König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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Vogelfisch.

      „Ich lach mich gleich tot“, kicherte Wada, die weiße Rundkopfschlange, spöttisch. „Du Knirps bist ja kaum so groß wie Hannibahs rechtes Auge.“

      „Das ist wohl wahr“, mischte sich Durada, die Armmolchfrau mit den Telleraugen, ein. „Groß ist Trukku nicht, aber du vergisst doch hoffentlich seine giftige Schnabelspitze nicht, oder? Ein winziger Stich nur und du, meine liebe Wada, lästerst niemals wieder.“

      Wada zuckte erschrocken zusammen.

      „Ja, ja“, murmelte die alte Mora und wiegte bedächtig den faltigen Kopf.

      „Ich liebe unseren klugen König“, zirpte Loba, die winzige Schmetterlingsraupe.

      „Loba hat ganz recht“, meldete sich die weise Mora zu Wort. „Seht euch doch nur einmal das Durcheinander bei den Menschen an und das, obwohl sie doch auch Könige oder jedenfalls so etwas Ähnliches haben. Wie heißen diese Menschenherrscher doch noch gleich?“, grübelte die Schildkröte angestrengt.

      „Die heißen Regierungsbeamte oder Minister oder so ähnlich“, tat sich Wada, die weiße Rundkopfschlange, wichtig. „Und glaubt mir“, fuhr sie fort, „die sind habgierig und nicht besonders nett.“

      „Ja, diese Menschen sind seltsame Geschöpfe“, nickte Mora.

      „Bin ich froh, liebe Mora, dass ich kein Mensch geworden bin, sondern nur eine winzige Raupe“, zirpte Loba fröhlich.

      „Oh ja, meine Kleine. Wie recht du hast.“

      „Ach was, Papperlapapp“, schimpfte Hannibah. „Die lassen es sich eben gut gehen. Schließlich ist sich jeder selbst der Nächste. Wenn diese Menschen nicht ständig ihren Dreck und Unrat bei uns abladen würden, hätte ich gar nichts gegen sie.“

      „Nicht?! Du bist genau so dumm wie du groß bist, Hannibah“, schimpfte Trukku, der Vogelfisch. Sein gelb und blau gemusterter Hals funkelte vor Erregung, und die unzähligen Leuchtpünktchen auf seinem Gefieder strahlten winzigen Glühbirnen gleich. „Menschen! Pah! Die sind egoistisch und böse. Die denken nur an sich. Andere bedeuten ihnen nichts.“

      „Aber nicht alle Menschen sind böse“, warf Durada, der Armmolch mit den Telleraugen, ein.

      „Nicht?! Wieso nicht?“, zirpte Loba überrascht.

      „Ach, das ist lange her“, murmelte Durada verlegen, als sich fünf Augenpaare plötzlich auf sie richteten und sie unverhofft im Mittelpunkt des Interesses stand.

      „Ich habe damals etwas beobachtet“, murmelte Durada.

      „Und was war das?“, mischte sich neugierig geworden nun auch noch Hannibah ein. „Mein Gott, Durada! Nun zier dich doch nicht so! Komm, erzähle es deinem lieben Hannibah.“

      „Also gut, wenn ihr es unbedingt wissen wollt“, gab sich die Armmolchfrau geschlagen. „Der Tag war wunderschön“, begann Durada. „Warm war es, das Meer spiegelglatt, und die Sonne strahlte mit den Juwelen am Thron unseres Herrschers um die Wette. Ich hatte es mir auf einer Sandbank bequem gemacht und ließ mir den Rücken von den Sonnenstrahlen wärmen.

      Nicht weit von mir entfernt vergnügte sich ein Rudel Robben mit einem leeren Schneckengehäuse. Knapp einen Steinwurf entfernt, zogen mehrere Wale vorbei. Ich war glücklich und zufrieden und genoss die Schönheit dieses Tages.

      Ich muss wohl eingeschlafen sein.

      Klägliches Wimmern schmerzerfüllten Lebens riss mich abrupt aus dem Schlaf. Erschrocken richtete ich mich auf. Was war geschehen?

      Und dann sah ich sie!

      Menschen! Überall Menschen!

      Am Strand aufgeregt hin und her eilend. In Booten stehend. Was taten diese Leute? Was wollten sie? Woher kamen sie so plötzlich? Verwirrt und ängstlich beobachtete ich weiter.

      Unermüdlich sprangen immer und immer wieder Menschen aus den Booten ins Wasser, suchten aufgeregt, wurden fündig, legten das Gefundene in die wartenden Boote und suchten weiter. Was für schwarze Dinger sammeln die da eigentlich ein? fragte ich mich verständnislos.

