König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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dafür geeignet ist“, raspelte Barnibu Süßholz.

      „Hat der König das gesagt?“

      „Ja, Xzostra. Das ist König Oysters Meinung. Du bist klug und listig, raffiniert und trickreich und außerdem auch noch Furcht einflößend“, nutzte der Delphin die Gunst des Augenblicks. „Mit Xzostras Hilfe wird mein Plan gelingen. Das waren des Königs Worte.“

      „Hmm, hmm. Na ja, er hat natürlich recht“, murmelte die Schlange geschmeichelt. „Die Menschen muss man austricksen, und wer könnte das wohl besser als ich?“

      „Hau bloß nicht so auf den Putz“, knurrte Krokan. Und an Barnibu gewandt: „Und was will der König von mir?“

      „Soweit ich informiert bin, sollst du Xzostra auf ihrer Mission begleiten“, erwiderte Barnibu.

      „Was?! Ist der König noch ganz bei Trost?“, entfuhr es Krokan respektlos.

      „Der König meint, dass deine Stärke und Geschicklichkeit unabdingbar für das Gelingen von Xzostras Auftrag sind. Außerdem ist kein anderes Meereslebewesen auch nur annähernd so ortskundig wie du“, sagte Barnibu geschickt an Krokans Eitelkeit appellierend.

      „Tja, wenn der König recht hat, dann hat er recht“, knurrte dieser. Sein Schwanz peitschte erneut, dieses Mal jedoch vor Begeisterung über Barnibus Lobhudelei, und die Zackenspitzen auf seinem Rücken röteten sich vor Stolz.

      Xzostra war schockiert! Sie sollte gemeinsam mit Krokan, diesem großspurigen Angeber, einen Auftrag erfüllen? Sollte vielleicht tage- oder gar wochenlang die Gesellschaft dieses Grobians ertragen müssen?

      Nein! Und abermals nein!

      Das durfte, das konnte nicht wahr sein! Zorn über dieses unglaubliche Ansinnen brodelte wie glühende Lava aus ihrem tiefsten Innern empor, wurde heißer und heißer, drohte sich in einem gewaltigen Wutanfall Bahn zu brechen.

      Nein! Sie riss sich zusammen, bemühte sich, ihrem immer wieder allzu schnell aufflackernden Zorn Herr zu werden. Und es gelang ihr tatsächlich. Ihre Wut verebbte, wich der Vernunft, machte der weitaus sinnvolleren Klugheit und Überlegung Platz.

      Stark und geschickt ist er ja, überlegte sie. Und unsere Unterwasserwelt kennt wahrhaftig niemand so gut wie Krokan. Also gut. Ich werde mit Krokan ein befristetes Friedensabkommen aushandeln, beschloss Xzostra erstaunlich einsichtig.

      Hätte sie geahnt, dass Krokan zur selben Zeit nicht nur ähnliche Überlegungen anstellte, sondern auch noch zum selben Resultat gelangte, wäre sie nicht wenig erstaunt gewesen.

      „Also, können wir?“, fragte Barnibu.

      „In Ordnung“, erwiderten Xzostra und Krokan in seltener Übereinstimmung.

      Barnibu setzte sich an die Spitze, und seine beiden gegensätzlichen Begleiter schlossen sich ihm ohne weiteres Murren an.

      ROBBY UND IHRE BRÜDER

      „Taros, lass das oder du bleibst nächstes Mal zu Hause“, schalt Robby ihren jüngsten Bruder.

      „Spielverderberin“, murrte Taros beleidigt. Aber er ließ endlich den langen, pinselartigen Pflanzenstängel los, mit dem er seine Schwester gekitzelt hatte, und schwamm hinüber zu seinen Brüdern.

      Remolos und Andros beobachteten von einer schmalen Sandbank aus die Schiffsanlegestelle der Hallig Okkerland.

      „Da kommt das Postschiff“, sagte Remolos, Robbys ältester Bruder. „Mal sehen was ...“

      „Ach, das ist doch langweilig“, fuhr ihm Taros dazwischen. „Lasst uns lieber Fangen spielen, das ist viel interessanter.“

      „Das geht nicht, Kleiner“, sagte Remolos nachsichtig. „Großvater möchte, dass wir die Hallig beobachten, und genau das werden wir tun. Du musst dich heute mal alleine beschäftigen.“

      „Dann eben nicht“, maulte Taros beleidigt und paddelte davon.

