Ein Hauch von Optimismus war jedoch noch in mir und ich war mir der Verantwortung für meine kleine Familie bewusst und ich hatte die Fünfzig noch nicht überschritten, ich besorgte mir bei der Gemeindeverwaltung einen Gewerbeschein für einen Metallverarbeitenden Betrieb, mein letzter Startversuch in eine Ost-Deutsche Karriere?
Auch dieser Anfang war schwer, von alleine nahm keiner Notiz von diesem neugegründeten Betrieb, also zuerst Anzeigen schalten, Flyer drucken und verteilen, dann geduldiges Warten …
Die ersten Aufträge flatterten sprichwörtlich in unser Büro, von der vereinbarten Anzahlung wurde das Material eingekauft, Fertigungs-Maschinen waren wirklich Mangelware, bis auf einige elektrische Handwerksmaschinen, besaß mein kleines Einmannunternehmen nichts, rein gar nichts!
Ich hatte wirklich einen Handwerksbetrieb, aber dieser kleine Betrieb florierte immer besser, ich nahm jeden Auftrag an und wickelte den zu aller Zufriedenheit ab, die Kunden zahlten und Geld wurde wieder in unsere Kasse gespült. Es ging langsam wieder aufwärts, wir hatten endlich wieder Geld zum Leben oder besser zum Überleben.
Meine Frau half mir des Öfteren auf den Baustellen aus, wenn Not am Mann war und ein Handlanger benötigt wurde, sie war sich in dieser Zeit für keine Arbeit zu schade.
Ich verkaufte und montierte Türen, Fenster, Markisen und Sonnenschutz, fertigte kleine Sonderkonstruktionen in unserer Doppelgarage an und montierte Vordächer, Gartentore und Zaunanlagen.
Die körperliche Arbeit, die ich in dieser Form nur beim Hausbau kannte, sowie der gesamte „Bürokram“ wie Auftrags-Disposition, Material-Einkauf, Kundenbesuche, Angebots- und Rechnungsstellung und vieles mehr, bescheinigten mir ganz locker einen Arbeitstag von achtzehn Stunden.
Ich kam des Öfteren erschöpft und ausgelaugt nach Hause, innerlich zwar zufrieden, äußerlich jedoch nur noch der Wunsch, sich ausruhen zu dürfen.
Nur nicht jeder versteht dieses Wunschbedürfnis. Von Samantha und meiner Frau bekam ich unter der Woche nicht viel zu sehen, das Wochenende war jedoch heilig, zumindest der Sonntag. Nach dem Ausschlafen und dem Herumtoben im Bett mit der Familie, ging es zwanglos zum Frühstück über, endlich Zeit für die Familie.
Aber es kam wie es kommen musste …
… meine „verständnisvolle“ Ehefrau war nun Vieles zu viel geworden, sie fühlte sich vernachlässigt, unverstanden, hatte keine Lust mehr auf einige Dinge zu verzichten, die wir bei unserem Kennenlernen in vollen Zügen genossen hatten.
Nun hatte ich wieder einmal die Ar … karte gezogen.
Von dem sauer verdienten Geld und dem Gefühl, unsere Ehe retten zu müssen, so hatten wir einen vierzehntägigen Urlaub auf den Kanarischen Inseln gebucht.
Später dachte ich mir jedoch, dass das benötigte Geld besser in dem kleinen Unternehmen angelegt gewesen wäre …
Aber wir wollten wieder einmal nur für uns Drei da sein, Zeit haben, etwas gemeinsames unternehmen, was uns wieder ein Stück weiter nach Vorne bringen sollte, ein schöner Gedanke?
Ich hatte wieder einmal die Rechnung ohne meine „selbstlose“ Frau gemacht, sie hatte ihre Bekannte, unser ehemaliges Kindermädchen samt Ehemann überzeugt, mit uns in den Urlaub zu fliegen, SUPER!
Mir ging dieser Vorschlag, der bereits beschlossene Sache war, so gegen den Strich, das ich am liebsten den Urlaub gekänzelt hätte, aber dann waren die horrenden Stornierungs-Gebühren, die mich davon abhielten. Warum mussten wir immer Jemanden um uns herum haben, warum gab es keine Zwei- oder Dreisamkeit? Ich hasste es, in der Freizeit stets meinen Tagesablauf mit fremden Menschen abzustimmen, obwohl hier überhaupt keine Veranlassung bestand und wir in den letzten Monaten genügend eigene Probleme hatten.