      Und dann begriff ich endlich!

      Robben! Vögel! Schildkröten!

      Die Menschen sammelten vom Öl verklebte Meeresbewohner ein und schafften sie eilig an den Strand, wo wiederum andere Menschen sie ihnen hastig abnahmen und mit den ölverschmierten Tieren zu großen Behältern eilten. Sie legten unsere bedauernswerten Brüder und Schwestern in eine Flüssigkeit, in der Hoffnung, sie damit vom Öl zu befreien.

      Es klappte nicht immer, aber etliche Meeresbewohner wurden durch die Hilfe der Menschen tatsächlich gerettet. Später habe ich dann mit einigen der Überlebenden gesprochen.

      Die Menschen haben uns sehr fürsorglich behandelt, erzählten sie mir. Manche Menschen weinten sogar, wenn einer von uns starb, berichteten sie weiter.

      Sie sind nicht alle schlecht, sagten sie erstaunt über diese unerwartete Erkenntnis. Und doch sage ich die Wahrheit, wenn ich hier und jetzt behaupte, dass es auch gütige und verantwortungsbewusste Menschen gibt“, beendete Durada ihre unglaubliche Geschichte.

      „Ich glaube das nicht“, sagte Hannibah entschieden und schwamm davon.

      „Ich auch nicht“, schloss sich Wada seiner Meinung an und eilte ihm hinterher.

      „Aber ich glaube dir, Durada“, sagte die gütige Mora.

      „Und ich auch“, stimmte Trukku ihr zu.

      „Meine Erfahrung hat mich gelehrt“, fuhr die weise Schildkröte fort, „dass niemals alle Angehörigen einer Rasse böse sind. Es gibt unter ihnen stets Gute und Böse. Denn glaubt mir, meine lieben Freunde, gäbe es nur das Schlechte und Verkommene auf dieser Welt, wäre das Leben nicht mehr lebenswert.

      Ohne die Hoffnung auf das Gute, ohne Liebe und Zärtlichkeit, Gnade und Gerechtigkeit, würden unsere Seelen verkümmern, und wir wären dem Untergang geweiht. Obwohl ich jedoch zugeben muss, dass das Böse leider nur allzu oft die Oberhand gewinnt“, fügte sie traurig hinzu.

      „Das hast du aber schön gesagt, liebe Mora“, seufzte Loba und machte sich eifrig über ein weiteres, besonders zartes, Blättchen her.

      ADAMOS UND SEIN SOHN ENIBA

      Währenddessen eilte Adamos, der Wal, nach Hause zu seinem Sohn Eniba. Es blieb nicht allzu viel Zeit für die ihm vom König übertragenen Aufgaben, und bevor er sich auf den Weg machen konnte, gab es noch viel zu tun.

      Zuerst einmal muss ich für Eniba einen Babysitter finden, überlegte er. Am besten bringe ich ihn so lange bei seiner Tante Leonora unter. Die hat ein Herz für Kinder, und Eniba liebt sie sehr seitdem er nach dem grausamen Tod seiner Mutter – die von einem der gewaltigen Walfangschiffe gefangen und sofort, zu was auch immer, verarbeitet worden war – bei ihr gelebt hat. Er hatte seinen Sohn erst wieder zu sich nehmen können, nachdem der schlimmste Schmerz über den Tod seiner geliebten Frau abgeklungen war.

      In der Nähe seiner Höhle kreuzten drei blaue Delphine Adamos´ Weg. „Sagt es euren Freunden und Verwandten“, rief er ihnen zu. „In fünf Tagen findet die nächste wichtige Zusammenkunft im Kuppelsaal statt.“

      „Geht in Ordnung“, riefen die Delphine fröhlich zurück.

      „Komm wieder her, Goldy. Bitte, lass uns doch weiterspielen. Ich habe es doch nicht so gemeint“, hörte Adamos seinen Sohn rufen. Sehen konnte er ihn noch nicht, denn eine Felsnase verwehrte ihm den Blick auf seine Höhle.

      Adamos umschwamm das Hindernis mit kräftigem Flossenschlag und hatte jetzt freie Sicht auf sein Zuhause und auf seinen Sohn, der betreten einem schimmernden Goldfisch hinterherblickte, der sich, ohne auf die Bitten Enibas zu reagieren, immer weiter entfernte.

      „Dann eben nicht, du Spielverderber“, maulte Eniba und schwamm