Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Tegethoff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742762917
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Quelle verteidigen wollt, anstatt daß Ihr unaufhörlich

       jammert.« »Geh!« zürnte die Herrin, »ich will nichts

       mehr davon hören!« »Auch gut, Frau!« schmollte Lunete,

       »da kann man nichts machen, wenn sich die

       Herrin über guten Rat erzürnt.« Aber ihre Worte hatten

       doch gewirkt, die Dame hätte gar zu gern gewußt,

       wie Lunete beweisen wollte, daß sie einen besseren

       Ritter finden könne, als ihr Gatte gewesen war, und

       bald kam das Gespräch wieder auf diesen Gegenstand.

       »Gesetzt, daß zwei Ritter sich bewaffnet im

       Kampfe gegenüberstehen«, sagte Lunete, »und daß

       der eine den anderen besiegt, wer, glaubt Ihr, ist wohl

       der bessere? Ich meinerseits würde dem Sieger den

       Preis zuerkennen. Und Ihr?« »Mir scheint, du willst

       mir auflauern, um mich dann beim Wort zu nehmen.«

       »Ich sage die reine Wahrheit, ich will Euch nur beweisen,

       daß der, welcher Euren Gatten besiegte, ein

       besserer Ritter ist als jener war.« Nun brach der Zorn

       der Herrin los und Lunete eilte wieder zu Iwein, der

       bekümmert darüber war, daß er den Anblick der

       Schloßherrin entbehren mußte. Diese sorgte sich indessen

       doch darum, wie sie ihre Quelle verteidigen

       sollte, und sie bereute ihre harten Worte gegen Lunete.

       Am anderen Morgen entschuldigte sie sich bei ihr

       und fragte sie nach Name und Art des Siegers. »Ich

       werde ihn«, sagte sie, »dafür bürge ich dir, zum Herrn

       über mich und mein Land machen. Aber es muß so

       geschehen, daß über mich keine üble Nachrede entsteht,

       etwa: das ist die, die den Mörder ihres Gatten

       genommen hat.« »Gewiß, Herrin, Ihr werdet den edelsten

       und vornehmsten und schönsten Mann bekommen,

       der je aus dem Stamme Abels geboren wurde.«

       »Wie heißt er denn?« »Herr Iwein.« »Bei Gott, der ist

       nicht übel. Er ist von edler Geburt, ich weiß wohl, er

       ist der Sohn des Königs Urian.« »So ist es.« »Und

       wann kann ich ihn haben?« »In fünf Tagen.« »Das ist

       zu lange, er sollte schon da sein. Er soll heute Nacht

       oder doch spätestens morgen kommen.« Lunete versprach

       nun, den Ritter herbeizuschaffen und beriet

       ihre Herrin, wie sie ihre Barone mit ihrer schnellen

       Wiederverheiratung versöhnen könne: es müßte doch

       jedem einleuchten, daß die Quelle einen neuen Verteidiger

       haben müsse.

       Iwein wurde also vor die Schloßherrin geführt, um

       von ihr, wie die listige Lunete sagte, ins Gefängnis

       geworfen zu werden, und er folgte demütig und krank

       vor Liebe und Sehnsucht. Und hatte die Jungfrau

       nicht recht, wenn sie ihn einen Gefangenen nannte?

       Denn wer liebt, ist in Ketten. Gebeugten Hauptes trat

       Iwein vor die Schloßherrin, er faltete die Hände und

       ließ sich vor ihr auf die Knie nieder. »Herrin, ich bitte

       nicht um Gnade. Gern will ich alles leiden, was Ihr

       mit mir vorhabt, und ich will Euch noch dafür danken.

       « »Und wenn ich Euch töten lasse, wie Ihr meinen

       Herrn getötet habt?« »Wenn Euer Herr mich angriff,

       welches Unrecht tat ich, mich zu verteidigen?«

       »Wenn Ihr Euch schuldlos fühlt, warum wollt Ihr

       dann meinen Willen über Euch ergehen lassen? Setzt

       Euch und steht mir Rede!« »Herrin, mein Herz treibt

       mich dazu!« »Und wer trieb Euer Herz?« »Herrin,

       meine Augen!« »Und wer die Augen?« »Die hohe

       Schönheit, die ich an Euch sah!« »Die Schönheit, was

       hat die damit zu tun?« »Herrin, sie heißt mich lieben!

       « »Lieben? Und wen?« »Euch, teure Frau!«

       »Mich? Und wie?« »So, daß ich nur noch an Euch

       denke, daß ich Euch mehr liebe als mich selbst, daß

       ich für Euch leben oder sterben will!« »Und werdet

       Ihr meine Quelle schützen?« »Gegen die ganze

       Welt!« »Dann sind wir also einig.«

       Darauf führte sie ihn in den Saal zu den Baronen,

       welchen seine ritterliche Gestalt gewaltig in die

       Augen stach und welche ihn ohne Widerrede als ihren

       Herrn anerkannten. Noch am gleichen Tage vermählte

       sich Herr Iwein mit Laudine von Landuc, der Tochter

       des sangesberühmten Herzogs Landunet.

       Am Tage darauf kam König Artus mit seinen Begleitern

       zur Wunderquelle und zum Stein. »Nun?«

       spottete Kei, »was ist aus Iwein geworden, der sich

       nach dem Mahle vom Weine berauscht rühmte, seinen

       Vetter rächen zu wollen. Er ist feige geflohen!«

       »Gnade, Herr Kei,« versetzte Gawein, »wenn Herr

       Iwein nicht hier ist, so hat er sicherlich einen Entschuldigungsgrund.

       « Kei schwieg und der König goß

       Wasser aus dem Becken auf den Stein unter der

       Tanne, und sogleich begann es in Strömen zu regnen.

       Alsbald erschien Herr Iwein bewaffnet im Walde. Kei

       bat den König, als erster mit dem Hüter der Quelle

       kämpfen zu dürfen und diese Bitte wurde ihm sogleich

       gewährt. Herr Iwein aber versetzte ihm einen

       Stoß von solcher Heftigkeit, daß er einen Purzelbaum

       von seinem Sattel herab schoß und sein Helm am

       Boden rollte. Iwein ließ ihn liegen und trat vor den

       König, indem er Keis Roß am Zügel führte. »Herr,«

       sprach er, »nehmt dieses Roß. Ich würde übel tun,

       wenn ich etwas von Eurer Habe zurückbehalten wollte.

       « »Und wer seid Ihr?« fragte König Artus, »ich

       kenne Euch nicht, wenn ich nicht Euren Namen höre

       oder Euch unbewaffnet erblicke.« Da gab sich Iwein

       zu erkennen und Kei war äußerst niedergeschlagen,

       zumal da er noch kurz zuvor über ihn gespottet hatte.

       Gawein aber freute sich hundertmal mehr als alle anderen,

       daß er seinen Gefährten wiedergefunden hatte.

       Nun mußte Iwein dem König sein Abenteuer erzählen,

       aber als er seinen