Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738074062
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Es kann Ih­nen auch kei­ner sein Schwert ge­ben, denn das Schwert ge­hört zum Sa­mu­rai und sein Ver­lust wäre der Ver­lust sei­ner Ehre. Au­ßer­dem dür­fen nur Sa­mu­rai Schwer­ter tra­gen.‹

      ›Was be­nut­zen denn die So­hei für Waf­fen? Viel­leicht ... Oder Mo­ment, noch bes­ser, Date Ma­sa­mu­ne hat doch die Waf­fen der chi­ne­si­schen An­grei­fer als Tro­phä­en mit­ge­nom­men?! Hat er sie hier? Da wa­ren Schwer­ter da­bei, mit de­nen ich schon ge­übt habe und die ich gut be­herr­sche.‹

      Der Fürst be­stä­tig­te, dass sich die Schwer­ter im An­we­sen be­fan­den, und ließ so­fort ei­ni­ge ho­len.

      Ich wähl­te eins mit ei­ner Klin­gen­län­ge von etwa sech­zig bis fünf­und­sech­zig Zen­ti­me­tern, das gut in der Hand lag und scharf ge­schlif­fen war.

      Der Dai­myo for­der­te einen an­de­ren Sa­mu­rai auf, ihm das Schwert zu brin­gen, und be­trach­te­te es ein­ge­hend. Er schwang es ei­ni­ge Male prü­fend und schüt­tel­te dann den Kopf.

      ›Hm, es mag für einen Kampf in Chi­na mit gleich­wer­ti­gen Schwer­tern tau­gen, doch hier ist es eine un­ter­le­ge­ne Waf­fe.‹

      Er ließ es mir durch den Sa­mu­rai zu­rück­brin­gen und fuhr fort:

      ›Ich habe schon ei­ni­ge Kämp­fe von Sa­na­da Ma­sa­no­ri mit­er­lebt, bei de­nen er fast im­mer ein lan­ges Ta­chi be­nutz­te. Des­sen Klin­ge ist be­stimmt sie­ben Sun län­ger als die­ses chi­ne­si­sche Schwert und hat des­halb eine viel grö­ße­re Reich­wei­te. Da­mit sind Sie ihm un­ter­le­gen.‹

      ›Ta­chi, Sun?‹, frag­te ich.

      Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga ver­stand, dass ich mit die­sen Be­grif­fen noch nichts an­fan­gen konn­te, und hol­te sich beim Fürs­ten die Er­laub­nis, mir sein Ta­chi zu zei­gen. Die­se Waf­fe war in der Zwi­schen­zeit mit der Rüs­tung, die sich in ei­ner großen Kis­te be­fand, her­ge­bracht wor­den. Dann entließ der Fürst alle an­de­ren mit der Be­grün­dung, der Platz wer­de für die Übun­gen ge­braucht. Ei­ni­ge ver­lie­ßen den Raum mit ver­stimm­ter Mie­ne, doch Ma­sa­mu­ne at­me­te er­leich­tert auf, als wir nur noch zu dritt im Raum wa­ren. Er war­te­te, bis alle au­ßer Hör­wei­te wa­ren, und sag­te dann:

      ›Es ist er­mü­dend, im­mer die­se Zwän­ge und die­ser äu­ße­re Schein‹, bei die­sen Wor­ten stand er auf und setz­te sich ne­ben uns. Nach­dem er kurz mit Shi­ge­na­ga ge­spro­chen und die­ser mehr­fach ge­nickt hat­te, wand­te er sich schließ­lich an mich.

      ›Date Ma­sa­mu­ne hat mich dar­an er­in­nert, dass ich die Eti­ket­te wah­ren muss, so­bald an­de­re an­we­send sind, was na­tür­lich auch für dich gilt. So­bald wir aber un­ter uns sind, möch­te er, dass wir zwang­los mit­ein­an­der um­ge­hen. Er wird dich des­halb, wenn du da­mit ein­ver­stan­den bist, in Zu­kunft mit du an­spre­chen.‹

      Ich nick­te er­freut.

      ›Gut, der Ein­fach­heit hal­ber wer­de ich es in Zu­kunft im­mer so über­set­zen, au­ßer ich weiß, dass ei­ner die chi­ne­si­sche Spra­che be­herrscht.‹

      ›Ich füh­le mich ge­ehrt!‹

      Ma­sa­mu­ne wink­te ab.

      ›Lass den Un­sinn, in Chi­na war es auch nicht nö­tig, und ich emp­fin­de es seit ei­ni­gen Jah­ren als be­las­tend! Frü­her wa­ren mir sol­che Din­ge sehr wich­tig, doch jetzt den­ke ich an­ders dar­über. Au­ßer­dem bist du mein Le­bens­ret­ter, und ich ste­he in dei­ner Schuld!‹

      Jetzt war ich es, der ab­wink­te, doch er fuhr schon fort, und sein Ge­sicht nahm einen be­sorg­ten Aus­druck an.

