König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016512
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oft, dass auch wir Wasserlebewesen Familien haben. Schlimmer noch, denn sie leugnen unsere Gefühle und meinen, dass Freude und Trauer, Glück und Leid, Liebe und Hass und all die anderen vielschichtigen Gefühle und Empfindungen keine Bedeutung für uns haben“, sagte Weytolus traurig.

      „Aber wieso glauben sie so einen Unsinn?“, fragte Robby bestürzt. „Sind die Menschen denn dumm?“

      Weytolus schüttelte den Kopf. „Nein, Kleines, dumm sind sie wohl nicht. Aber ziemlich überheblich, sehr ignorant und oftmals erschreckend hartherzig.“

      Das Robbenmädchen sah ihn groß an. „Sind alle Menschen so?“, fragte sie.

      „Nein, Robby, glücklicherweise nicht. Aber leider sehr viele. Oftmals zu viele.“

      „Sterben deshalb so viele Meeresbewohner?“

      „Ja, mein Kind.“

      „Können wir die Menschen nicht ändern, Onkel Weytolus?“

      „Schön wäre es, doch ich glaube es nicht.“

      „Wir müssen es versuchen.“

      Weytolus nickte stumm.

      „Dann mache ich mich jetzt mal auf den Weg. „Mach´s gut, Matawa“, rief Robby. „Tschüss, ihr beiden Hübschen.“ Damit waren Mida und Pida gemeint, die mit geschlossenen Augen regungslos vor dem Großwesir im Wasser standen.

      „Wohin so eilig?“, rief Pattie, der grüne Delphin. „Wollen wir fangen spielen?“

      „Keine Zeit, Pattie. Ich muss die Hallig Okkerland überwachen“, rief Robby zurück. „Tschüss Blinckie, iss nicht so viel Grünzeug, sonst bekommst du wieder Bauchweh“, neckte sie die kleine gestreifte Raupe, deren orangefarbene Augen Blinkzeichen senden konnten, und schwamm eilig davon.

      „Von wegen Bauchweh“, wisperte Blinckie. „Schließlich muss ich ja was essen“, sprach´s und kroch davon.

      „Was wirst du tun, Weytolus?“, fragte Matawa, nachdem Robby außer Sichtweite war.

      „Hmmm. Ich weiß es noch nicht. Aber auf keinen Fall dürfen die Menschen von unserer Existenz erfahren. Stimmt ihr mir zu?“, fragte Weytolus die Sonnenschlangenzwillinge.

      „Teils, teils“, erwiderten Mida und Pida wie immer so synchron, als spräche eine einzige Person. „Die Menschen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, jedoch befürchten wir, dass unser Volk ohne ihre Einsicht weiterhin gefährdet ist. Vielleicht kommen wir irgendwann um eine Kontaktaufnahme nicht herum.“

      „Ich lasse mir die Angelegenheit durch den Kopf gehen“, sagte Weytolus.

      „Tu das“, nickten Mida und Pida. „Wir sind sicher, du wirst die richtige Entscheidung treffen.“

      TOMMYS TRAUM

      Als Tommy am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich wie zerschlagen. Er kletterte müde aus dem altertümlichen Eichenbett und trottete gähnend zum Waschbecken.

      Als er in seine blau-weiß gestreiften Turnschuhe schlüpfte, die er zusammen mit seiner Mutter und Dennis an derselben Stelle vorgefunden hatte, wo er sie zurückgelassen hatte, musste er wieder an seine Flucht vor den Monsterkrabben denken und auch die geträumten Visionen der vergangenen Nacht holten ihn erneut ein.

      Mehrmals hatte ihn der unheimliche Traum heimgesucht, selbst dann noch, als das freundlichere Morgengrauen die nächtlichen Schatten vertrieb um Platz für die lichten Farben des Tages zu schaffen, hatten ihn die Monsterkrabben nicht zur Ruhe kommen lassen.

      Doch in seinem Traum holten sie nicht nur den wunderschön geschliffenen Glastropfen und sein neues Segelboot. Nein, sie holten IHN! Unerbittlich trieben sie ihn aufs Meer zu, in dem ein riesiges, schattenhaftes Wesen auf ihn lauerte.

