Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738074062
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schüt­tel­te er den Kopf.

      ›Es ist al­lein mei­ne Schuld, und ich muss mich da­für ver­ant­wor­ten.‹

      Er hob den Blick.

      ›Vor dir, vor mei­nem Herrn und vor ihm‹, da­bei nick­te er mit dem Kopf in die Rich­tung des Da­v­on­schrei­ten­den.

      Sei­ne Au­gen zeig­ten einen Kum­mer, den ich nicht be­grei­fen konn­te.

      ›Das ver­ste­he ich nicht. Ich habe aus Un­ver­stand einen Feh­ler be­gan­gen, und für den kannst du doch un­mög­lich ver­ant­wort­lich sein.‹

      ›Oje, Sie ver­ste­hen noch nicht viel von dem, was die­se Ge­sell­schaft aus­macht‹, warf van Neyen­ro­de ein. ›Er hat vom Dai­myo die Ver­ant­wor­tung für Sie über­tra­gen be­kom­men. Er bürgt also mit sei­nem Le­ben für Ihre Si­cher­heit.‹

      Ich schluck­te und ich blick­te in der Hoff­nung, dass all das nur ein schlech­ter Scherz sei, von ei­nem zum an­de­ren. Doch es stimm­te, und mir wa­ren in die­sem Mo­ment noch nicht ein­mal alle mög­li­chen Kon­se­quen­zen be­kannt.

      ›Was kann ich tun, um das Un­heil, dass ich an­ge­rich­tet habe, wie­der gutz­u­ma­chen?‹

      ›Du kannst und musst gar nichts un­ter­neh­men. Ich bin da­für ver­ant­wort­lich und wer­de auch da­für ge­ra­de­ste­hen.‹

      ›Aber ...‹, ich wur­de mit ei­ner weg­wi­schen­den Ges­te von Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga un­ter­bro­chen. ›Nicht jetzt und hier! Wir ge­hen zu­rück zum An­we­sen, und wenn der Fürst da ist, wird al­les wei­te­re be­spro­chen.‹

      Er wand­te sich noch ein­mal kurz an den Hol­län­der.

      ›Ich den­ke, al­les Not­wen­di­ge ist ge­sagt. Soll­te es Neu­ig­kei­ten ge­ben, wer­den wir Sie in­for­mie­ren.‹

      Cor­ne­lis van Neyen­ro­de nick­te zur Be­stä­ti­gung und sag­te be­drückt zu mir:

      ›So viel zu dem Ge­dan­ken, dass Sie hier si­che­rer sind als in Ih­rer Hei­mat. Ich hof­fe, es geht al­les gut aus und wir se­hen uns noch ein­mal wie­der.‹

      Er nick­te mir zu und ent­fern­te sich.

      Ich schau­te ihm hin­ter­her, und in mei­nem Kopf ging al­les wirr durch­ein­an­der. Doch Shi­ge­na­ga dräng­te zum Auf­bruch. Ich woll­te mit ihm über das Ge­sche­he­ne spre­chen, doch er wink­te nur mür­risch ab. Be­drückt folg­te ich ihm und hing, im Gäs­te­zim­mer sei­nes Hau­ses al­lein ge­las­sen, mei­nen Ge­dan­ken nach. Doch ich kam zu kei­nem Er­geb­nis. Ich ver­stand nicht ein­mal voll­stän­dig, was ei­gent­lich ge­sche­hen war. Um die­sen ziel­lo­sen Grü­beln zu ent­ge­hen, ver­senk­te ich mich in Me­di­ta­ti­on.

      Es war Abend ge­wor­den, als ich von Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga ab­ge­holt wur­de. Ohne dass er sich auf ein Ge­spräch ein­ließ, führ­te er mich zum Emp­fangs­raum des Fürs­ten. Als wir den Raum be­tre­ten hat­ten, be­deu­te­te er mir, dass ich war­ten soll­te, und ging al­lein nach vorn. Dort fiel er auf die Knie und sprach in trau­ri­gem, un­ter­wür­fi­gem Ton mit Date Ma­sa­mu­ne. Des­sen Mie­ne wur­de bei je­dem Wort erns­ter, und schließ­lich scheuch­te er ihn mit ei­ner un­wir­schen Hand­be­we­gung zur Sei­te und wink­te mich he­r­an.

      Nach­dem ich, wie ich es ge­lernt hat­te, nach vorn ge­kom­men war, über­setz­te Shi­ge­na­ga sei­ne Wor­te ohne mich da­bei an­zu­se­hen.

      ›Ich bin be­stürzt! Mein Die­ner hat kläg­lich ver­sagt, und er muss nun für sei­ne Feh­ler ge­ra­de­ste­hen! Ich bin sehr be­trübt, dass Sie we­gen die­ser Un­acht­sam­keit in Ge­fahr ge­kom­men sind. Aus die­sem Grund wer­de ich vor­läu­fig auch nicht er­lau­ben, dass Sie die­ses Ge­län­de ver­las­sen.‹

      Ab­wei­send hat­te er Shi­ge­na­ga be­ob­ach­tet, bis die­ser mit der Über­set­zung fer­tig war.

