Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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geschwommen.«

      »Ja, ja, und sag nicht, du hattest nicht so schnell einen Hammerhai und eine Seenadel zur Hand gehabt. Lediglich ein Seewolf war greifbar. So, so, du bist also geschwommen? Dabei sind augenscheinlich deine Kleider eingegangen. Sind wohl nicht wasserfest eure Schafe? Bist ein echter Witzbold, wie? Weswegen du hier bist, brauche ich gar nicht erst zu fragen, oder?«, nahm er mich genauer unter die Lupe. Wahrscheinlich passten ihm sowohl meine Nase, mein neuer Wolf, als auch meine Antworten nicht.

      »Nee, die Kleidung ging nicht ein. Ich bin noch im Wachstum. Außerdem: Wer barfuß geht, den drücken keine Schuhe.«

      »Ha, ha! Gibt´s dich auch in witzig? Hast dir wohl zusätzlich noch einen Wolf gelaufen. Also, was willst du?«

      »Bin wegen der Frau hier. Sie ist etwa so groß«, zeigte ich, »hat schwarze Haare und tritt wie ein Pferd. Sie gehört zu mir!«

      Der Torwächter kratzte sich am Kopf, betrachtete danach interessiert seinen Fingernagel und knackte eine Laus. »Donnerlittchen, das hat sich aber schnell herumgesprochen! Tratschen alle herum wie die Waschweiber!«

      Daraufhin meldete sich der zweite, kleinere Wächter zu Wort: »W...w...ww... Wwwwo... k... kkkk...kkkko... kommmm...«

      »Was hat er gesagt?«, fragte ich entgeistert. »Ist er euer Anführer?«

      »Nein, das ist Snorri, er stottert fürchterlich. Snorri ist der Einzige von uns, der lesen und schreiben kann. Nützt ihm leider auch nichts, wenn er aufschreibt, was er sagen will, kann es von uns Burschen niemand lesen. Ha, ha! Wenn er unser Anführer wäre, müssten wir uns eine halbe Stunde die Beine in den Bauch stehen, bis er seinen Befehl ausgesprochen hat. Er fragt, woher du kommst! Und nebenbei bemerkt, will ich das auch wissen!«, meinte der Größere.

      »Ach so. Ich komme aus dem Norden! Wo der herkommt, weiß ich nicht!«, zeigte ich auf Jerv, der gelangweilt gähnte.

      »Ich spreche kein wölfisch. Sagtest du Norden, ja? Das höre ich schon an deinem Dialekt, klingt fast ein bisschen altnordisch. Okay, Bursche! Geht das nicht zufällig ein wenig präziser? Du bist wohl nicht sehr gesprächig, hm?«

      »Nicht besonders. Ich komme vom Reisafjord, aus der Nähe von Sørkjosen.«

      Der Kerl verdrehte die Augen. »Ach, woher genau? Du stellst meine Geduld ganz schön auf die Probe! Wie heißt die Siedlung, aus der du stammst?«, fragte er genervt.

      »Detvakrestestedetverdenvetingen am Reisafjord.«

      Beiden gingen fast die Augen über. »Das kann unmöglich sein, denn diese Siedlung wurde vor über sechshundert Jahren dem Erdboden gleich gemacht! Das Dorf existiert nicht mehr, seit Ludwig der Fromme, seine Ritter des Heiligen Michael dort hinschickte, um die Einwohner töten zu lassen. Das war seine spezielle Art, die Leute zu missionieren. Er ließ sie gleich in die himmlischen Gefilde eintreten. Seitdem lebt nicht mal mehr eine Maus dort. Jeder meidet diesen verfluchten Ort. Die Sage geht um, nur die Stammesmitglieder, die nicht im Dorf waren, kamen mit dem Leben davon. Es gibt einen Nebenzweig, weiter unten auf Gotland und Dänemark, aber von denen rede ich gar nicht. Man sagt, es gab lediglich einen einzigen Überlebenden der Siedlung. Den jüngsten Sohn des damaligen Häuptlings, der gerade zufällig aus dem Reisafjord fuhr, um zu fischen«, erklärte der Wächter. »Ach, verdammt, Snorri, wie hieß er noch gleich?«, drehte er sich zum Stotterer um.

      »Rrrr... Ra...«, stotterte der arme Snorri.

      »Ja, genau, Ragnar, oder Rauður. Jedenfalls war er der einzige überlebende Haraldinger. Anschließend übte er zusammen mit Othar dem Weißen, einen unbarmherzigen Gegenschlag aus. Man sagt, er habe über fünfzig der feindlichen Michaeler erschlagen und watete knietief durch ihr Blut und Gedärm. Leider waren die Gegner in der Überzahl und schlugen wiederum die Revolte nieder. Den Häuptlingssohn verschleppten sie ins Kaiserreich, angeblich wurde er dort zu einem Wiedergänger. Mein Vater erzählte mir, eines Tages käme er zurück, um unser Volk vom König und dessen Jarl zu befreien. Ha! Schön wäre es ja...«, endete der Wächter. »Übrigens, mein Name ist Miðill.«

      »Stimmt wohl, ist ein ziemlich einsamer Ort«, bemerkte ich trocken.