      „Geh, Tommy“, drängen sie. „OLMOKAN, der Wächter der Meere, erwartet dich. Nun geh schon, Kind. Er ist es nicht gewohnt zu warten.“

      „Nein!“, schreit er in seinem Traum. „Nein, ich will nicht! Ich hab Angst, dass er mich verschlingt.“

      „Unsinn, Tommy“, beruhigen ihn die Krabben. „OLMOKAN wird dir nichts zu Leide tun. Er will nur mit dir reden. Er hat dir etwas sehr Wichtiges zu sagen. Nun geh schon, Kind.“

      Sie treiben ihn vorwärts, näher und näher ans Wasser heran. Oh ja, natürlich leistet Tommy Widerstand, stemmt sich gegen ihren Willen, will ihnen Paroli bieten, versucht zurückzuweichen. Doch all sein Sträuben ist vergebens.

      „Vorwärts, Tommy. Komm schon. Komm her zu mir“, raunt es dunkel hinter seiner Stirn.

      „Nein“, wimmert Tommy. „Ich will nicht.“ Doch seine nackten Füße beachten weder seine Weigerung noch seine Furcht. Sie tragen ihn unerbittlich voran. Ein Schritt. Noch ein Schritt. Und gleich darauf noch einer. Salziges Wasser leckt an seinen Zehen, umklammert seine Waden, zieht ihn näher zu sich heran – und dann mit sich fort.

      „Komm nur. Komm her zu mir, mein Kind“, lockt die Stimme ganz sanft, ganz zart. „Hab keine Angst. Entspann dich, kleines Menschenkind. Ich bin nicht dein Feind. Komm, lass dich fallen. Ich fange dich auf in meinen weichen Armen, halte dich wie deine Mutter, schütze dich, wie sie es tut.“

      „Mama?“, flüstert Tommy verträumt. „Mama, bist du es?“

      „Ja“, wispert es. „Aber ja.“

      Da lässt Tommy sich fallen, und seine Furcht verschwindet im Nichts. „Müde, Mama. So müde“, murmelt er. Die Augen fallen ihm zu. Die Wellen nehmen ihn mit, schaukeln ihn sanft, und Tommy lächelt im Schlaf.

      DER TAG DANACH

      „Wo er nur bleibt? Tommy, kommst du? Wir warten mit dem Frühstück auf dich“, rief Nadja ungeduldig.

      Dennis bestrich seine Brötchenhälfte mit Butter, häufte großzügig Himbeermarmelade darauf und biss herzhaft in die süße Köstlichkeit. „Wunderbar“, murmelte er mit glänzenden Augen. Er liebte Süßes, besonders Himbeermarmelade, schon von Kindesbeinen an.

      Eine Tür fiel ins Schloss. Eilige Schritte auf der Treppe. Tommy stürmte herein. „Morgen, Mami. Hallo, Dennis.“ Er setzte sich an den Frühstückstisch und zog das Glas Nutella, seinen Lieblingsbrotaufstrich, näher zu sich heran.

      „Guten Morgen, Schatz. Ich dachte schon, du hättest verschlafen.“

      „Guten Morgen, Langschläfer“, begrüßte auch Dennis den Jungen, den er nach seiner Heirat mit Nadja adoptieren würde. „Hast du die erste Nacht im fremden Bett gut geschlafen?“

      Tommy schüttelte den Kopf. „Ich habe von den Monsterkrabben und von Olmokan geträumt.“

      „Olmokan? Wer ist denn das?“, fragte Nadja.

      „Weiß ich auch nicht so genau. Die Krabben nennen ihn den Wächter der Meere.“

      „War es der Traum, den du schon zu Hause geträumt hast?“, fragte Dennis.

      „Nur teilweise“, murmelte Tommy mit vollem Mund.

      „Und wie sieht dieser Olmokan aus? Wie die Krabben, die du uns beschrieben hast?! Dennis ließ nicht locker.

      „Ich weiß nicht. Ich hab wieder nur seinen Schatten gesehen.“

      „Aha! Seinen Schatten“, lächelte seine Mutter.

      „Er hat zu mir gesprochen.“

      „Wer? Etwa der Schatten?“, spöttelte Nadja.

      „Ihr lacht mich aus. Ihr glaubt mir nicht!“, rief Tommy gekränkt. „Aber Olmokan hat zu mir gesprochen. Ich schwöre es!“

      „Beruhige dich, Liebling. Wir lachen dich