König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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      „Ganz sicher, Großvater“, beteuerte Robby.

      „Was war das für ein Schiff? Dasselbe wie beim letzten Mal?“, wollte der König wissen.

      Robby nickte.

      „Habt ihr es verfolgt?“

      Robbys weißes Fellgesicht verfärbte sich rosa vor Verlegenheit.

      „Sag die Wahrheit, Robby. Habt ihr?“

      Seine Enkelin nickte zaghaft. „Wir sind hinterhergeschwommen“, flüsterte sie schuldbewusst.

      „Selber Ort? Selbe Stelle?“, fragte der König knapp.

      Erneutes Nicken.

      „Hmmm, das muss endlich ein Ende haben“, murmelte der Herrscher mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. Leises Plätschern, Wortfetzen und zaghaftes Räuspern lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Untertanen, die ihn beobachteten. Ich muss eine Entscheidung fällen, überlegte der König. Doch zuerst einmal muss ich in Ruhe nachdenken. Also gut.

      „Alle mal herhören“, rief er. „In fünf Tagen treffen wir uns erneut hier. Bis dahin habe ich einen Plan ausgearbeitet wie wir uns und unsere Heimat vor den Übergriffen der Menschen schützen können. Haltet die Augen offen und benachrichtigt auch eure entfernt lebenden Verwandten und Bekannten. Wir benötigen jede Hilfe, die wir kriegen können.

      Und beachtet die Grenzen, damit ihr nicht in irgendeinem Netz oder einer Fischfabrik endet“, warnte er. „So, die Versammlung ist geschlossen. Geht jetzt wieder an eure Arbeit und lasst es euch bis zu unserem Treffen gut gehen. Robby, du rufst deine Brüder und kommst mit ihnen nach“, befahl er seiner Enkelin.

      Seine Hände stießen sich von den Armlehnen seines Thronsessels ab. Geräuschlos schwebte sein runder, gedrungener Körper in die Höhe. Schwerelos legte er sich auf die Seite, schwamm auf den rechter Hand liegenden Durchgang zu seinem Palast zu und ... stoppte abrupt kurz davor. Hastig warf er einen Blick über die Schulter zurück. Der Kuppelsaal leerte sich schnell. War er bereits fort? Nein! Glück gehabt!

      „Adamos!“

      Des Königs sonore Stimme durchquerte den Raum und drang mühelos zu dem Gerufenen vor.

      „Ja, hier bin ich.“ Der kobaltblaue Wal mit der auffallenden, silbrig-weiß gemusterten Nasen- und Augenpartie hob fragend den mächtigen Kopf.

      „Bitte, komm einen Moment hierher zu mir, Adamos“, rief der König, und der schwergewichtige Wal kam eilig der Aufforderung nach; schließlich ließ man seinen Gebieter nicht warten.

      „Stets zu Diensten, Majestät.“ Liebe und Achtung vor der Rechtschaffenheit seines geliebten Königs ließen ihn ehrerbietig das Haupt senken.

      „Ich habe einen wichtigen Auftrag für dich“, sagte König Oyster.

      „Jederzeit, Majestät.“

      „Gut, mein Bester. Also, ich möchte, dass du deinem gesamten Clan Botschaften sendest und sämtliche, heute hier nicht vertretenen Clans benachrichtigst.“

      „Selbstverständlich, Majestät. Ihr könnt Euch ganz auf mich verlassen. Ich werde alles zu Eurer vollsten Zufriedenheit erledigen.“

      „Fein, dann mach dich auf den Weg.“

      Der Wal namens Adamos nickte und schwamm eilig davon.

      SPIEL IM RIFF

      „Hi, hi, die Luftbläschen kitzeln so schön“, kicherte Marissa, und ihre beiden Freundinnen stimmten fröhlich in ihr Lachen ein. Die drei Paradiesbarben-Mädchen hatten sich zum Spielen zwischen ein üppig bewachsenes Korallenriff zurückgezogen, wo sie ungestört waren.

      Alle drei Fischmädchen waren gleich gemustert, jedoch von unterschiedlicher Farbe, bis auf die leuchtend rote, salmiförmige Schwanzflosse, die ein Kennzeichen ihrer Rasse war.

