Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738074062
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Helm un­ter dem Kinn be­fes­tig­te war, so dass er nur noch von dem Haar­zopf ge­hal­ten wur­de, der durch das Loch in der Mit­te des Helms ge­zo­gen war. Er rutsch­te im­mer wie­der ins Ge­sicht, und die Halb­mas­ke ver­deck­te die Au­gen. Wenn er die nicht ge­tra­gen hät­te, hät­te ich die­sen Schnitt nicht ge­wagt, denn eine Ver­let­zung des Ge­sich­tes woll­te ich auf kei­nen Fall pro­vo­zie­ren. Doch da die Schnur über die Halb­mas­ke ge­zo­gen war, hat­te ich nur auf die­ser einen star­ken Krat­zer hin­ter­las­sen.

      Schwer at­mend stand er vor mir. Ihm war mit Si­cher­heit klar, dass er aus die­sem Du­ell nicht mehr sieg­reich her­vor­ge­hen konn­te, aber ein­ge­ste­hen woll­te er es nicht. Um ihm die Ent­schei­dung ab­zu­neh­men, trat ich drei Schrit­te zu­rück, senk­te das Schwert und neig­te den Kopf.

      Es war für ihn ein Di­lem­ma, denn er hat­te mich züch­ti­gen wol­len, weil ich es ihm ge­gen­über an Re­spekt hat­te feh­len las­sen und nun war ihm die nächs­te Schmach zu­ge­fügt wor­den. Er, ein Meis­ter des Schwert­kamp­fes, muss­te sich ein­ge­ste­hen, dass mei­ne An­grif­fe auch an­de­re Fol­gen hät­ten ha­ben kön­nen. Wenn er sich jetzt ge­schla­gen gab, war sei­ne Ehre noch mehr be­fleckt.

      Doch nun tat Date Ma­sa­mu­ne, was wir vor­her ab­ge­spro­chen hat­ten. Er wand­te sich mit der Bit­te, et­was sa­gen zu dür­fen, an den Sho­gun. Nach­dem er die Er­laub­nis er­hal­ten hat­te, stand er auf, trat an Sa­na­da Ma­sa­no­ri he­r­an und sag­te so laut, dass alle es hö­ren konn­ten:

      ›Met­su­ke Sa­na­da Ma­sa­no­ri, es ist kei­ne Schan­de, die­sem Mann un­ter­le­gen zu sein. Er ist ein Groß­meis­ter der chi­ne­si­schen Ya­ma­bus­hi und in vie­len Kampf­ar­ten be­wan­dert. Er hat mir und mei­nen Die­nern das Le­ben ge­ret­tet, und ich bin ihm ver­pflich­tet, wes­halb ich ihn in un­ser Land ein­lud. Lei­der ha­ben ich und auch Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga ver­sagt, denn wir ha­ben ihn nicht ge­nü­gend mit un­se­ren Sit­ten und Ge­bräu­chen ver­traut ge­macht. Also trifft uns die Schuld an sei­nem un­höf­li­chen Ver­hal­ten. Wir müss­ten dir Ge­nug­tu­ung ge­ben, doch das ver­wei­ger­te er uns. Bei ei­nem Ge­spräch vor die­sem Kampf teil­te er mir mit, wie sehr er sein Fehl­ver­hal­ten be­dau­ert und dass er nichts sehn­li­cher wünscht, als die­se Schmach zu til­gen.‹

      Er wand­te sich kurz mir zu und gab mir da­mit ein ver­ab­re­de­tes Zei­chen.

      ›Wenn­gleich es sei­ne Ehre nicht zu­lässt, sich schwä­cher zu zei­gen, als er ist, wird er sich dei­ner Gna­de oder Un­gna­de un­ter­wer­fen.‹

      Bei die­sen Wor­ten hat­te ich mich auf mein lin­kes Knie her­ab­ge­las­sen, das Schwert ne­ben mein an­ge­win­kel­tes rech­tes Bein auf den Bo­den ge­legt und mei­nen Kopf ge­senkt. In die­ser Stel­lung war­te­te ich auf sei­ne Ent­schei­dung, denn der Dai­myo mein­te, er kön­ne nichts an­de­res mehr tun, als die Sa­che fried­lich bei­zu­le­gen. Da der Fürst in­des nichts dem Zu­fall über­las­sen woll­te, hat­te er noch ein paar Fä­den ge­zo­gen.

      Die Ent­schei­dung fiel dem Met­su­ke nicht leicht, denn er emp­fand es als be­schä­mend, ei­nem wie mir so of­fen­sicht­lich un­ter­le­gen zu sein. Auf der an­de­ren Sei­te wäre es nicht mehr eh­ren­voll ge­we­sen, mich in die­ser Si­tua­ti­on zu züch­ti­gen. Die Zeit ver­rann, und un­schlüs­sig schau­te er auf mich her­ab. Aus den Au­gen­win­keln konn­te ich se­hen, dass sich To­ku­ga­wa Hi­de­ta­da zu sei­nem Sohn hin­über­beug­te und ihm et­was zu­raun­te. Un­wil­lig sah der Sho­gun sei­nen Va­ter an, er­hob sich je­doch und for­der­te die Auf­merk­sam­keit al­ler An­we­sen­den.