      »Dann musst du ein wahrer Einsiedler sein, wenn du da ganz allein bei den Toten wohnst.«

      »Mag es eben etwas ruhiger«, nickte ich.

      »Kein Wunder, wenn du ganz heiß auf eine Braut bist. Irgendwie muss man sich ja dort die Langeweile vertreiben. Wie sagtest du, ist dein Name?«, fragte Miðill misstrauisch.

      … Verdammt! Das war eine wirklich gute Frage. Dabei konnte ich sie mir selbst noch nicht einmal beantworten. Insgeheim hoffte ich auf ein Wunder...

      Während des Gesprächs stieg unerwartet der Lärmpegel an. Gerade als ich »Hä?«, fragte, um etwas Zeit zu schinden, stürmte ein Pulk lärmender Kinder aus dem Dorf. Sie lachten und kreischten sehr laut. Mir taten sofort die Ohren weh. Sie stürmten im vollen Galopp, direkt vom Steg, ins Wasser des Fjords. Die Kleinen hatten ihren Spaß, bespritzten sich gegenseitig mit Wasser und versuchten ihren Gegenüber unterzutauchen. Was für ein Radau.

      »Deinen Namen!«, insistierte Miðill. »Snorri muss ihn aufschreiben!«

      »Hä? … Hhhhh....heißt... dd du...Hä... Häggggg... Hägar?«, brachte Snorri erleichtert heraus, sichtlich froh darüber, von Miðill nicht das Wort abgeschnitten zu bekommen.

      Das klang gut, ich nickte: »Ja, ja... Hägar. Hägar, der Rote.«

      Sofort kritzelte Snorri mit einem Stück Kreide auf einer Schiefertafel herum.

      »Wieso Hägar, der Rote?«, fragte Miðill verwundert.

      »Na, wegen meiner roten Haare!«, erklärte ich geduldig.

      »Wo hast du denn rote Haare? Am Sack, oder was? Junge, du bist blond wie Stroh! Wahrscheinlich ist das sogar Stroh, was da aus deinem Schädel quillt!«

      Ich nahm einen meiner Zöpfe in die Hand... »Oh!«

      »Ja, ich merke schon, du bist ein bisschen langsam im Kopf«, verdrehte Miðill die Augen. »Gut, hast du Erfahrung als Krieger?«, hakte er nach.

      »War Söldner.«

      »Geht das schon wieder los? Muss ich dir wieder alles, wie einen Wurm aus der Nase ziehen? Wo warst du beschäftigt?«

      »Oh, das war unten, weiter im Süden. Diente dem Kaiser.«

      »Welchem Kaiser?«, fragte er sichtlich gereizt.

      »Na, allen.«

      »Bei Odin! Langsam reißt mir der Geduldsfaden...Wo warst du stationiert?«

      Mir kamen so viele bekannte Namen in den Sinn, die ich dann einfach aufzählte: »Oh, ach so... Bei den Michaelern, mal in Köln, dann Aachen, Straßburg, Paderborn, Goslar, Kaiserslautern, Karlsruhe, Trier, Freiburg, Nürnberg, Bamberg, Regensburg, Wien. War auch schon mal in München... Zuletzt beim Orden des Heiligen Michael, in...«

      »Danke, das genügt. Bist ja echt viel herumgekommen. Entweder, weil du so gut warst, oder deinen Vorgesetzten ganz tierisch auf den Keks gingst.«

      »Warte, ich war noch gar nicht fer...«

      »Ist ja gut, es reicht! Du kennst also die Feinde sehr gut. Ja, die Michaeler sind eine harte Truppe, bestehen nur aus fanatisch religiösen Kämpfern. Du hast nicht zufällig auch für König Eirik gearbeitet?«, fragte er plötzlich sehr ernst und beäugte mich misstrauisch.

      »Eirik? Ich kenne keinen König Eirik! Wer ist der Kerl?«

      »Ha, ha, ha! Warst wohl lange nicht mehr hier?!«, beide lachten. Miðill ergriff wieder das Wort: »Du meinst, du erkennst ihn nicht an? Das tun wir nämlich auch nicht! Wir wollen keine Knechte sein, sondern frei, wie unsere Ahnen. Schonmal der König ein christlicher Fremdländer ist, dieser Eirik III. Aus der Dynastie der Greifen! Odin hilf! Einer aus Pommern! Erich... Vorne Er, hinten ich... Ha, ha, ha.... Pah, er heißt eigentlich Bogislaw! Ein verdammter Polacke regiert die drei skandinavischen Königsstaaten!«, spuckte er aus. »Scheiß Kalmarer Union! Was