Shandra el Guerrero. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737577434
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von den Sümpfen trocken zu legen, dass man auf dem Gelände eine Kaserne für mindestens fünfzigtausend Kämpfer errichten konnte.

      Vielleicht wäre all das ohne größere Probleme vonstatten gegangen, hätte nicht Thomas Shifford eines Tages die Idee gehabt, sich ein wenig zu amüsieren.

      Es war Herbst und zuhause, am Hof von Winchester wurde um diese Jahreszeit zur königlichen Jagd geblasen. Man sattelte die Pferde aus der Zucht von Königin Machilla und dann ging es hinaus ins Land, wo man ein paar leibeigene Bauern auftrieb und sie dann so lange durch den Dreck und den Schlamm jagte, bis sie erschöpft liegen blieben. Die Leibeigenen des Königs hätten sich niemals gegen diese Behandlung gewehrt, sie waren es nicht anders gewohnt. Als nun Thomas Shifford diese Unterhaltung auch in Almeria einführte, musste man sehr rasch feststellen, dass die Fischer nicht so stoisch und gleichgültig reagierten, wie die Bauern auf den nebligen Inseln. Die erste Jagd hatte zwei jungen Maskenkriegern das Leben gekostet. Warum? Weil die vier Fischer, die man durch die Felsenwildnis am Fuß der Sierra Nevada gejagt hatte, plötzlich Hilfe von ein paar Ziegenhirten erhalten hatten. Gemeinsam war es den Männern gelungen, die beiden Frischlinge vom Pulk der Jäger zu trennen und sie – welche Erniedrigung für einen Maskenkrieger – von den Pferden zu zerren und mit großen Steinbrocken zu erschlagen.

      Ab diesem Tag war die unversöhnliche Feindschaft zwischen den Bewohnern der Bucht und der Bergregionen und den Invasoren besiegelt. Thomas Shifford gab den Befehl aus, dass jeder Einheimische ab sofort Freiwild war und von jedem Angehörigen seines Heers auch ohne jeden Grund erschlagen werden durfte.

      Die Ritter seines Heeres entwickelten aus diesem Befehl und mangels anderer Unterhaltungsmöglichkeiten buchstäblich einen Sport. Fast täglich ritten sie durch die Sümpfe und bis hinauf in die Almen, immer auf der Suche nach Wild, das sie jagen konnten. Nach zweibeinigem Wild, denn einen Hirsch, einen Wolf, eine Antilope zu jagen war langweilig. Nur das edelste Wild zählte und etwas Edleres gab es nicht, als Menschen.

      Auf diese Weise schafften Thomas Shifford und seine wenigen Krieger es in kürzester Zeit, aus verschlossenen und abgeschieden lebenden Fischern und Hirten aufsässige Rebellen zu machen, die seine Herausforderung annahmen und ihm einen ununterbrochenen Kleinkrieg lieferten, der viel öfter als es Thomas Shifford lieb war, mit Siegen der Einheimischen endete.

      Thomas Shifford begriff nicht, welches Kuckucksei er sich da selbst gelegt hatte. Anstatt von einer sicheren Basis aus in Richtung Murcia und – viel wichtiger – in Richtung Sierra Nevada und Granada operieren zu können, hatte er sich einen heftigen Unruheherd im eigenen Haus geschaffen. So verfügte er auch über keinen einzigen Kundschafter aus den Reihen der Einheimischen. Sie starben lieber, als sich den Anglialbions zu beugen und ihnen als Wegbereiter ins Landesinnere zu dienen.

      Eine Situation, die nicht zufrieden stellend war und Thomas Shifford nur deshalb nicht noch mehr Sorgen machte, weil der Vizekönig in Malaga ihm konsequent die Stange hielt und ihn bis nach Winchester in Schutz nahm. Doch um mit dem Problem fertig zu werden, griff er zu immer härteren Mitteln.

      Er ließ die Rebellen durch seine Mentalisten aufspüren und er ließ niemand am Leben, der seinen Häschern in die Fänge geraten war. Er verlangte und bekam ein Kontingent piktischer Söldner und diese zweibeinigen Wölfe schickte er nun zusammen mit seinen Maskenrittern auf die Jagd nach den Rebellen und zusammen richteten diese ein furchtbares Blutbad unter den Einheimischen an.

      Die Reaktion kam prompt.

      Plötzlich gab es an der gesamten Bucht keinen Fischer mehr. Dann, eines Tages brach unter den Invasoren eine üble Seuche aus und als man nachforschte, fand man heraus, dass die aus den Bergen kommenden Bäche und Flüsse mit Tierleichen vergiftet worden waren, das Trinkwasser in der Bucht wurde knapp.

      Thomas Shifford schickte seine Jäger nun vermehrt in die Berge und verlangte und erhielt ein Kontingent Polska – Wölfe, denn diese stammten ebenfalls aus Bergregionen und waren dort sogar den Pikten überlegen.