      Es wa­ren nur we­ni­ge Sät­ze, die er sprach, doch in sei­ner Stim­me lag et­was Be­stim­men­des. Als er ge­en­det hat­te, schau­te er fra­gend zu dem Met­su­ke. Der ver­neig­te sich tief vor ihm, dreh­te sich um, kam auf mich zu und for­der­te mich mit ei­ner Ges­te zum Auf­ste­hen auf. Als ich mich lang­sam, das Schwert lie­gen­las­send, er­ho­ben hat­te, schau­te er sich kurz um und rief Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga he­r­an, mit dem er ein paar Wor­te wech­sel­te, die Shi­ge­na­ga über­setz­te:

      ›Sa­na­da Ma­sa­no­ri hat mich ge­fragt, ob du ver­stan­den hast, was der Sho­gun ge­sagt hat?‹

      ›Nein.‹

      ›Das sag­te ich ihm auch schon, da du erst ei­ni­ge we­ni­ge Wor­te un­se­rer Spra­che ver­stehst. Des­halb soll ich dir das Ge­sag­te über­set­zen.‹

      Er mach­te eine kur­ze Pau­se und ver­neig­te sich leicht in Rich­tung des Sho­gun.

      ›To­ku­ga­wa Ie­mit­su hat den Met­su­ke auf­ge­for­dert, die Strei­tig­kei­ten mit dir bei­zu­le­gen. Er sag­te, für ihn sehe es so aus, als wür­de dei­ne ver­meint­li­che Un­höf­lich­keit auf zwei Miss­ver­ständ­nis­sen be­ru­hen. Zum einen, weil Sa­na­da Ma­sa­no­ri an­nahm, dass du mit un­se­ren Um­gangs­for­men ver­traut seist, und zum an­de­ren, weil du nach dei­nem äu­ße­ren Er­schei­nungs­bild an­schei­nend im Rang weit un­ter ihm stehst. Na­tür­lich schützt Un­wis­sen­heit nicht vor Stra­fe. Da du aber ein Gast von Date Ma­sa­mu­ne bist und er die Ver­ant­wor­tung über­nom­men hat, wünscht er eine fried­li­che Bei­le­gung des Kon­flikts. Au­ßer­dem wur­de ihm be­rich­tet, du seist so et­was wie ein Ge­ne­ral.‹

      Er­staunt zog ich die Brau­en hoch, doch Shi­ge­na­ga gab mir mit den Au­gen einen Wink und fuhr fort:

      ›Was ja be­deu­ten wür­de, dass ihr bei­de in etwa den glei­chen Rang habt, wes­halb die Höf­lich­keits­for­men dei­ner­seits gar nicht so hät­ten aus­fal­len müs­sen, wie er es er­war­tet hat­te.‹

      Er deu­te­te nun auf mei­nen Geg­ner und über­setz­te, was die­ser dazu ge­sagt hat­te.

      ›Sa­na­da Ma­sa­no­ri hat er­kannt, dass du ein großer Bus­hi bist, und er ist sehr be­ein­druckt von dei­nen Fä­hig­kei­ten. Aus die­sem Grund und na­tür­lich weil der Sho­gun es so wünscht, wird er da­mit die­se un­glück­li­che Be­geg­nung als ver­ges­sen be­trach­ten. Doch er stellt eine Be­din­gung!‹

      Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga hol­te tief Luft und sah mir un­si­cher in die Au­gen.

      ›Er möch­te mehr über dei­ne Art zu kämp­fen er­fah­ren. Aus die­sem Grund wünscht er, dass wei­te­re Tref­fen statt­fin­den, in de­nen du ihn un­ter­weist.‹

      Das ge­fiel mir nicht so sehr, denn ich wuss­te ja nicht, was dar­aus ent­ste­hen wür­de. An­de­rer­seits war es in die­sem Mo­ment kaum mög­lich, ab­zu­leh­nen, ohne ihn schon wie­der zu be­lei­di­gen. Des­halb ver­such­te ich es mit ei­nem Kom­pro­miss.

      ›Ich wer­de sei­nem Wunsch na­tür­lich nach­kom­men, doch der Met­su­ke soll­te eins be­den­ken. Um den Stand der Kampf­fer­tig­kei­ten zu er­rei­chen, den ich jetzt habe, muss­te ich acht Jah­re lang täg­lich von mor­gens bis abends trai­nie­ren. Es gab in die­ser Zeit nur we­ni­ge Tage, an de­nen das Trai­ning aus­fiel, und vie­le an­de­re er­rei­chen die­sen Stand nie oder erst nach vie­len Jah­ren.‹

      Shi­ge­na­ga über­setz­te syn­chron, was ich ge­sagt hat­te, und ich konn­te be­ob­ach­ten, wie sich die Mie­ne von Ma­sa­no­ri wan­del­te, erst ins Är­ger­li­che, dann ins In­ter­es­sier­te und schließ­lich in ein Lä­cheln.

      ›Ich mer­ke schon, es gibt viel zu er­fah­ren und zu ler­nen, auch wenn ich Ihre Kampf­fer­tig­keit viel­leicht nie­mals er­lan­ge.‹

      In sei­ner Mie­ne war der Schalk