Dieser Urlaub ging ohne große Problem-Bewältigung in den schon bekannten Alltag über, nach der „gefrusteten“ Rückkehr. In unserer Beziehung war der „Wurm“ drin, es gab keine Gemeinsamkeiten mehr, Madame zog sich in ihr Schneckenhaus zurück und die kommenden Wochenenden verliefen sehr eintönig. Das sonntägliche Herumtollen im Bett fiel dem Rotstift zum Opfer, Madame schmollte, lehnte jede „Dreisamkeit“ mit unserem Kind ab und war nicht ansprechbar, die Schwiegereltern wurden stets mit vagen Ausreden abgewimmelt und Papa und Samantha unternahmen Kind gerechte Ausflüge an die umliegenden Seen oder in die Streicheltier-Gehege.
Wir hatten Steine ins Wasser geworfen, auch kleine Stöckchen-Schiffe auf die Reise geschickt, Samantha hatten diese Ausflüge sichtlich Freude bereitet. Auf der Heimfahrt schlief mein kleiner Liebling stets vor Erschöpfung und von der frischen Luft in der freien Natur, ein. Bei einen unserer Ausflüge kamen wir zu einem privaten Kleintierzoo mit vielen gefräßigen Ziegen, diese Tiere bekamen von dem gekauften Tütenfutter überhaupt nicht genug, unsere Hände konnten wir gar nicht so hoch halten, denn diese Tiere schienen überall hin zu kommen und Samantha hatte ihre helle Freude an diesen Vielfraßen.
Etwas abgelegen waren in einem großen Gehege alle Sorten von Meerschweinchen untergebracht, hier herrschte genüssliche Stille zum Verweilen, gleich daneben waren die Kaninchen und einige hatten sich schon einen Tunnel zu den Meerschweinchen gebuddelt, um deren Futter zu stibitzen oder vielleicht auch etwas mehr „Unterhaltung“ zu haben?
Am Besten war jedoch „Fips“ der Affe, vor diesem Spaßmacher wurde schon am Eingang gewarnt, denn dieser „Bursche“ stahl mit Vorliebe Hüte, Brillen und die Hand-Taschen der weiblichen Besucher und stets schlich sich dieser Affe heimlich an, er kam aus dem Nichts! Auch wir wurden einmal von ihm überrascht, aber er konnte Papas Brille nicht abgreifen. Dieses Kapuziner-Äffchen war dem Zoobetreiber einst entwischt und „erfreute“ die Zoobesucher mit seinen Raub-Zügen.
Unser Zusammenleben im Haus war im Lauf des Jahres auch wieder ruhiger geworden, man gewöhnte sich an alles oder man nimmt es nicht mehr bewusst wahr. Samanthas Patentante hatte uns nach einigen Wochen verlassen und sich eine eigene Wohnung, hoch oben unter dem Dach, im Nachbarort angemietet, denn irgendwie klebten diese beiden Frauen zusammen wie Pech und Schwefel. Diese Frau mit Kind war von eher ein „Eigenbrötler“ und wollte sicherlich wieder Abstand von „so viel Familie“ haben.
Irgendwie sollte sie und ihr Baby mir doch auch fehlen, ich hatte mich sehr an diese ungewollte Zweckgemeinschaft gewöhnt. Die abendlichen Gespräche, das Babygeschrei, der morgendliche Kampf um das Bad, es war nun mit einem Schlag, wie ausgelöscht, nicht mehr vorhanden, es herrschte unsere triste Ruhe im Salon. Meine Frau brödelte still vor sich hin, war in sich gekehrt, redete wenig und ihre Laune war auch schon mal besser gewesen, dazu der viele Zigaretten-Konsum, kurz es stank im gesamten Haus und die ursprüngliche rauchfreie Zone war schon seit der Geburtstagsfeier abhanden gekommen. Raucher und Hundebesitzer sind die größten Egoisten, die ich in meinem Leben kennen gelernt hatte.
Der tief graue Alltag hatte seine Schatten über uns herab gesenkt …
Das Ladengeschäft meiner Frau erlebte den dritten Umzug, dieses Mal jedoch zurück in die erste Reihe der gut frequentierten Hauptstraße, aber die Zeiten für den Einkauf von „unnützen“ Accessoires standen schlecht, es änderte sich nicht viel an der Kassen- und Lebens-Aufheiterung bei meiner Frau, ihr Seelenleben war an einem Tiefpunkt angekommen. Ich hatte die kompletten Regaleinbauten und Ausbaukosten von meinen Einnahmen bestritten, in der Hoffnung auch wieder privat ein Stück Nähe zu gewinnen. Ein Hoffnungsschimmer waren die Zusatz-Geschäfte zu Ostern und zu Weihnachten, aber dies war leider nicht genug, wir waren ja im Armenhaus der Nation, wo die Menschen nicht vom Handwerk, sondern von Dienstleistungen lebten und zwanzig Prozent von der staatlichen Stütze.
Im Laufe des Jahres beschloss meine Frau das Ladenlokal zu schließen, der Ausverkauf wurde abgewickelt und der Rest verramscht, die bereits aufgelaufenen Mietschulden konnten mit dem Vermieter in beiderseitigem Einvernehmen,