Freundlicherweise hatte Punky der Nummer drei im Rennen bereits einen Schlag verpaßt, der diesen für einen zusätzlichen Augenblick ablenkte. Ich nutzte das natürlich schamlos aus. Als sich Nummer drei nun mit der rechten Hand am blutenden Mund wieder mir zuwandte, trat ich ihn mit dem linken Fuß in den Bauch, wobei ich mit einer halben Körperdrehung für zusätzliche Power sorgte. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Es sah so aus, als ob er genug hätte, als sei er voll bedient. Ich war mir jedoch nicht ganz sicher. Also schmetterte ich ihm vorsichtshalber meine rechte Faust an die Rübe, direkt hinter sein linkes Ohr, nur um eventuellen Überraschungen vorzubeugen. Das Ergebnis beruhigte mich, jetzt war ich mir seiner sicher. Ich sah mich schnell um, aber die Auseinandersetzung war beendet. Die drei Herren waren friedlich und gaben keinen Muckser mehr von sich. Weitere Verfolger waren nicht aufgetaucht.
Das nackte Mädchen saß immer noch da, wo sie vor ein paar Augenblicken zu Boden gegangen war. Sie hatte den Oberkörper leicht aufgerichtet, die Beine aber immer noch gespreizt. Sie sah zu mir her, und erst so nach und nach dämmerte ihr langsam, daß sie nichts mehr zu befürchten hatte.
Ich ging auf sie zu. „Come on, let’s go! Here is nothing more to do“, sprach ich sie an. Aber sie reagierte nicht. Ich wollte gerade versuchen, ein paar französische Brocken zusammenzukratzen, als sie plötzlich ihre Beine anzog und sich aufrichtete. Sie war noch ganz zittrig, und ihre Beine trugen sie kaum. Aber sie fing sich zusehends.
,,Merci beaucoup! Thank you very much!“, brachte sie schwer atmend hervor.
„Come to my car!“, forderte ich sie auf und streckte ihr meine linke Hand entgegen. Ihre rechte war ganz kalt. Wahrscheinlich war ihr insgesamt kalt, und wahrscheinlich machte sich zu allem Überfluß jetzt auch noch der Schock und der überstandene Schrecken bemerkbar. Sie fing an, haltlos zu zittern. Ich dachte schon, sie würde mir jetzt zusammenbrechen und wußte nicht so recht, wie ich jetzt reagieren sollte. Die Umarmung eines fremden Mannes war vielleicht nach dem überstandenen Schrecken doch nicht gerade das, was sie wieder beruhigen würde. Ich wußte mir aber nicht anders zu helfen und umarmte sie deshalb trotzdem. Scheinbar tat ich das Richtige, denn sie drängte ihren nackten Körper an mich, umklammerte mich und fing an, haltlos zu schluchzen. Ich hatte schon bemerkt, daß sie nicht sehr groß war. Aber erst jetzt, als ich sie in meinen Armen hielt, registrierte ich, wie klein sie wirklich war. Sie war höchstens 1,60 Meter groß, dabei sehr schlank und zierlich.
Ich führte sie zu meinem Lincoln, öffnete ihr die Tür und setzte sie auf den Beifahrersitz. Zum Glück hatte ich meine Windjacke mitgenommen, die ich vom Rücksitz holte und ihr jetzt reichte. Sie zog sie auch sofort an. Die Jacke war ihr natürlich um etliche Nummern zu groß, und sie verschwand richtiggehend darin. Ich fuhr los, verließ die Golden Gate National Recreation Area und den Lincoln Park. Wir erreichten auch bald den Zubringer zum Highway.
„Wo wohnen Sie? Wohin soll ich Sie fahren?“, wollte ich von ihr wissen.
„Ich weiß nicht wohin. Ich bin heute erst in San Francisco angekommen und in der Jugendherberge abgestiegen. Aber dort kann ich nicht hingehen, denn die Kerle kennen die Adresse.“ Sie schniefte ganz undamenhaft.
„Möchten Sie ein Taschentuch haben?“, fragte ich und suchte gleichzeitig in der Ablage der Fahrertür. Leider wurde ich nicht fündig.
„In der blauen British Airways-Tasche auf dem Rücksitz sind ein paar Päckchen mit Papiertaschentüchern. Da können Sie sich eins rausnehmen“, deutete ich mit dem rechten Daumen nach hinten.