      Marissas Gesicht war rosa und zu den herzförmig geschwungenen roten Lippen hin hellblau gefärbt, während Podima ein orangefarbenes, zum Mund hin in ein warmes Gelb übergehendes Gesicht hatte und Xzessas Gesichtsfarben laubgrün und türkisfarben waren.

      Die Schwanzflossen der drei farbenprächtigen Fischkinder arbeiteten wie emsige kleine Rotoren, um ihre Körper regungslos in der von ihnen gewünschten Position zu halten. Nur die arme Marissa, durch ihre fehlende Schwanzflossenspitze ein wenig gehandicapt, schwankte ab und an ein wenig hin und her.

      „Lasssssst mich mitssssspielen“, zischelte es plötzlich neben Podimas Gesicht, und eine laubgrüne Schlange mit leuchtend gelben Augen wand sich geschmeidig unter einer Wasserpflanze hervor.

      „Das geht nicht“, beschied Xzessa die unerwünschte Spielgefährtin.

      „Wiesssssso nicht?“, zischelte die Schlange.

      „Das liegt doch ganz klar auf der Flosse“, mischte sich Marissa ein. „Du kannst keine so schön kitzelnden Luftbläschen machen wie wir.“

      Die grüne Schlange musterte sie schweigend. „Ich heisse Sssumella“, sagte sie um Freundschaft werbend.

      „Na und? Was können wir dafür?“, erwiderte Podima kühl.

      „Wie heisssst ihr denn?“, versuchte es Sumella erneut.

      „Das geht dich nichts an“, giftete Marissa. „Hau endlich ab, du blöde, hässliche Schlange, und störe uns nicht länger.“

      Die Schlange zuckte anfangs vor so viel Unfreundlichkeit erschrocken zurück. Doch kurz darauf näherte sie sich erneut. Lange fixierte sie mit ihren schmalen Augen die drei unfreundlichen Barbenmädchen.

      „Ihr ssseid sssooo schööön“, zischelte sie endlich. „Eure Farben leuchten ssso wunderbar hell und ssstrahlend wie dasss Ssssonnenlicht am Firmament. Eure äußerliche Schönheit hat mich geblendet. Ich nahm an, euer Charakter sssei ebenssso licht und schön.

      Doch ich habe mich getäuscht, denn ihr sseid in eurem Innersten ebensssoo schwarz und ssso bössse wie die Menschenkinder, die andersssartige und andersssfarbige, kränkliche oder auch nur unansssehnlichere Kinder alsss sssie esss sssind vertreiben und nicht an ihren Ssspielen teilhaben lassen.

      Ich kann zwar keine Luftblasssen machen“, fuhr sie bitter fort. „Doch dafür besssitze ich andere mannigfaltige Talente. Ihr ssolltet euch für eure Herzlosigkeit schämen“, sagte Sumella und glitt davon.

      „Blöde Ziege“, murmelte Marissa. Doch innerlich hatten sie Sumellas Worte schwer getroffen. Sie schämte sich, und ein leises Stimmchen in ihrem Kopf fragte: „Weshalb lasst ihr nie andere Fisch- oder Schlangenkinder mitspielen, Marissa? Könnte es sein, dass du deshalb zur Strafe deine Schwanzflossenspitze verloren hast?“

      Ja, überlegte das Paradiesbarbenmädchen, sollte wirklich meine Unfreundlichkeit Schuld an der Verstümmelung sein? Und ihre Freude am Spiel erlosch.

      „Ich habe keine Lust mehr“, rief sie Xzessa und Podima zu. „Ich mache mich auf den Heimweg.“ Und bevor ihre beiden Freundinnen antworten konnten, schwamm sie hastig davon.

      HANNIBAH DER ALLIGATOR

      In einem stillen Winkel auf dem Meeresgrund, versteckt zwischen Felsen und Pflanzen, Blumen und Korallen, hatten sich sechs äußerliche und charakterlich sehr unterschiedliche Geschöpfe eingefunden.

      „Was meint ihr?“, fragte Hannibah, der starke und wendige Alligator. „Wird König Oyster uns und unsere Welt retten? Und was noch wichtiger ist: Wollen wir ihm dabei helfen?“

      „Hannibah, schiel nicht schon wieder nach dem Thron. Sei lieber froh darüber, dass wir einen so gütigen Herrscher haben“, rügte die Schildkröte Mora mit sanfter Stimme.

      „Pah! Wer will schon den blöden Thron“, blaffte Hannibah. „Aber