Shandra el Guerrero. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737577434
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begann er wie ein wahnsinniger zu kreischen, er warf seinen Lanzenstummel weg, gab seinem Pferd mit dem noch vorhandenen linken Bein den Sporn und es kam wie es kommen musste. Mit nur noch einem Bein vermochte er sich nicht mehr im Sattel zu halten, er stürzte wie ein nasser Sack zu Boden, knallte mit dem Kopf voran auf den steinigen Untergrund und dann ertönte ein Geräusch, als hätte man einen trockenen Ast geknickt. Robert de Guilome hatte sich im Sturz das Genick gebrochen, somit spielte der Verlust seines Beines keine große Rolle mehr.

      Thomas Shifford hatte sich vom Boden aufgerappelt, den schweren Sack zur Seite getreten und nun stand er mit kampfbereitem Schwert in geduckter Haltung auf der Straße und wartete darauf von dem Schwarzen attackiert zu werden. Zu seinem Erstaunen bückte dieser sich bei der Leiche Guilomes, wischte seine Klinge an dessen Kleidung ab, steckte sie in die Scheide und wandte sich an Thomas Shifford.

       „Mein Herr, ich will nicht mit euch kämpfen. Ich hatte auch kein Interesse daran, diesen Trottel hier zu töten. Ich will eigentlich nur in Ruhe meines Weges ziehen, doch das scheint neuerdings in diesem Land immer schwieriger zu werden. Wer seid ihr, dass ihr einen harmlosen Reisenden wegen nichts zu töten befehlt?“

       „Wer seid ihr, dass ihr aus der Dunkelheit kommt, anderer Leute Pferde erschreckt und ihnen das Bein abhackt, weil sie aus einem Schreck heraus gegen euch reagieren?“

       „Ihr habt Recht, ich sollte mich zuerst vorstellen.

       Mein Name ist Shaktar al S’Andorin. Ich komme aus dem Land S’Andora, wo ich der zweite Mann eines kleinen Waldvolkes bin und ich reise nach Süden und Westen, weil ich einen Teil meiner Familie suche, die ich vor vielen Jahren verloren habe.“

       „Dann habt ihr einen langen Weg hinter euch. Mein Name ist Thomas Shifford und ich bin erster Protegé des Vizekönigs von Malaga und beauftragt, die Küstenregion von Almeria bis Murcia zu befrieden.“

       „Thomas Shifford? Na, dann habe ich ja einen interessanten Fang gemacht. Ich schätze, wenn ich euch jetzt gefangen nehme, bringt ihr ein ordentliches Lösegeld, nicht wahr?“

       „Zunächst müsstet ihr erst mal in der Lage sein, mich gefangen zu nehmen. So leicht wie dieser Idiot hier würde ich es euch nicht machen. Ich würde eher sagen, ihr seid gut beraten, wenn ihr euch mir als Gefangener ausliefert.“

      Shaktar sah sein Gegenüber mit einem mokanten Lächeln ein paar Atemzüge lang an, dann meinte er:

       „Ihr habt eine interessante Sicht der Dinge. Doch mir ist nicht danach, unsere unterschiedlichen Ansichten auszudiskutieren oder gar mit dem Schwert zu erledigen. Ich schlage euch deshalb einen Kompromiss vor. Wir sind beide niemandes Gefangener sondern ich bin ein zufälliger Wanderer, den ihr getroffen habt und nun als Gast an euren Hof einladet. Dann können wir uns unterhalten und wenn wir dann herausfinden, dass wir uns nicht verstehen, können wir immer noch mit den Schwertern auf einander losgehen. Oder aber ich ziehe einfach weiter. Was haltet ihr davon?“

      Angesichts der Tatsache, dass er sich mit diesem Shaktar al S’Andorin allein hätte auseinandersetzen müssen, nahm Shifford das Angebot des Schwarzen an und lud ihn tatsächlich ein, für unbestimmte Zeit sein Gast in Almeria zu sein. Nur eines noch:

       „Was geschieht wegen Robert de Guilome mit euch? Er war mein Kämmerer und beinahe so etwas wie mein Freund. Was sage ich nun seiner Witwe, seinen Kindern und seinen Kriegern?“

       „Sagt ihnen die Wahrheit. Sagt ihnen, dass er ein Dummkopf war und eigentlich schon länger gelebt hat, als es ihm auf Grund seiner Dummheit zugestanden hatte. Oder wollt ihr Befriedigung für ihn?“

       „Nein, nein. Lasst es gut sein, es war nur so eine Frage.“

      Shifford wendete sich um und ging mit langen Schritten aus dem Tunnel hinaus ins helle Licht, wo man ihn bereits mit den beiden eingefangenen Pferden erwartete. Ohne ein Wort der Erklärung kletterte er auf seinen Hengst, wendete ihn und brüllte:

       „Wir reiten zurück! Folgt mir und fragt nicht, sonst reiße ich euch den Kopf ab, ich schwöre es euch.“

      Sichtbar wütend trieb er sein Pferd aus dem Stand heraus in den Galopp und raste den Weg zurück nach Almeria.

