König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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Formen, teils harmonisch, teils regelrecht bizarr; die unterschiedlichen Größen; dazu die kaum vorstellbare Farbpalette der Anwesenden könnten einen Maler schier um den Verstand bringen, dachte der König beeindruckt.

      Die Menge war unüberschaubar, schien den riesigen Kuppelsaal fast zu sprengen, obwohl die zur Seite geschobenen Wände ihn um mindestens das Dreifache vergrößerten.

      Dicht an dicht drängten sich Leiber in den mannigfaltigsten Formen geduldig neben- und aneinander; lauschten seine Untertanen atemlos und voller Hoffnung den Worten ihres Herrschers, mit denen er ihnen seinen Plan erläuterte. Seinen klugen, seinen listigen Plan!

      Ja, dachten die Lauschenden. So könnte es, nein! So wird es gelingen!

      „Es ist sehr schade, dass ausgerechnet Xzostra und Krokan, die für das Gelingen meines Planes unverzichtbar sind, heute nicht bei uns sein können“, sagte der König bedauernd. „Aber unser lieber Barnibu wird die beiden finden und schleunigst zu mir bringen. Habe ich recht, mein Freund?“, fragte König Oyster den blauen Delphin.

      „Selbstverständlich, Majestät“, versicherte dieser.

      „Sehr schön, mein Guter. Dann fasse ich jetzt noch einmal zusammen. Also, nochmals zu Punkt eins:

      Unsere Freundin Xzostra, die Königsschlange, wird gemeinsam mit Krokan, dem Krokodil, Kontakt zu den Menschen aufnehmen. Und um das Übel direkt bei der Wurzel zu packen, werden sie direkt mit dem schlimmsten Verursacher unserer Probleme sprechen.“

      „Wenn er sich da man bloß nicht irrt“, flüsterte Portza, eine Artgenossin Xzostras. „So wie ich die liebe Xzostra kenne, wird sie stinksauer sein, dass der König über ihren Kopf hinweg so einfach über sie bestimmt. Sie wird ihm fix was husten und ganz sicher keine Aufträge für ihn übernehmen“, meinte die Königsschlange ironisch. „Und schon gar nicht zusammen mit Krokan, denn den kann Xzostra ja nun überhaupt nicht leiden“, fügte Portza grinsend hinzu.

      „Pssssss“, zischte ein Schwertfisch ärgerlich.

      „Du kannst mich mal, du Blödmann“, zischte Portza unfein zurück. Schwieg jedoch von jetzt an.

      „Xzostra und Krokan werden es zunächst im Guten versuchen“, sprach König Oyster weiter. „Sollte dieser Mensch jedoch ... Wie heißt er doch noch gleich, Weytolus?“

      „Hasso Knudsen, Hoheit.“

      „Danke, mein Bester. Also, sollte dieser Mensch namens Hasso Knudsen Vernunftgründen gegenüber jedoch nicht zugänglich sein“, fuhr der König fort, „werden wir die Geschütze der Einschüchterung und Furcht auffahren müssen, obwohl ich eine friedliche Lösung bevorzugen würde. Aber wenn es denn sein muss.“ Er seufzte und sprach weiter: „Hand in Hand mit der Einschüchterungsmethode werden wir diesen Menschen bei seiner Habgier packen.“

      „Und was machen wir, wenn das auch nichts nützt?“, rief vorlaut ein dicker Butt aus den hinteren Reihen.

      „Tja, dann werde ich wohl noch schwerere Geschütze auffahren müssen“, erwiderte der König unbehaglich bei dieser Vorstellung von Gewalt und Gnadenlosigkeit.

      „Schwerere Geschütze?! Welche denn?“, kreischte eine immer etwas hysterische Makrelenfrau.

      Des Königs Gesicht verdüsterte sich. Schatten verdunkelten seine sonst so leuchtenden Farben. Erneut aufflackernde Sorgen wischten die gerade eben noch zur Schau gestellte Zuversicht aus seinem gutmütigen Gesicht. Blicklos starrte er über die Menge hinweg in ... Ja, in was? Sah er in die Zukunft? Oder schaute er zurück in die Vergangenheit? Was sah König Oyster in diesem Moment?

      Er sah Bilder aus der Vergangenheit vor sich. Schreckliche Bilder. Grausame Bilder. Bilder, die erneut wahr werden konnten. Bilder, die eine traurige Zukunft in sich bargen. Denn König Oyster sah OLMOKAN!

      „Majestät, die Menge wird unruhig“, flüsterte Weytolus.