      In dieser Situation tauchte von Norden her kommend plötzlich eine Legende an der Bucht auf. Die Einheimischen erzählten schreckliche Geschichten von einem Todesboten, von einer höllischen Bestie, die ihm auf dem Fuß folgte und von zwei wunderschönen Engeln, die aber fast genauso tödlich waren wie die Bestie.

      Thomas Shifford gab nichts auf solche Ammenmärchen, er war es gewohnt mit harten Fakten umzugehen und so ignorierte er jeden Hinweis auf mysteriöse Vorgänge vollständig. Von ihm stammte der Spruch

       „Die Iberianer sollen sich vor mir fürchten. Damit sind sie beschäftigt genug, dann brauchen sie keine Todesboten, Teufel und schreckliche Engel mehr.“

      Eines Tages, kurz vor der Wintersonnwende, befand er sich zusammen mit seinen Speichelleckern, seinen Kurtisanen und seinen vielen legalen Kindern und Bastarde auf einem Ritt entlang der Küste nach Murcia hin. Sie hatten nichts Besonderes vor, doch in diesen Wintermonaten war es in Almeria fast wie in Winchester. Es gab viele trübe und neblige Tage und der Gestank aus den Sümpfen legte sich den Menschen auf die Atemwege und auf das Gemüt.

      Der alte Handelsweg folgte nicht überall der unmittelbaren Küstenlinie. Manchmal gab es Abkürzungen über kleinere Berge hinweg und – die Alten waren sehr gute Baumeister gewesen – sogar Tunnel und Stollen, die unter dem einen oder anderen Berg hindurch führten und noch völlig sicher benutzbar waren.

      Die gesamte Gesellschaft bestand aus etwa vierzig Reiterinnen und Reitern und an der Spitze des Zuges ritt Thomas Shifford in Begleitung seines Kämmerers und besonderen Vertrauten, Robert de Guilome. Sie ritten in einem gemütlichen Schritt geradewegs in einen ziemlich langen Tunnel hinein und kaum hatten sie das Sonnenlicht hinter sich gelassen und die Pechfackeln angezündet, scheuten plötzlich ihre Pferde und weigerten sich auch nur noch einen Schritt vorwärts zu gehen. Sie stiegen und drängten rückwärts, der ganze Zug geriet durcheinander und dann gelang es einem der Pferde, sich der zügelnden Hand seines Reiters – oder seiner Reiterin – zu entziehen und in panischer Flucht aus dem Tunnel zu rasen. Die Flucht eines einzelnen Pferdes löste sofort eine Massenpanik aus. Fast niemand mehr im Zug war noch in der Lage, sein Pferd zu kontrollieren, eines nach dem anderen gingen die Tiere durch. Innerhalb kurzer Zeit waren nur noch Thomas Shifford und Robert de Guilome im Tunnel, kämpften mit ihren scheuenden und bockenden Hengsten und fluchten lauthals ihre Erbitterung hinaus, als die Pferde plötzlich und von einem Moment zum nächsten jede Panik fallen ließen und förmlich zu Standbildern erstarrten. Dann trat eine vollkommen in düsteres Schwarz gekleidete Gestalt aus der Finsternis des Tunnels, stellte sich breitbeinig in die Mitte des Weges. Über der linken Schulter hatte die Gestalt einen großen, prall gefüllten Sack liegen und seine Stimme klang spöttisch als er meinte:

       „Meine Herrschaften, vielleicht wären sie besser beraten, wenn sie wie ich zu Fuß gingen. Als Reiter scheinen sie mir eher schlecht geeignet zu sein.“

      Schon der unüberhörbare Spott in dieser Bemerkung brachte Thomas Shifford zur Weißglut, denn wenn er etwas nicht vertrug, dann war es Spott auf seine Kosten. Auf so etwas kannte er in aller Regel nur eine Reaktion.

       „Stich ihn ab!“

      Sein Befehl galt Robert de Guilome und dieser war nicht weniger dumm und arrogant wie sein Herr und deshalb genauso humorlos und gegen Spott empfindlich, wie dieser.

      Er zog die Reiterlanze aus ihrer Halterung hinter dem Sattel, legte sie ein, hämmerte seinem Hengst die Sporen in die Flanken und zwang ihn gegen den Schwarzen anzugaloppieren.

      Was nun geschah, erlebten die beiden Anglialbions wie einen bösen Traum. Niemals hatten sie einen Menschen sich so schnell bewegen sehen, wie diesen schwarz gekleideten Fremden. Plötzlich flog der schwarze Sack wie eine riesige Fledermaus durch die Luft, traf Thomas Shifford vor der Brust und fegte ihn mühelos vom Pferd. Fast zugleich hatte der Schwarze ein langes, schwarzes Schwert gezückt und als Robert de Guilome schon triumphierend den tödlichen Stich ansetzen wollte, zuckte die schwarze Klinge wie ein Schemen durch die Luft und aus der hölzernen Lanze wurde in einem Augenblick Brennholz. Entsetzt starrte Guilome auf den jämmerlichen Stummel unter seinem Arm, dann durchzuckte ihn ein brennender Schmerz am rechten Oberschenkel und als er hinunter sah, erblickte er sein eigenes Bein