Shandra el Guerrero. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737577434
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„Ich grüße dich, Alaxandra, Prinzessin der Sarmat. Ich bin ein Mann der Berge und auf der Reise nach Antequera. Was führt dich nach Al Andalus, Frau aus den Steppen des Ostens?“

       „Oh, nicht nur ein vorsichtiger sondern auch ein kluge Mann! Du weißt, wo die Sarmat ihr Zuhause haben?“

       „Ich weiß wo die Sarmat ihr Zuhause haben und ich spreche ihre Sprache. Aber nun lass mich hören, weshalb du eine derart lange Reise auf dich genommen hast. Suchst du etwas Bestimmtes?“

      Shandra hatte mitten im Satz von Romain in Sarmati gewechselt und die Reaktion Alaxandras war entsprechend. Sie hatte auf ihrer Reise eine Menge erlebt. Erwartetes und noch mehr Unerwartetes. Dass sie jetzt, da sie sich beinahe am Ziel ihrer Reise wähnte, auf einen Mann traf, der die Sprache der Amazonen sprach, war das bei weitem am wenigsten Erwartete von allem. Sie verschluckte sich fast an ihren Worten, als sie heraus sprudelte:

       „Wenn du unsere Sprache sprichst, kennst du dann auch unsere Sitten? Weißt du, dass Amazonen nur die Männer nicht töten, mit denen sie Salz, Brot und ein Lager geteilt haben? Du solltest zusehen, dass du ein Lagerfeuer in Gang bekommst, denn viel Geduld haben wir Amazonen nicht!“

      Nun war es Shandra, dem es für einen Moment die Sprache verschlug. Tod oder Sex? Einen größeren Unterschied zwischen zwei Möglichkeiten des Umgangs mit einander gab es zwischen Menschen wohl kaum, oder? Da er den Tod noch nicht herbei sehnte, wäre es eigentlich nahe liegend gewesen, er hätte jetzt tatsächlich rasch ein Lagerfeuer gemacht und mit der jungen Frau ein Stück Fladen und eine Prise Salz geteilt. Anschließend wäre es vielleicht möglich gewesen, im Gras seinen Spaß mit ihr zu haben. Doch zunächst ärgerte ihn ihre Arroganz noch ein wenig und er wollte auch noch mehr über sie wissen, ehe er sich auf ihre Bedingungen einließ. Er beschloss, die Amazone noch ein wenig zu provozieren und sie aus der Reserve zu locken. Dann würde er sie am besten studieren können.

       „Wir Männer der Berge sind ziemlich zurückhaltend in der Auswahl unserer Gespielinnen. Schöne Frauen, die leicht zu haben sind, gibt es genug. Aber wir sind es nicht gewohnt, dass wir von Frauen mit dem Tod bedroht werden. Ich sehe auch keinen Grund für eine solche Drohung und außerdem bin ich der Meinung, man sollte eine Drohung nur aussprechen, wenn man im Ernstfall auch in der Lage ist, sie wahr zu machen. Nun sag mir einfach, was du in Al Andalus suchst. Vielleicht kann ich dir je weiterhelfen und wir können auseinander gehen, ohne uns die Köpfe einzuschlagen.“

      Shandras teilweise in spöttischem, teilweise aber auch in belehrendem Tonfall gesprochenen Worte ärgerten die Amazone. Noch während Shandra redete, war ihr Temperament hoch gekocht. Der Zorn war aufgeflammt und – so war sie es gewohnt zu reagieren – ihre Schenkel gaben dem Braunen die längst erwarteten Befehle, der Hengst sprang nach vorne, als hätte ihn von hinten jemand getreten. Die Lanze kippte ein wenig hoch, die Spitze zielte nun auf Shandras Brust und noch zwei Sprünge und um Shandra war es geschehen.

      Eine kurze, unglaublich schnelle Handbewegung Shandras stoppte den Angriff so abrupt, wie er begonnen worden war. Die Amazone begriff nicht, was es war, doch plötzlich durchzuckte ein jäher Schmerz ihren Kopf, die Lichter gingen aus, sie seufzte und kippte rücklings vom Pferd. Der Hengst war wirklich perfekt geschult, denn kaum war der Druck der Schenkel an seinen Flanken weg, blieb er stehen, als wären seine Hufe mit dem Boden verwachsen.

      Die Amazone lag im Gras und an ihrer Stirn entstand eine Schwellung und wuchs zu einer dicken Beule heran. Shandra hockte neben der jungen Frau im Gras und sah sie sich noch genauer an und da tat es ihm fast leid, dass er ihr einen Stein an den Kopf geworfen hatte. Sie hatte ein wirklich bildhübsches Gesicht, fein gemeißelte Züge, eine klare, hohe Stirn, eine zierliche Nase und einen Mund der eine einzige Herausforderung zum Kusswettkampf darstellte. Ihr Kinn war zwar ein klein wenig zu energisch, es zeigte, dass die Frau zumeist in der Lage war, ihren Willen auch durchzusetzen, doch das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Shandra untersuchte sie kurz, tastete ihren Schädel nach einem möglichen Bruch ab und war froh, dass er nichts dergleichen feststellen konnte, dann nahm er sie auf seine Arme, stand auf und trug sie über die Wiese an das Ufer des kleinen Flusses, dorthin, wo er zuvor seine Füße gebadet hatte. Den Braunen nahm er gleich mit, einer seiner Zügel war herunter gefallen, Shandra griff mit der Linken zu und schlang sich die lederne Leine um die Faust, ohne deswegen die hübsche Beute auf seinen Armen fallen zu lassen. Der Hengst folgte ihm willig und als Shandra die Amazone am Boden abgelegt hatte, stellte der Hengst sich so, dass er seinen Schatten über den Körper seiner Reiterin warf.

