Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Tegethoff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742762917
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geh, wohin

       du willst!«

       Wie Iwein vor Kummer wahnsinnig wurde, wie er

       durch eine Zaubersalbe geheilt wurde und dann nach

       endlosen Abenteuern und Gefahren schließlich doch

       seine Laudine zurückgewann, das alles mögt ihr bei

       Meister Christian selber nachlesen.

       8. Die Geburt des Schwanritters

       Es geschah einmal, daß der König Oriant, welcher ein

       mächtiger und ruhmvoller Herrscher war, mit der Königin

       Beatrix, seiner Gemahlin, am Fenster seines

       Schlosses saß. Und sie blickten auf die Straße; da gewahrte

       der König eine Frau, welche zwei Kinder trug,

       die Zwillinge zu sein schienen. Der König sagte zur

       Königin: »Frau, es wundert mich sehr, daß wir kein

       Kind haben. Seht da, die arme Frau, welche deren

       zwei hat, und sogar sehr schöne, Zwillinge, wie mir

       scheint.« Als die Dame die Worte ihres Gatten vernahm,

       sprach sie voll Zorn und Gram: »Ach Herr, ich

       könnte niemals glauben, daß eine Frau zwei Kinder

       auf einmal haben kann, wenn sie nicht bei zwei Männern

       gelegen ist.« »Ha, Frau!« sagte der König, »Ihr

       redet schlecht. Denn wisset, bei Gott ist nichts unmöglich.

       « Dann ließen sie von dieser Rede, bis der

       König eines Tages bei seiner Gattin lag und ihr mit

       Gottes Hilfe sieben Kinder erzeugte.

       Der König Oriant hatte eine Mutter, welche eine

       böse alte Hexe war. Sie war sehr betrübt, als sie erfuhr,

       daß die Königin schwanger sei. Die Königin

       trug ihre Bürde, bis Gott ihr erlaubte, an einem Tage

       mit sieben Kindern niederzukommen. Bei ihrer Entbindung

       hatte sie keine andere Frau bei sich als die

       alte Matabrune, die Mutter des Königs Oriant, welche

       ein betrügerisches und böses Weib war. Sechs von

       den Kindern waren Söhne, das siebente aber war ein

       Mädchen, und aus allen ging späterhin ein edles Geschlecht

       hervor. Matabrune legte die Kinder in ihren

       Schoß und rief Marke, einen ihr Untergebenen, zu

       sich und zu sprach ihm: »Nehmt, Freund, und bringt

       diese Kinder an einen solchen Ort, daß man niemals

       wieder von ihnen reden höre. Tragt Sorge, daß Ihr sie

       tötet!« Marke nahm die Kinder und trug sie tief in den

       Wald, dort legte er sie ins Gras. Die Kindlein lächelten

       ihn an. Als Marke sie erblickte, hatte er großes

       Mitleid mit ihnen und sprach: »Gott soll mich verlassen,

       wenn ich euch ein Leid antue!« Er ließ also die

       Kinder dort und kehrte heim. Die alte Hexe schaute

       unter einer Stiege nach und fand eine Hündin, welche

       sieben Hündlein geworfen hatte. Diese nahm sie und

       ging zu ihrem Sohn. Als der König Oriant sie kommen

       sah, erhob er sich gegen sie und sprach: »Seid

       willkommen, Mutter! Was bringt Ihr Neues, Mutter?«

       »Ach,« sagte die alte Matabrune, »lieber Sohn, ich

       bringe häßliche, schreckliche und böse Nachricht. Da,

       seht, womit Euch Eure Gattin beschenkt hat! Sie ist

       mit diesen sieben Hündlein niedergekommen. Sie ist

       die unzüchtigste Frau, die je gelebt hat, und verweigert

       sich keinem Manne. Gar oft habe ich sie mit

       einem anderen als mit Euch überrascht. Aber um

       Eurer Ehre willen habe ich geschwiegen. Jetzt aber

       hat sie diese sieben Hunde geboren. Laßt sie verbrennen!

       Denn es gab nie eine schlechtere Frau, als sie ist,

       und wenn Ihr es nicht tun wollt, so werde ich sie selber

       verbrennen!«

       Als der König die Hunde sah und hörte, was seine

       Mutter zu ihm sprach, da wurde er sehr traurig und

       sagte: »Mutter, ich glaubte nie, daß es auf der Welt

       eine bessere und züchtigere Frau gibt als die meine.

       Ihr Fehltritt schmerzt mich arg. Aber, um Gottes willen,

       liebe Mutter, helft mir dies verheimlichen, denn

       ich habe sie geheiratet und habe ihr versprochen, ich

       wolle ihr treu und gnädig sein. Und wie könnte ich sie

       verbrennen lassen oder zusehen, wie sie verbrannt

       würde?« »Lieber Sohn,« sagte die Alte, »Ihr zögert zu

       lange. Ich werde sie in einen Kerker werfen lassen.«

       Da rief die Alte zwei ihrer Diener und trat zu dem

       Bette der guten Beatrix. »Du schmutzige, unzüchtige

       Dirne,« sagte sie zu ihr, »jetzt tritt deine Schamlosigkeit

       ans Licht; sagtest du doch, daß eine Frau keine

       zwei Kinder haben könne, ohne sich zwei Männern

       hingegeben zu haben. Nun könnte mein Sohn sagen,

       daß du bei ihrer sieben gelegen bist. Nicht um das

       ganze Gold von Rußland würde er darauf verzichten,

       daß du morgen verbrannt wirst.« »Die heilige Jungfrau

       «, versetzte die Königin, »wird nicht zulassen,

       daß ich auf solche Weise umkomme, so wahr ich in

       Züchten gelebt habe!« »Das nützt dir nichts, du

       Hure!« sagte die alte Matabrune. Da packten die

       bösen, verräterischen Diener die gute Königin und

       schleppten sie in einen finsteren Kerker, wo die gute

       Frau weder Bett noch Linnen hatte. Darauf wurden

       die zwei Diener sogleich geblendet und sahen fürderhin

       das Licht nicht mehr. Die Frau aber litt große

       Pein.

       Nun aber hört von den Kindern, welche im Walde

       an einem Fluß lagen, wo sie Marke eingehüllt in ein

       Fell zurückgelassen hatte. Jedes von ihnen hatte ein

       Kettlein um den Hals, und das war ihre Bestimmung:

       wenn sie diese Kettlein verlieren würden, so müßten

       sie geflügelte Schwäne werden. Solange sie dieselben

       aber trugen, hatten sie menschliche Gestalt. Siehe, da

       kam ein Einsiedler, welcher schon ein Jahr im Walde

       gelebt hatte, dorthin. Er gewahrte die Kinder und bat

       unseren Herrn, daß er ihnen nach seinem Gefallen

       Nahrung schicken möchte, davon sie leben könnten.

       Es dauerte nicht lange, da sandte Gott eine Ziege,