      ›Im ers­ten Au­gen­blick war ich sehr an­ge­tan von dei­nem Vor­schlag, doch nun meh­ren sich mei­ne Be­den­ken. Ich fürch­te, dass es für dich nicht gut aus­ge­hen wird, und das möch­te ich ver­hin­dern. Viel­leicht fin­den wir doch noch eine an­de­re Mög­lich­keit, um den Met­su­ke zu be­sänf­ti­gen.‹

      ›Nein, zum einen ste­he ich zu mei­nem Wort, und zum an­de­ren habe ich kei­ne Angst. Seit ei­ni­gen Jah­ren, habe ich fast täg­lich Kamp­f­übun­gen ab­sol­viert, und die Shao­lin ha­ben mich in den Meis­ter­stand er­ho­ben, was doch zu ir­gend­was gut ge­we­sen sein muss. Ich möch­te auch nicht mehr dar­über re­den, denn wir ha­ben Wich­ti­ge­res zu tun.‹

      Ich sah Shi­ge­na­ga an und frag­te:

      ›Woll­test du mir nicht er­klä­ren, was Ta­chi und Sun ist?‹

      Er nick­te, stand auf und hol­te sein Schwert, zog es aus der Schei­de und leg­te es ne­ben das chi­ne­si­sche, das ich aus­ge­wählt hat­te.

      ›Ein sol­ches Schwert nennt man Ta­chi. Es wird mit zwei Hän­den ge­führt, ob­wohl es ei­ni­ge Meis­ter gibt, die es ein­hän­dig be­nut­zen.‹

      Er deu­te­te auf die Schwer­ter, die er so ge­legt hat­te, dass das Stich­blatt sei­nes Schwer­tes auf glei­cher Höhe mit der Pa­rier­stan­ge des chi­ne­si­schen war.

      ›Mein Ta­chi ist vier­und­zwan­zig Sun lang und über­ragt dei­nes um eine Hand­breit. Das von Sa­na­da Ma­sa­no­ri ist, nach dem, was der Fürst sagt, etwa acht­und­zwan­zig Sun lang. Er hat also eine viel grö­ße­re Reich­wei­te, da­her dürf­te es dir schwer­fal­len, mit die­sem kür­ze­ren Schwert an ihn he­r­an­zu­kom­men.‹

      ›Hmmm, es kommt im­mer dar­auf an, wie man kämpft. Ich habe nicht vor, es auf die glei­che Art wie der Met­su­ke zu tun, da ich die­se nicht be­herr­sche. Aber ich kann recht gut, was ich in Shao­lin und Wu­dang ge­lernt habe. Wür­dest du jetzt bit­te die Rüs­tung an­le­gen und mir ei­ni­ges von eu­rer Schwert­kampf­tech­nik zei­gen, da­mit ich mir ein Bild ma­chen kann.‹

      Er nick­te, und ein Die­ner, der vor der Tür ge­war­tet hat­te, wur­de he­r­ein­ge­ru­fen. Die­ser half beim An­le­gen der Rüs­tung, und ich be­ob­ach­te­te ge­nau, wie die ein­zel­nen Tei­le mit­ein­an­der ver­bun­den wur­den.

      Von je­dem Teil der Rüs­tung nann­te mir Shi­ge­na­ga den Na­men und die Funk­ti­on. Es war gleich­zei­tig wie­der Sprach­un­ter­richt, und mir wur­de zum ers­ten Mal be­wusst, dass es mir dies­mal leich­ter fiel als beim chi­ne­si­schen. Da ich sei­ne Ge­dan­ken­bil­der wahr­nahm, konn­te ich mir die Be­grif­fe viel bes­ser ein­prä­gen. Das Er­ler­nen der laut­lo­sen Spra­che, wie sie Wang Lee im­mer ge­nannt hat­te, war also noch bei an­de­ren Din­gen hilf­reich.

      ›Das, was ich jetzt an­le­ge, ist eine do-maru-Rüs­tung. Sie wird im Feld kaum noch ver­wen­det, denn sie bie­tet kei­nen aus­rei­chen­den Schutz vor Feu­er­waf­fen. Bei ei­nem Du­ell hin­ge­gen wird sie der mo­der­nen to­sei-gu­so­ku-Rüs­tung vor­ge­zo­gen, da sie leich­ter ist und der Kämp­fer in ihr mehr Be­we­gungs­frei­heit hat.‹

      Er be­nann­te je­des ein­zel­ne Teil, und mir fiel auf, dass die­se Rüs­tung Schwach­stel­len hat­te, die ich aus­zu­nut­zen ge­dach­te. Als er fer­tig war, soll­te ich eine gleich­ar­ti­ge Rüs­tung aus Ma­sa­mu­nes Be­sitz an­le­gen, doch ich wehr­te ab.

      ›Nein, ich wer­de ohne Rüs­tung in mei­ner Shao­lin-Klei­dung ge­gen ihn an­tre­ten.‹

      Sie sa­hen mich an, als hät­te ich den Ver­stand ver­lo­ren. Dann woll­ten sie mich so­fort vom Ge­gen­teil über­zeu­gen.

      ›Ohne Schutz kann er dir mit ei­nem ein­zi­gen Hieb den Schä­del spal­ten oder