König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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      „In Punkt drei behandelten wir das Thema der Überwachung und erzielten auch hier Einigkeit. Die Delphine werden mit ihrem fantastischen Radarsinn die an unserem Gebiet vorbeifahrenden Schiffe überwachen, um das Ablassen von Öl oder anderen Stoffen sofort zu verhindern.“

      „Und wenn man sie jagt?“, rief Hannibah.

      „Ja, was ist, wenn sie getötet werden?“, kreischte eine bunt gescheckte Muräne.

      „Das wird nicht geschehen, meine Liebe“, beruhigte sie der König. „Bei Anzeichen von Gefahr wird ihnen Zebolon mit seinem Clan zu Hilfe eilen.“

      Zebolon, der Riesenkrake, nickte würdevoll und fletschte die Zähne.

      „Punkt vier beinhaltet ...“

      „So ein Quatsch“, zischte Wada gelangweilt. „Das hatten wir doch schon alles. Jetzt kaut er den ganzen Plan nochmal durch, aber ohne mich.“ Sie drehte sich um, schlängelte geschickt zum Ausgang und verschwand.

      Ganz anders Robby. Das schneeweiße, seidenweiche Fellgesicht ihrem Großvater zugewandt, verschlang sie geradezu jedes seiner Worte. Ja, dachte sie, so klug und so listig und dabei doch so gütig, möchte ich auch regieren, wenn ich einmal Königin sein werde. Ich werde meinem geliebten Großvater nacheifern, und ich werde nicht mehr so gedankenlos mit meinen Brüdern, Andros, Remolos und Taros, herumtollen, nahm sich Robby in diesem denkwürdigen Augenblick vor.

      Großvater soll stolz auf mich sein. Ich beweise ihm, dass ich eine würdige Nachfolgerin sein werde. Und so kann ich ihm auch am besten seine Liebe und Güte vergelten, die er mir und meinen Brüdern nach dem frühen Tod unserer Eltern schenkte, dachte das kleine Robbenmädchen zärtlich.

      Ach ja, unsere armen Eltern, erinnerte sich Robby und Schatten der Trauer verdunkelten ihr eben noch so strahlendes Gesicht. Die schwere Hand des unwiederbringlichen Verlustes umkrampfte ihr Herz und Schmerz durchströmte ihre Glieder. Wie gerne hätten wir unsere zärtliche Mama und unseren lieben Papa behalten, dachte sie verzagt. Und wer ist immer wieder Schuld an all unserem Schmerz?

      Natürlich die Menschen!

      Immer und immer wieder die Menschen, die von allem nie genug bekommen und alles gebrauchen können. Wie das Fell unserer armen Eltern, die sie erschlugen. Was taten sie mit ihren Körpern? Was haben die Mörder mit ihrem Fell gemacht? Schuhe?! Andenken für Touristen?

      Ach, lieber Gott, weshalb hast du es zugelassen und lässt es immer wieder aufs Neue zu? Es ist so furchtbar! So sinnlos. So viel vergeudetes Leben, dachte das kleine Robbenmädchen, und dicke Tränen rollten aus ihren großen, schwarzen Augen über ihr Gesicht. Ein Orkan der Begeisterung riss Robby aus ihren trüben Gedanken. König Oysters Rede war beendet, und jetzt sonnte er sich in der Zustimmung und dem Applaus seines Volkes.

      „Robby?“ Des Königs Hand streichelte sanft den runden Kopf seiner Enkelin. „Ist alles in Ordnung?“

      „Hmmm“, murmelte diese und kuschelte sich an ihn.

      „Nicht traurig sein, Kleines“, sagte König Oyster, der den Grund für die Traurigkeit seiner Enkelin kannte. „Wir werden die Menschen lehren, uns zu achten und zu respektieren“, fügte er voller Hoffnung hinzu.

      Robby nickte stumm. Wird sich seine Hoffnung wirklich erfüllen? dachte sie. Schön wäre es ja. Doch ein Rest von Skepsis blieb.

      BARNIBU SPRICHT MIT XZOSTRA

      „Xzostra! Krokan! hört endlich auf zu streiten“, rief Barnibu, der blaue Delphin, dessen zahllose weiße Punkte sich aus Ärger über die ständigen Streitereien der beiden leuchtend rot verfärbten.

      „Halte dich da raussss, Barnibu“, rief Xzostra, die ultramarinblau gemusterte Königsschlange, und ihre bedrohlichen, skalpellscharfen Zähne blitzten warnend.