      Sein Gast erreichte die Unterkunft Thomas Shiffords erst am Abend. Er kam auf Robert de Guilomes Hengst gemütlich angetrabt und tat, als wäre es das normalste auf der Welt, auf dem Pferd eines toten Anglialbions in ein befestigtes Kriegslager der Anglialbions zu reiten und nach dem Befehlshaber zu verlangen.

      Thomas Shifford hielt sein gegebenes Versprechen, Shaktar wurde als Gast und damit auch mit der gebotenen Höflichkeit behandelt. Man wies ihm ein Quartier zu, er wurde zur Abendtafel des Befehlshabers eingeladen und erhielt einen Ehrenplatz an dessen linker Seite. Zwar wurde er von allen Seiten scheel angestarrt und während einer kurzen Laudatio auf den toten Robert de Guilome fing Shaktar sich so manchen wütenden Blick der Anwesenden ein, doch der Abend und auch die anschließende Nacht verliefen ohne Probleme.

      Am nächsten Tag wurde Shaktar zu Thomas Shifford in dessen Kommandozentrale geführt und sie unterhielten sich lange über die Regionen, die Shaktar bereist hatte und er gab Shifford und seinen anwesenden Hauptleuten bereitwillig die Informationen, die diese haben wollten. Weshalb auch nicht? Er verriet niemand an dieser menschenleeren Küste.

      Da es Winter war und das Wetter entsprechend rau, blieb Shaktar länger in Almeria, als er vorgehabt hatte. Erst im nächsten Frühsommer machte er sich wieder auf die Reise und zwar nicht nach Südwesten sondern nach Westen, ins Landesinnere hinein, denn Thomas Shifford bat ihn, doch als Abgesandter Almerias zu Gräfin Sybila nach Granada zu reisen und ihr eine Botschaft zu überbringen.

      Amazonen

      Um von Ronda nach Antequera zu reisen gab es verschiedene Wege. Keiner von ihnen war bequem und alle waren mehr oder weniger gefährlich, denn der größte Teil des Landes bestand aus einer unwegsamen und schroffen Bergwildnis, in der sich ein Fremder ohne einen ortskundigen Führer in kürzester Zeit verlaufen würde. Die Vielzahl der großen und kleinen Täler bildete vermeintlich ein wahres Labyrinth von Möglichkeiten, von einer Himmelsrichtung in die andere zu ziehen und doch waren die Wege selten das, was sie zu sein schienen.

      Es gab Wild in rauen Mengen und auch Wasser genug, doch die Bäche und Flüsse hatten ihr Bett zumeist tief in das Gestein eingegraben und es war nicht selten, dass Wanderer in unmittelbarer Nähe eines Baches oder eines kleinen Flusses verdursteten, weil dessen Ufer völlig unzugänglich waren. Ähnlich verhielt es sich mit der Jagd. Ein Stück Wild zu erlegen war zumeist nicht besonders schwierig, denn alles Wild war erstaunlich wenig scheu. Aber was nütze es, eine Gämse zu erlegen, die nur fünfzig Schritte entfernt graste, wenn sich zwischen der Beute und dem Jäger ein Abgrund befand, der innerhalb eines halben Tagesmarsches in jeder Richtung nicht überquert werden konnte?

      Es war also alles andere als ein Honigschlecken, durch diese Wildnis zu ziehen. Es sei denn, man hatte einen Führer bei sich, der sich auskannte. Doch wie so oft im Leben, waren auch die verfügbaren Führer meist mit einem erheblichen Risiko behaftet. Verfügte man über nur wenig begehrenswerte Besitztümer, bekam man keinen oder nur einen schlechten Führer. War man aber besser gestellt und konnte einen der angesehenen Führer bezahlen, war man zugleich eine willkommene Beute für Räuber und Wegelagerer und es geschah nicht selten, dass ein Führer mit einer Bande Räuber zusammen arbeitete und eine fette Provision für seine Dienste erhielt. Dienste, die darin bestanden, die Reisenden zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen und dann zu verschwinden.

      Diese Methode war bei den Geistern der Sierra – ein nennenswerter Teil dieser Menschen verdienten ihren Lebensunterhalt durch Raub, Mord und Totschlag - besonders beliebt, wenn der Reisende Chriano oder gar Anglialbion war.

      Die vier Escadrons blieben von solchen Praktiken natürlich verschont. Zum Einen konnten die Geister der Sierra an Shandras Truppen viel mehr verdienen, wenn sie zahlreiche Anglialbions und Chrianos erschlugen und zum andern – ein nicht