„Danke, ich glaube, ich könnte ein paar gebrauchen“, flüsterte sie unter erneutem Schniefen. Sie schnallte den Gurt los und beugte sich zwischen den beiden Vordersitzen nach hinten. Da der Lincoln aber alles andere als ein Kleinwagen war, konnte sie die Tasche nicht erreichen. Sie kletterte deshalb mit dem rechten Knie auf die Mittelarmlehne und kramte dann in der kleinen blauen Tasche auf dem Rücksitz. Bei dieser Aktion rutschte ihr meine Windjacke natürlich ein gutes Stück nach oben und entblößte dabei zwei wohlgerundete Backen. Das war zwar nicht weiter schlimm, zog meine Augen jedoch magisch an. Der Anblick, der sich mir hier nun plötzlich im Rückspiegel bot, war wirklich nicht von schlechten Eltern. Ich mußte mich richtig zusammenreißen, um meine Aufmerksamkeit wieder vom Rückspiegel zurück auf die Straße vor mir zu lenken.
„Ein Gentleman nutzt eine derartige Situation nicht aus!“, sagte ich mir und blickte stur geradeaus, bis das Mädchen wieder zurück auf ihren Sitzplatz kletterte. Ich will nicht sagen, daß es mir leicht gefallen ist, denn wahrscheinlich hätte dieser Anblick sogar einen Bischof dazu bringen können, seine Kirchenfenster einzutreten. Und ich bin wirklich alles andere als ein Heiliger. Zum Glück hatte sie schnell gefunden, wonach sie gesucht hatte, und saß nun mit einem Päckchen Tempo-Taschentücher in der Hand wieder auf dem Beifahrersitz neben mir.
Ich war froh, daß das Mädchen mit den Taschentüchern beschäftigt war und nicht zu mir her sah, denn ich fühlte deutlich, daß mir das Blut ins Gesicht geschossen war. Ich hatte mit Sicherheit eine leuchtend rote Birne auf. Das andere Ergebnis meiner Blicke in den Spiegel konnte man zum Glück auch nicht sehen. Das Blut war mir nämlich nicht nur ins Gesicht geschossen.
„Zuallererst brauchen Sie etwas zum Anziehen!“, stellte ich fest. „Im Touristenviertel, in Fishermen’s Wharf, haben die Läden bestimmt noch geöffnet, und da werden wir Ihnen jetzt etwas Passendes kaufen.“
Bei der nächsten Ausfahrt fuhr ich vom Highway runter und hielt auf Fishermen’s Wharf zu. Hier war noch regelrecht die Hölle los. Die Leute drängten sich auf den Gehwegen, vor und in den Geschäften. Inline-Skater überholten die Autos auf der Straße, und ein paar total Verrückte joggten auf der Fahrbahn. Ich fand eine Lücke zwischen den vielen am Straßenrand geparkten Autos und hielt an. Zum Parken in der Stadt ist ein Lincoln Towncar mit den Ausmaßen eines Schlachtschiffs nicht unbedingt erste Wahl.
„So können Sie unmöglich aus dem Auto raus und einkaufen gehen“, gab ich dem Mädchen nun zu verstehen. Meine Windjacke war ihr zwar viel zu groß, würde aber voraussichtlich ihren nackten Hintern doch nur sehr unvollständig den neugierigen Blicken der Leute entziehen können, ganz zu schweigen von den noch weit intimeren Bereichen ihrer Vorderfront. „Bleiben Sie bitte im Wagen! Ich werde versuchen, Shorts und ein T-Shirt für Sie zu kaufen. Ein Paar passende Schuhe werden Sie auch brauchen können, nehme ich an.“
Ich stieg aus und steuerte auf den nächsten Laden mit Souvenirs zu. Ein Laden war hier für meine Zwecke so gut wie der andere. Direkt links hinter der Eingangstür standen zwei Regale mit schrecklich bunter Sommerkleidung, speziell für Touristen. Ich erwarb ein T-Shirt Größe M mit zwei Seelöwen auf der Vorderseite, die auf ihren Schnauzen je einen bunten Ball balancierten. Touristen-Kitsch, aber diese T-Shirts waren die einzigen, die es in Größe M gab. Die anderen trugen zwar teilweise sogar ein recht nettes Golden-Gate-Motiv, fingen in der Größe aber erst bei XL an und reichten bis XXXXXL. Als Bekleidung für die untere Hälfte meiner Begleiterin wählte ich weiße Boxer-Shorts in der kleinsten vorhandenen Größe M mit der simplen Aufschrift „Alcatraz“ und ein paar ganz einfache Slipper aus Segeltuch. Zum Glück gab es diese auch in kleiner Größe. Da ich mich hier in der Hochburg des Touristen-Nepps in San Francisco befand, kostete mich der Spaß 98 Dollar 50 plus Tax.
Ich ging zurück zu meinem Lincoln, in dem das Mädchen brav auf mich wartete. Sie sah gerade in die andere Richtung, und deshalb klopfte ich an die Scheibe der Beifahrertür, um mich bemerkbar zu machen. Das Mädchen erschrak fürchterlich, fuhr mit dem Kopf herum und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Dann erkannte sie mich. Ihre Gesichtszüge, die ihr soeben vollkommen entgleist waren, entspannten sich wieder, und sie drückte den Knopf zum Entsperren der automatischen Türverriegelung.