      Obwohl Barnibu das gewaltige Ausmaß ihrer Wut an den vielen zischenden S-Lauten klar erkannte, machte er keinen Rückzieher. Er hatte für den König einen Auftrag zu erfüllen, und nichts und niemand würde ihn davon abhalten können, denn sein Pflichtbewusstsein überstieg bei weitem seine Angst vor der sichtlich außer Rand und Band geratenen Schlange.

      Erst, wenn die lang gezogenen zischenden S-Laute aus Xzostras Aussprache verschwanden, konnte man wieder vernünftig mit ihr reden. Barnibu wusste das nur zu genau, weil er in einer ähnlichen Situation von der wütenden Schlange förmlich überrollt worden war und dabei etliche, sehr schmerzhafte, Blessuren davongetragen hatte.

      „Krokan, diesser Bassstard, hat mir Bösssssartigkeit unterssstellt, und dasss lasse ich mir nicht bieten“, keifte die Schlange. „Bössssartig! Ich, die ehrlichssste und kompetentesssste, weitblickendssste und genialssste Beraterin desss Königssss. Diessse Unverschämtheit issst doch nicht zu glauben. Sssie schreit nach Vergeltung!“, kreischte Xzostra außer sich vor Empörung.

      „Hast du das gehört, Barnibu? Diese eingebildete Ziege hält sich für genial. Genial! Dass ich nicht lache“, knurrte Krokan, das mächtige Krokodil, verächtlich.

      Xzostra fletschte wütend die Zähne. Ihr endlos langer Hals schnellte vor. Ihr Kopf beugte sich angriffslustig über Krokan. Weit öffnete sich ihr Maul. Ihre spitzen Zähne blitzten Unheil verkündend.

      „Ich werde dir Anssstand beibringen, du ssäbelzahniger Misstkerl“, keifte sie wuterfüllt. „Ich mache aussss dir Fischkonssserven, du resssspektlossesss Ungeheuer, und dann ...“

      „Halt!“, rief Barnibu, und glitt pfeilschnell zwischen die beiden Streithähne, um weitere Aggressionen zu unterbinden. „Seid doch bitte vernünftig. Ihr müsst mir zuhö...“

      „Schwimm zur Seite, Barnibu. Der Zimtzicke werde ich es zeigen“, unterbrach ihn Krokan giftig.

      „Mein Gott! Diese ewigen Streitereien sind wirklich kaum noch zu ertragen“, murmelte Maradon, der Schildkopfamphibienmann mit den froschartigen Füßen.

      Er schlüpfte gewandt unter Krokans Bauch hindurch und machte sich eilig davon. Maradon hasste Streit und Aggressionen. Er wollte seine Ruhe haben und in Frieden leben.

      Aus diesem Grund wechselte er ständig seinen Wohnort, sodass kaum jemand wusste, wo er zu finden war. Das einzige Lebewesen zu dem der Schildkopfamphibienmann sich hingezogen fühlte, war die alte Mora, mit der er sich gerne unterhielt.

      Maradon schätzte die Weisheit und Güte, Ruhe und Gelassenheit der uralten Schildkrötenlady und suchte ihre Nähe, wenn er sich einsam fühlte.

      „Vertragt euch endlich“, bat Barnibu der Verzweiflung nahe. „Wir haben doch wirklich andere Sorgen, als uns um Nichtigkeiten zu streiten.“

      „Nichtigkeiten?! Sagtesssst du wirklich: Nichtigkeiten?! Du bissst wohl nicht ganz bei Trosssst, Barnibu“, keifte Xzostra empört. „Nichtigkeiten! Von wegen, du angeberischer Bessserwisssser.“

      Barnibu überhörte klugerweise diese Beleidigung. Er musste Xzostra beruhigen, sonst war nicht mit ihr zu reden. „Vertragt euch“, wiederholte er seine Bitte. „König Oyster hat gesagt, dass wir zusammenhalten müssen, wenn wir unsere Heimat und unser Leben retten wollen, und er hat vollkommen recht.

      Nur gemeinsam sind wir stark genug, um den Menschen Kontra zu bieten. Seht ihr beiden Streithähne das denn nicht ein? Schließlich ist es doch auch eure Heimat. Bedeutet sie euch denn gar nichts?“, fragte Barnibu leise.

      Xzostra und Krokan senkten betreten den Kopf.

      „Was willst du?“, fragte die Königsschlange endlich besänftigt.

      „Ja, Barnibu. Was willst du eigentlich von uns?“, wollte auch Krokan wissen, der endlich sein hektisches Schwanzschlagen eingestellt hatte, in seltener Einigkeit mit seiner Gegnerin.

      „Der König verlangt dringend nach euch. Ihr sollt zu ihm kommen“, erwiderte der blaue Delphin.

      „Und was will er?“, fragte Xzostra.

      „Du