Stadt ohne Licht. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737526371
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zurück, wie viel sich doch in nur einem Jahr ereignen konnte. Sein erstes Semester an der Universität in München hatte begonnen, alles war neu und aufregend. Das Umherirren in den Gängen auf der Suche nach dem Hörsaal, das Kennenlernen von Kommilitonen, das Schließen neuer Freundschaften.

      Dann traf er sie in der Mensa, im wahrsten Sinne des Wortes, mit seinem Tablett auf dem Weg zu einem Tisch. Ihre Wege kreuzten sich, keiner von ihnen hatte auf eventuelle Hindernisse geachtet. Als Ergebnis des Zusammenstoßes sah man die beiden Portionen Spaghetti Bolognese ineinander verschlungen auf dem Fußboden liegen.

      Unschlüssig, wie er reagieren sollte, starrte er auf den Boden, als ihr helles Lachen ihn erstaunt aufblicken ließ. Mit offenem Mund blickte er auf die schönste Frau, die er bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte. Ihr dunkles, fast schwarzes Haar, welches halblang auf ihre Schultern fiel, umrahmte ein zartes fast durchsichtiges Gesicht. Die kleine Nase, der sinnliche Mund und diese Augen, Augen so schwarz wie Onyx, die ihn wie in einem tiefen Brunnen versinken ließ.

      Spöttisch hatte sie zu ihm aufgesehen, dann stellte sie eine Frage, die ihn noch mehr aus dem Konzept brachte. Wer muss jetzt wen einladen, dabei zeigte sie auf die vermischten Portionen auf dem Boden.

      Stotternd hatte er sich bereit erklärt für den angerichteten Schaden aufzukommen, den entgangenen Mensagenuss zu ersetzen. Das anschließende Essen hatten sie gemeinsam eingenommen und sich unterhalten. Das heißt, Gabriella hatte geredet, er hatte dagesessen ihr zugehört und sie angehimmelt. Ihr Name sei Gabriella Huber, sagte sie ihm, als sie seinen irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, hatte sie es ihm erklärt. Ihr Vater sei Italiener, daher der Vorname, er habe ihre Mutter nicht geheiratet, daher der Nachname.

      Sie redete locker und leicht über alles hinweg, fragte, welchen Studiengang er belege und im wievielten Semester er sich befinde, um ohne Pause wieder umzuschwenken. Sie studiere Landschaftsplanung und wäre bereits im zweiten Semester, an den Wochenenden sei sie meist bei ihren Eltern in Ingolstadt. Nein ihr Vater würde nicht mit ihrer Mutter zusammenleben, diese habe inzwischen einen anderen geheiratet und ihr neuer Name ist Schmidt. Der neue Mann, mit dem ihre Mutter …

      Sie redete und redete ohne Punkt und Komma um ihn wie nebenbei zu fragen, wo er wohne. Als er ihr erzählte, dass er noch im heimischen Elternhaus wohnte, unterbrach sie ihn und fragte ihn, ob sie sich am Wochenende treffen wollen. Ihre Mitbewohnerin, die ebenfalls am Wochenende in ihr Elternhaus fuhr, wäre immer ganz lieb und würde nicht stören. Später erklärte sie ihm, weshalb sie so viel gesprochen habe, sie fand ihn sehr süß und wollte mit ihm zusammen sein.

      Als sie sich verabschiedeten, hatte er eine Verabredung zum Wochenende mit Schlafgelegenheit und danach eine neue Freundin. Sie genossen dieses Kribbeln in der Magengegend, diese Gefühle des Verliebt seins, dass Erkunden des Körpers des Anderen. Vor ziemlich genau einem Jahr waren sie gemeinsam zum Skifahren in die Berge gefahren, hatten in der Berghütte seines Onkels ein unvergessliches Wochenende verbracht.

      Später, als er seinen Streit mit seinem Vater hatte und er sich in Berlin angemeldet hatte, kam es zu einer unverhofften Trennung. Es tut mir leid, sagte sie zu ihm, ich möchte nicht nach Berlin, um dort zu studieren, ich fühle mich in München sehr wohl. Aber die Gelegenheit wäre gerade günstig, da er den Umzug angesprochen habe, ich wollte mich sowieso von dir trennen.

      Erst auf sein Drängen, weshalb sie sich von ihm trennen wolle erklärte sie ihre Beweggründe. Sie mache das immer so, sie bleibe mit ihrem neuen Freund so lange zusammen, wie sie diese Glücksgefühle des Beginns einer Beziehung fühle. Wenn diese nachließen, würde sie jemand Neues suchen, der in ihr diese Gefühle erzeuge. Außerdem habe sie gerade jemanden kennengelernt, den sie sehr süß finde.

      Das war es also, mit dem Verlust seiner Rolle als Stimulator hatte sie etwas Neues gesucht, was bei ihr jenes Kribbeln der ersten Wochen erzeugt hatte. War er für sie wirklich nur das gewesen was allgemein als Sextoy, als Sexspielzeug bezeichnet wird. Hatte sie sich tatsächlich ein neues Spielzeug zugelegt, noch ehe er in der Ecke abgelegt worden war.