      Des Königs Hand strich so fest über seine Stirn, als wolle er die trüben Gedanken hinwegfegen, und in seine Augen kehrte das Leben zurück. Ein neuerlicher tiefer Seufzer vertrieb seine deprimierenden Visionen fürs erste. Doch sie würden zurückkommen, und das war so gewiss wie Ebbe und Flut Tag für Tag kommen und gehen.

      Flossenschlagen. Kratzen. Scharren. Das Malen horniger Kiefer aufeinander. Seine Untertanen wurden nervös, erwarteten eine Antwort auf des Butts Frage. Hier ist meine Antwort, dachte König Oyster, und sie besteht nur aus einem einzigen Wort:

      „OLMOKAN!“, stieß er hervor.

      Die Menge zuckte in einer synchronen Wellenbewegung zusammen. Was sagte ihr König da?

      OLMOKAN?!

      Der Meeresgott sei uns gnädig!

      Stille, dunkel und schwer wie zu alt gewordener, verdickter Sirup kroch aus Ecken und Winkeln, Spalten und Löchern, legte sich auf Atemwege, kroch in Kiemen und Lungen.

      OLMOKAN!

      Oh Gott der Meere, was kommt da auf uns zu!

      „Aber, Majestät, Olmokan darf doch niemals wieder gestört werden“, brach Adamos´ tiefe Stimme das drückende Schweigen.

      Nicht zu fassen, dachte Hannibah bewundernd. Er hat es tatsächlich gewagt seinen Namen auszusprechen. Wie verdammt heldenhaft dieser Wal doch ist!

      „Schschschttt! Nicht den Namen nennen“, kreischte Trukku entsetzt. „Er könnte uns hören!“

      Alle hielten vor Schreck den Atem an.

      „Und wenn schon, Trukku“, sagte König Oyster gelassen.

      „Na, Ihr habt vielleicht Nerven, Majestät“, stieß Maradon, die einzige noch lebende Schildkopfamphibie, zum ersten Mal in ihrem langen Leben den gebührlichen Respekt ihrem König gegenüber vergessend, entsetzt hervor. „Was ist, wenn ER erwacht?“

      „Was soll schon sein, Maradon“, sagte der König ruhig. „Eines steht doch fest. Sollte unsere Welt dem Untergang geweiht sein, würde auch Olmokan darunter zu leiden haben.

      Denn ganz allein in einer verseuchten Unterwasserwelt würden ihm weder seine besonderen Fähigkeiten noch seine gewaltigen Kräfte etwas nützen. So unüberwindbar Olmokan auch sein mag“, fuhr er fort, „ohne sauberes Wasser und ohne sein Volk wäre er das unglücklichste und einsamste Lebewesen der Welt.“

      „Aber er schläft tief verborgen in seiner Höhle und will nicht gestört werden“, wandte Barnibu, der blaue Delphin, ein. „Ihr selbst, Majestät, habt ihm ewige Ruhe zugesichert. Wollt Ihr Euer Versprechen etwa brechen?“

      „Wie euch bekannt sein dürfte, halte ich grundsätzlich einmal gegebene Versprechen“, erwiderte der König gelassen. „Aber in diesem Ausnahmefall, wo das Leben meines gesamten Volkes auf dem Spiel steht, würde ich mich, falls erforderlich, dieses eine Mal darüber hinwegsetzen.

      Ich bin sicher, Olmokan würde es verstehen, denn letztendlich geht es ja auch um seine Zukunft. Außerdem wissen wir ja noch nicht einmal, ob er überhaupt noch schläft. Vielleicht ist er schon lange wach und wartet auf ein Zeichen von uns.“

      „Aber Ihr habt versprochen, ihn nicht zu stören“, kreischte Wada, die weiße Rundkopfschlange.

      „Kein aber“, donnerte König Oyster. „Ich sage es hier und jetzt, und ich sage es nur dieses eine Mal: Sollten Xzostra und Krokan keinen Erfolg haben, werde ich Olmokan um Hilfe bitten. Das ist mein letztes Wort. So, und nun werde ich dort fortfahren, wo ich vorhin unterbrochen wurde.“

      „Alles nur großspuriges Gerede“, zischte Portza verächtlich. „Der König wird es niemals wagen IHN aufzuwecken.“

      „Ich komme nun zu Punkt zwei meines Planes, den Giftfässern“, fuhr König Oyster fort. „Hierzu gibt es nicht mehr viel zu sagen. Wir machen es wie bereits ausgiebig besprochen: Die Wale bringen die Fässer dorthin zurück, woher sie gekommen sind, nämlich zu Hasso Knudsen, der von der Hallig Okkerland aus seine