      „Kindskopf“, murmelte Remolos liebevoll und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.

      „Kennst du die Leute da?“, fragte Andros seinen Bruder.

      Remolos musterte aufmerksam den hoch gewachsenen Mann mit den braunen Haaren und die schwarzhaarige Frau, bei der sich ein semmelblonder Junge eingehakt hatte. Die drei verließen gerade das Postschiff.

      Remolos schüttelte den Kopf. „Die sind nicht von hier. Das müssen Besucher sein.“

      „Besucher? Aber die Halligbewohner verabscheuen Fremde. Bist du sicher, dass sie nicht auf Okkerland wohnen“, fragte Andros skeptisch.

      „Natürlich bin ich sicher“, sagte Remolos bestimmt. „Nur Besucher kommen mit Gepäck. Außerdem habe ich die Neuankömmlinge hier noch nie gesehen.“

      Andros starrte seinen Bruder mit offenem Mund an. „Woher weißt du das denn?“, fragte er beeindruckt.

      Remolos lachte. „So etwas weiß man doch.“

      „A...aber wie kannst du sie voneinander unterscheiden?“, stotterte Andros verwirrt.

      „Das ist nicht schwer“, sagte Remolos. „Im Gegenteil, die Menschen lassen sich leichter voneinander unterscheiden, als wir Robben.“

      „Das glaube ich nicht. Du machst dich mal wieder lustig über mich“, klagte Andros.

      „Remolos hat recht“, mischte sich Robby ein. „Die Menschen lassen sich tatsächlich leicht voneinander unterscheiden. So, und nun kommt. Lasst uns auf Hörweite heranschwimmen, vielleicht erfahren wir etwas Wichtiges.“

      ANKUNFT AUF OKKERLAND

      Dennis Parker atmete tief durch, als er das Postschiff verließ. Diese Luft. Diese Ruhe. Kaum zu glauben, dass hier skrupellose Umweltverbrecher ihr Unwesen treiben sollten. Und doch waren er und Nadja aus genau diesem Grund von ihrer Zeitung hierher geschickt worden. Ralf Martens, ihr Chefredakteur, hatte Hinweise erhalten, die auf einen üblen Umweltskandal hindeuteten.

      „Wer soll denn auf dieser friedlichen Hallig Umweltsünden begehen? Ob man uns da nicht einen Bären aufgebunden hat? Was meinst du?“, fragte seine Lebensgefährtin Nadja Lowinsky, eine promovierte Tierärztin und derzeitige Fotografin, als hätte sie seine Gedanken gelesen.

      „Versucht herauszufinden, was dort los ist, und bringt mir eine gute Story und gute Fotos“, hörte er seinen Chefredakteur sagen.

      „Ich kann es mir auch nicht vorstellen“, erwiderte Dennis mit einem Schulterzucken. „Allerdings hat sich Martens bislang noch nie geirrt. Er muss hervorragende Informanten haben.“

      „Dieser Schleimer“, sagte Nadja voller Abneigung. „Ich kann diesen verdammten Blutsauger nicht ausstehen.“

      „Na, na“, beschwichtigte Dennis sie. „So schlimm ist er ja nun auch wieder nicht.“

      „Aber schlimm genug“, murmelte Nadja.

      Dennis genoss die saubere Luft. Ah, tat das gut! Und dann diese Stille, welche nur vom schrillen Kreischen der Möwen unterbrochen wurde, die auf einen Leckerbissen hofften. Herrlich war es hier.

      Das Meer zeigte sich von seiner besten Seite, bot sich glatt und still dar und ließ für einen Moment vergessen, in welch schreckliche Bedrängnis es die Menschen zu bringen vermochte. Besonders in den Wintermonaten, wenn häufig nur noch die Häuser auf ihren Warften aus dem Wasser herausragten, und der Rest der Hallig Land unter war.

      „Kommt, unsere Vermieterin wartet sicher schon auf uns“, drängte Nadja. „Wir sollten die Frau nicht verärgern, sonst sitzen wir plötzlich auf der Straße. Und da die Halligbewohner nicht gerade fremdenfreundlich sind, werden wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine andere Unterkunft finden.“

      Dennis