      Er war traurig und er litt, er litt, bis er ihr neues Spielzeug gesehen hatte. Sie hatte die Prioritäten geändert, ihr neues Spielzeug hatte sie vor einem Bodybuilding Studio aufgelesen. Trotzdem war er enttäuscht und schwor sich, in der verbleibenden Zeit in München allen weiblichen Wesen aus dem Weg zu gehen.

      Nach dem Ende des zweiten Semesters hatte er seine Habseligkeiten zusammengepackt und hatte sich vorübergehend in einer WG in Berlin einquartiert, bis er das Inserat von Elisabeth las. Was sich zuerst als Segen erwiesen hatte, schien aus heutiger Sicht nicht mehr so segensreich denn seine Anwesenheit in diesem ungastlichen Gebäude hatte er eindeutig der Anmietung dieser Wohnung zu verdanken. War er bei der Einschätzung seiner derzeitigen Situation ungerecht, wenn er alle Schuld in seinem Verhältnis zu Elisabeth sah, oder gab es da noch etwas, was sich ihm bisher noch nicht erschlossen hatte.

      Elisabeth besuchte ihn, wann immer sie die Erlaubnis erhielt, dabei versuchte sie soviel Zuversicht auszustrahlen, dass Zweifel aufkommen mussten. Regelmäßig erzählte sie Episoden, die sie über Vohberg gehört hatte.

      Dann kam das Wochenende vor den Weihnachtsfeiertagen, Elisabeth hatte eine Besuchserlaubnis für den Montag danach, als sich erneut ein Einbruch in ihre Wohnung ereignete. Sie hatte ihre Geldbörse zu Hause vergessen, was sie jedoch erst an der Kasse des Supermarkts bemerkte. Sie ließ den Einkaufswagen an einer unauffälligen Stelle stehen, um schnell von zuhause ihre Börse zu holen.

      Sie wunderte sich nicht, dass die Eingangstüre unverschlossen war, meist zog sie diese nur ins Schloss, ohne abzuschließen, wenn sie sich nur kurz außerhalb wähnte. Die Geräusche, die Elisabeth beim Öffnen der Türe verursachte muss die beiden Einbrecher aufgeschreckt haben, so später die Erklärung der Polizei, denn sie verdeckten ihre Gesichter mit einem Schal, während sie die überraschte Elisabeth umrannten.

      Das Ergebnis dieses Einbruchs war eine Platzwunde am Kopf, eine Verstauchung des linken Handgelenks sowie eine schmerzhafte Hüftprellung. Sebastian, den sie herbeigerufen hatte, rief die Polizei und kümmerte sich darum, dass ihre Verletzungen in der Ersten Hilfe der Charité versorgt wurden. Das Ergebnis der Spurensicherung verlief ohne brauchbare Hinweise, die Polizei vermutete, dass die Täter Handschuhe getragen haben mussten.

      Dies alles erzählte ihm Sebastian, der ihn, auf Bitten von Elisabeth, besuchte, da der Arzt ihr Bettruhe verordnet hatte. Er beruhigte Johann wegen der Verletzungen, um eindrucksvoll zu beschreiben, wie sie in ihrem Bett lag und ihre Krankenpflegerin mit ihrer Nörgelei zur Verzweiflung trieb.

      »Wieder wurde nur in den Papieren gesucht, genau so, wie Du den ersten Einbruch beschrieben hattest. In Gegensatz zu Deinem Einbrecher, der eindeutig der rechten Szene zugeordnet werden konnte, wie mir ein Bekannter bei der Polizei erzählte, waren diese Einbrecher eher auf Turnschuhen unterwegs«.

      Also normale Einbrecher, die Skepsis in der Frage war unüberhörbar. Normale Einbrecher, die zufällig das Gleiche suchen wie der Skinhead, die noch nicht einmal zum Schein etwas mitnehmen, was man zu Geld machen kann.

      Sie saßen sich schweigsam gegenüber, gestanden sich gegenseitig zu, die Welt nicht mehr zu verstehen. Alles, was Elisabeth ihnen über ihr Leben erzählt hatte, ließ nur einen Schluss zu, es konnte sich nur um eine Verwechslung handeln. Wer auch immer diese eigentümliche Idee entwickelt hatte, dass diese ehemalige Musiklehrerin sich ein Vermögen durch Unterrichtsstunden erspielt hatte, dem fehlten grundlegende Kenntnisse über das zu erzielende Honorar.

      Es gab aber auch eine erfreuliche Nachricht, Sebastian konnte mit dem Richter sowie dem Staatsanwalt einen kurzfristigen Termin zur Verhandlung vereinbaren. Dass dies nur möglich war, weil beide ein Interesse an einer schnellen Verurteilung hatten, musste er nicht extra erwähnen. Wieder allein ließ er sich das soeben Gehörte noch einmal durch den Kopf gehen. Weshalb versuchten immer wieder irgendwelche Leute etwas bei Elisabeth zu finden, was sie in Ordnern vermuteten. Wenn er ehrlich zu sich war, er glaubte nicht daran, dass die Einbrecher sich geirrt hatten. Wenn jemand mehrfach so gezielt in eine Wohnung einbrach, so sollte man davon ausgehen, dass er wusste, was er tat.

      Also musste es etwas geben, was im Besitz von Elisabeth vermutet wurde, wovon sie selbst nicht wusste, dass sie im Besitz