      ›Doch nun zu ei­nem wich­ti­ge­ren The­ma.‹

      Ich riss er­staunt die Au­gen auf. Was soll­te wich­ti­ger sein als das eben An­ge­spro­che­ne.

      ›Das Ge­spräch mit dem al­ten Sho­gun ver­lief so, wie Sie es er­war­tet ha­ben, und er war zu­frie­den mit dem Ver­lauf der Missi­on. Aber lei­der wur­de ich nach der Au­di­enz, als ich schon den Rück­weg an­tre­ten woll­te, von ei­nem Die­ner sei­nes Soh­nes ab­ge­fan­gen. To­ku­ga­wa Ie­mit­su hat­te er­fah­ren, dass ich zu­erst bei sei­nem Va­ter Be­richt er­stat­tet hat­te, und schä­um­te vor Wut. Er ließ eine an­de­re Au­di­enz ab­sa­gen, und ich muss­te so­fort bei ihm vor­spre­chen.‹

      Ich folg­te Ma­sa­mu­nes Wor­ten mit im­mer grö­ße­rem Un­be­ha­gen. Dass er jetzt über sol­che Din­ge spre­chen woll­te, konn­te ich nicht ver­ste­hen. Für mich war es viel wich­ti­ger, wie die miss­li­che Lage, in die mein Be­schüt­zer durch mich ge­kom­men war, ent­schärft wer­den konn­te. Ich muss­te al­ler­dings auf die Wün­sche des Fürs­ten ein­ge­hen, denn links und rechts an den Wän­den sa­ßen an­de­re Sa­mu­rai und ver­folg­ten das Ge­sche­hen.

      Ma­sa­mu­ne hat­te er­klärt, dass der am­tie­ren­de Sho­gun durch die Art des Be­rich­tes zwar be­sänf­tigt wur­de, doch das er of­fen Zwei­fel am Wahr­heits­ge­halt an­mel­de­te. Er zwei­fel­te die Kampf­taug­lich­keit der Shao­lin-Mön­che an, und das war schon fast eine Be­lei­di­gung des Dai­myo. Ir­gend­wie hat­te Ie­mit­su von mei­ner An­we­sen­heit er­fah­ren und woll­te, weil er mich für einen die­ser Mön­che hielt, eine Vor­füh­rung von mir ha­ben. Da ich aber Ma­sa­mu­nes Gast war, woll­te die­ser das nur zu­ge­ste­hen, wenn ich mich da­mit ein­ver­stan­den er­klär­te.

      Ich konn­te mir gar nicht vor­stel­len, dass er eine sol­che Wahl hat­te, und frag­te des­halb:

      ›Kön­nen Sie denn die­sen Wunsch ab­leh­nen?‹

      Kopf­schüt­telnd ant­wor­te­te er:

      ›Das ist kein Wunsch, das ist eine Auf­for­de­rung, der ich ei­gent­lich nach­kom­men muss. Da Sie aber mein Gast sind, bin ich nicht be­reit, es ohne Ihr Ein­ver­ständ­nis zu­zu­las­sen, egal, was für Kon­se­quen­zen es hat.‹

      Na pri­ma, er sag­te, er wol­le es nicht zu­las­sen, wenn ich nicht will, und setz­te mich gleich­zei­tig un­ter Druck, in­dem er mir kund­tat, dass es Kon­se­quen­zen für ihn ha­ben wür­de. Au­ßer­dem nahm ich Bil­der aus Shi­ge­na­gas Ge­dan­ken wahr, die mich be­ängs­tig­ten. Wie ich er­kann­te, sah er sich schon in einen Schwert­kampf mit dem Po­li­zei­prä­fek­ten ver­wi­ckelt, dem er sich of­fen­kun­dig un­ter­le­gen fühl­te.

      Nach­denk­lich senk­te ich den Kopf und such­te nach ei­ner Lö­sung aus die­sem Di­lem­ma. Eine Be­we­gung des Fürs­ten ver­an­lass­te mich, hoch­zu­schau­en, und ich be­merk­te sei­ne Un­ge­duld. Ich hol­te schon Luft, um mein Ein­ver­ständ­nis zu die­ser Schau­stel­lung zu ge­ben, als mir ein Ge­dan­ke kam. Ein kur­zer Blick in Shi­ge­na­gas be­drück­tes Ge­sicht, und ich wuss­te, was zu tun war.

      ›Wie se­hen die Fol­gen aus, die Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga we­gen mei­ner Un­acht­sam­keit zu er­war­ten hat?‹

      Stil­le! Mein Be­schüt­zer wag­te es nicht, das zu über­set­zen, und schau­te mich be­stürzt an.

      ›Über­setz es bit­te.‹

      Er schwieg im­mer noch.

      ›Kei­ne