      Shandra war perplex. Diesen Trick hatte er noch nirgendwo gesehen, aber er würde ihn sich merken. Er konnte lebensrettend sein, wenn man verletzt vom Pferd gefallen war und in der prallen Sonne lag.

      Shandra nahm seinen Wasserschlauch, er hatte ihn erst kurz vor Ankunft der Amazone mit frischem Wasser gefüllt. Er goss der jungen Frau nun vorsichtig Wasser übers Gesicht und ließ auch etwas davon auf ihre Lippen träufeln und kurz darauf regte sie sich wieder. Ihre Bewusstlosigkeit schwand, ihre Augen öffneten sich und ihre Blicke wurden wieder klar und Shandra sah, dass die Sarmat – Prinzessin große, graue und sehr ausdrucksstarke Augen hatte. Die Lider waren ausgesprochen langen und schön geschwungenen, seidigen und dunkelbraunen Wimpern bewachsen und die Brauen über den Augen so fein gezeichnet, wie er es bisher nur auf den Bildern im Archiv zu Zahara an einer Frau gesehen hatte.

      Eine wirklich sehr schöne Frau, die jetzt, da sie langsam wieder in die Welt und das Leben zurück kehrte, noch nach einem Anhaltspunkt suchte, an dem sie ihre Erinnerungen festmachen konnte, denn im Augenblick wusste sie nicht, wo sie sich befand und was mit ihr geschehen war. Shandra bildete den ersten Fixpunkt in ihrem Kopf und dann sah sie hoch und entdeckte ihren Hengst. Die Gefühle, die wie Wolken über ihr Gesicht glitten, sagten alles. Bei Shandras Anblick wurde ihr Gesicht rot vor Zorn und ihre Augen blitzten wütend, dann sah sie den Hengst und der Zorn verschwand und sie beruhigte sich wieder etwas.

       „Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen?“

       „Du bist vom Pferd gefallen und hast dir den Kopf angeschlagen und da habe ich dich aufgehoben und hierher an den Fluss getragen, damit ich dir Wasser geben und dich aus der Bewusstlosigkeit zurück holen konnte.“

      Die Amazone schoss mit einem wütenden Schrei und unerwarteter Schnelligkeit in eine sitzende Position hoch, ihre geballte Faust zuckte vor und hätte vielleicht Shandras Auge getroffen, hätte er nicht blitzschnell den Kopf weg gedreht, doch dann war die Attacke auch schon wieder vorbei, denn die Amazone wurde wieder von ihren Kopfschmerzen eingeholt. Sie ließ sich wieder zurück fallen, dann krümmte sie sich zusammen, drehte sich zur Seite und erbrach sich ins Gras.

      Shandra saß neben ihr und hatte Mitleid und auch ein klein wenig ein schlechtes Gewissen.

      Vielleicht hätte er doch keinen Stein werfen, sondern ihr einfach nur die Lanze wegnehmen sollen. Möglicherweise hatte er ihr mit dem Steinwurf eine Gehirnerschütterung verpasst, damit würde dann sie ganz schön zu kämpfen haben. Er überlegte kurz, dann entschied er sich zu Gunsten der jungen Frau. Er nestelte die kleine Rolle von seinem Wehrgehenk, nahm die Membran aus ihrer Kapsel und faltete sie soweit auf, dass er der Amazone eine Art Kopfkissen aus dem dünnen Material machen konnte. Er wartete, bis sie aufhörte zu würgen, dann drehte er sie auf den Rücken, hob ihren Kopf behutsam an und schob die Folie unter ihren Nacken. Er ließ ihren Kopf wieder sinken, strich ihr mit einer sanften Bewegung über das Gesicht und meinte:

       „Jetzt entspann dich erst mal, leg dich zurück und versuche ein wenig zu schlafen. Du wirst sehen, dann geht es dir bald wieder besser.“

      Alaxandra war wie alle Frauen dann besonders empfänglich für gute Ratschläge, wenn sie diese am wenigsten brauchte. Jetzt aber, da es ihr wirklich nicht gut ging, wäre sie lieber wie eine Löwin auf Shandra los gegangen, als auf seine sanften Worte zu hören. Zum Glück war aber ihr Körper klüger als ihr Geist. Sobald sie sich aufzurichten und mit Shandra zu streiten versuchte, wurde ihr schrecklich übel. Blieb sie aber ruhig liegen, ließ ihren Hinterkopf auf der weichen Unterlage, die Shandra ihr gemacht hatte, fühlte sie sich rasch besser und hatte das Gefühl, ihr Schädel begänne bereits zu heilen. Nach mehreren Versuch, sich zu wehren, sah sie es dann