warum der Himmel nicht mehr so schön dunkel ist. Das Bild, das uns während unserer Vereinigung bot, war einfach unglaublich!«, schwärmte sie.

      »Ja, ging mir genauso, ich dachte, ich sei im siebten Himmel.«

      »War lediglich die Stratosphäre, du alter Träumer!«, entgegnete sie nüchtern. Beide dachten nicht daran, sich aus der Umklammerung des anderen zu lösen.

      Als Cornelius sie kritisch musterte, lachte sie herzlich. »Was ist?«

      »Cassandra, ich weiß, wir kennen uns noch nicht sehr lange, doch kommt es mir vor, als wäre es schon eine Ewigkeit. Wir haben uns beide durch die Zeit gerettet.«

      »Okay...«

      »Ein wenig komme ich mir wie ein Schuft vor, weil ich das Gefühl habe, ich würde dich Gungnir wegnehmen, aber...«, er schluckte und sein Kehlkopf klickte. »Ich liebe dich! Als ich dich zum ersten Mal im Flugzeug sah, wurde mir heiß und kalt, wusste sofort, dass du die Richtige bist. Ohne dich will ich nicht mehr sein. Hier meine Frage, du magst sie für übereilt halten, aber warum nicht jetzt: Willst du meine Frau werden?«

      Cassandras Gesicht wurde ernst. »Du nimmst mich dem Gungnir nicht weg, weil ich nicht sein Eigentum bin. Hm, das ist ja komisch! Bisher machte mir noch niemand einen Heiratsantrag. Und erst recht nicht auf einer Flugzeugtoilette!«

      »Gut, ist mir auch noch nicht passiert, aber was soll das in diesem Fall bedeuten?«, fragte er ein wenig verunsichert.

      »Ich liebte von jeher die Herausforderung! Was das heißen soll? Ich sag dann mal ›Ja‹. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem liebte ich dich vom ersten Augenblick an, als ich dich sah«, gestand Cassandra.

      Dem alten Vampir schwindelte es ein wenig vor Glück. »Aber was ist mit der großen Distanz? Du lebst in New York und ich in der Zentrale. Das bereitet mir Kopfzerbrechen.«

      »Das ist doch heutzutage kein Problem mehr. Ich ziehe zu dir nach Europa, da bin ich meinem Sohn und Enkelsohn ohnehin viel näher. Meine Arbeit erledige ich mit dem PC und Telefon, da muss ich nicht vor Ort sein. Hast du denn eine Wohnung?«

      Upps, da traf Cassandra seinen wunden Punkt. In all den Jahren, die er in der Zentrale zubrachte, sah er es als unnötig an, so einen Luxus wie eine Wohnung zu besitzen. Eigentlich wusste niemand, dass er in einem schlichten Zimmer mit Bad wohnte, so wie alle Mitarbeiter von Salomons Ring, die in der Zentrale zuhause waren. Nur lag seine Bleibe etwas abgeschiedener, ein paar Stockwerke unterhalb der Wohnbereiche. Eigentlich wohnte er im wahrsten Sinne dort gar nicht, sondern hauste. Er bunkerte im Zimmer seine alten Folianten, die er im Laufe der Zeit gesammelt hatte, die ebenfalls den Platz seines Schreibtisches einnahmen und inmitten des Chaos, stand ein bescheidenes Bett, das an die Liegestätte eines Mönchs gemahnte. Selbstverständlich lagen dort genauso alte Bücher herum, nur diese las er zurzeit.

      »Äh, Wohnung?«, krächzte er heiser. »Weißt du was? Wir sollten gemeinsam neu anfangen. Wir suchen sie uns zusammen aus und gestalten sie. Aber, wenn du willst und über das bessere Händchen verfügst, überlasse ich dir die Einrichtung. Meine Lebensart war bisher immer recht bescheiden, ich habe genug gespart. Geld spielt keine Rolle!«

      »In der Tat spielt Geld keine Rolle. Davon habe ich selbst genug. Niemand nennt mich mehr Frau Pleite. In Ordnung, so machen wir das. Wir fangen gemeinsam völlig neu an! Vielleicht ein kleines Häuschen?«, gab Cassandra ihre Zustimmung.

      »Ja, das klingt himmlisch!«

      Ein Klopfen störte ihre Planung. »Entschuldigen Sie! Geht es Ihnen gut?«, fragte die Flugbegleiterin.

      »Ja, danke!«, riefen Cornelius und Cassandra unisono. Als sie bemerkten, dass sie sich dadurch verrieten, brachen sie in Gelächter aus.

      Die Stewardess zeigte sich nicht beeindruckt; offenbar war dies nicht ihr erster Fall von Bordtoiletten-Reparatur: »Gut, ich bin erleichtert. Wir landen gleich! Bitte kommen Sie heraus und schnallen sich an!«

      In Windeseile kletterte das Paar in die Klamotten. Verdutzt zog Cornelius einen BH aus der Jackentasche: »Hier, das ist deiner!«

      »Du alter Lustmolch! Den wolltest du wohl behalten, was?«

      Zuerst verließ Cassandra bemüht unauffällig die Bordtoilette. Danach huschte Cornelius in Vampir-Tempo auf seinen Sitzplatz zurück.

      Während der Landung hielten sie verliebt Händchen.

      *

      In seinem Labor, bzw. im Teleportationsraum, lief Simon im Quadrat. Ambrosius Pistillum war zugegen und beobachtete, wie Simon seine unzähligen Runden drehte,