Zu seiner Ehrenrettung muss ich jedoch erwähnen, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm aufgebaut hatte, ich versuchte ihm Aufmerksamkeit zu vermitteln, ihm das Gefühl zu geben, dass auch er wichtig sei. Ich war sein Hauptgesprächs-Partner geworden, aber auch stiller Zuhörer bei all seinen sonntäglichen Besuchen, pünktlich um zwei Uhr Nachmittags in unserem Haus, am Golfplatz vor den Toren der Großstadt und das hauseigene „Katzenvieh“ wurde stets im Raubtierkäfig mitgeführt.
Diese Familie hatte mir von Anfang an schon sehr viele Rätsel aufgegeben …
Meine Braut hatte als junges Mädchen ein Kind ausgetragen, sie war bereits Mutter.
Es war ein Junge, nennen wir ihn Ralf, dieser Knabe kam mit einer Gaumenspalte und einer offenen Bauchdecke auf die Welt. Die ersten Lebensmonate verbrachte dieses arme Geschöpf ausschließlich im Krankenhaus, ohne Liebe und ohne Zärtlichkeiten. Einige Operationen musste er in seinem noch so jungen Leben über sich ergehen lassen. Der leibliche Vater wollte von seinem „Familienversuch“ nichts wissen und kümmerte sich weder um seinen Sohn noch um dessen Mutter.
Viele Jahre später erzählte meine Frau dann vor dem Familiengericht in einer selbst verschönernden Ansprache: „… aus diesem eheähnlichen Verhältnis ging mein Sohn Ralf hervor …“ , bei dieser Frau war schon alles irgendwie eine Ansichtssache und der Richter glaubte es ihr …
Schöne Geschichten konnte meine Frau stets zum Besten geben, ich hatte manchmal das Gefühl, dass sie diese Geschichten in ihrer aufgebauten Scheinwelt, sogar selbst glaubte, denn rot geworden war sie eigentlich nie?
Ich war mir schon sehr sicher, dass sie sich in ihrer nicht reellen Welt geborgen fühlte.
Ihr Sohn Ralf wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur Adoption, von ihr freigegeben. Das eheähnliche Verhältnis war somit beendet, die elterliche Unterstützung fehlte komplett und die junge Frau war ihre Verantwortung los, so schnell kann man den Versuch einer Familiengründung vergessen, es blieb nur ein junger Mensch auf der Strecke …
Später als wir schon zusammen wohnten, musste ich auch einige Male ihre „Kälte“ mit erleben, sei es das ihre Katze von Heute auf Morgen weggegeben wurde oder das in unserer Ehe ohne Ankündigung der liebgewonnene Hund, bei fremden Menschen ein neues Zuhause bekam.
Eine Ankündigung oder ein Gespräch im Vorfeld fand leider nie statt, stets wurde von ihrer Seite eine vollendete Tatsache geschaffen, immer nach dem Motto: „Friss Vogel oder stirb …“. In einigen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester und mit ihr selbst wollte ich heraus finden, warum eine junge Frau, ihr „eigen Fleisch und Blut“, wie ein altes Kleidungsstück weg gab?
Eine für mich verständliche und tiefgründige Antwort hatte ich von keiner der drei Frauen erhalten, Ausreden gab es genügend, aber schlüssig war keine der gegebenen Antworten.
Dieses Handeln stellte mein Bild einer intakten Familie sehr weit ins Abseits. Ihre Familie entschuldigte sich mit der pauschalen Begründung, dass das junge Mädchen, meine Frau, damals überfordert war, weil der Kindesvater nichts von seinem „eheähnlichen Verhältnis“ wissen wollte und sie selber für sich sorgen musste. Auf meine gut gemeinte Frage, warum kein Familien-Mitglied der jungen Frau unter die Arme gegriffen hatte, ihr Hilfe anbot oder das Kind in seine Obhut genommen hatte, darauf gab es keine Antworten, nein, es herrschte nur ein verwunderliches Staunen.
Ich konnte diese Familie in dieser Hinsicht nicht verstehen, dass man sein eigenes Kind, sein Enkelkind, seinen Neffen so mir nichts, dir nichts aus seinem Leben verschwinden lässt, als hätte es dieses Lebewesen von Baby, nie gegeben?
Dieser Vorfall beschäftigte mich noch sehr lange, ich überdachte meine noch so junge Beziehung, sollte die von einem Happy-End beschieden sein und sollte die auch als Flop enden? Aber vielleicht würde unsere gemeinsam geplante Zukunft, all diese Fragen beantworten?
Nach der Trennung vom Kindesvater zog Mutter und Kind in die Großstadt zurück, in Folge eines schweren Motorrad-Unfalls war sie kaum in der Lage, für sich selbst und den Jungen zu sorgen. Der Junge kam deshalb zu Pflegeeltern, von denen er auch später adoptiert wurde.
Der „Unfall“ war entsorgt …
… übrigens der Motorrad-Unfall hatte mit der Kindes-Weggabe nichts zu tun, wie meine Frau mir später schilderte, aber diese dargelegte Version hörte sich viel mitfühlender an, als die gnadenlose Weggabe ihres Kindes …
IV
IV
I n diesem Jahr wurden wir schwer auf die Probe gestellt. Die Firma in Bayern, an der wir Beide mit der Hälfte beteiligt waren, ging das Umlauf-Kapital aus. Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand, sprich der Gemeinden und Städte, ließ weiter sehr zu wünschen übrig.
Anfang des neuen Jahres bin ich als Mitgeschäftsführer in das Unternehmen mit eingestiegen, mein Arbeitsplatz war nun fernab meiner kleinen Familie. Obwohl ich nun vor Ort als Chef fungierte und den Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite stand, so konnte das angeschlagene Schiff nicht wieder auf Kurs gebracht werden. Wir probierten alles was möglich war, setzten die Teilhaber-Gehälter herunter, nur um die Mitarbeiter und die offenen Rechnungen zu bezahlen. Wir versuchten die Intensität der Bearbeitung zu optimieren, bessere Konditionen in den Auftrags-Verhandlungen zu erreichen, aber wir stießen immer an irgendwelche starre Barrieren, es war zum Verzweifeln. Es änderte nichts an der Tatsache, diese Firma war nicht mehr zu retten, die Außenstände waren zu groß, der Girorahmen war mit Bürgschaften überladen und die Banken forderten neue Sicherheiten, woher nehmen und nicht stehlen? Das Ende vom Lied, die offenen Rechnungen häuften sich und die Mitarbeiter hatten sich auch schon innerlich von ihrer Firma verabschiedet, da die ehemalige Ehefrau und Witwe des verstorbenen Firmengründers, sich nur noch um ihr angeschlagenes Liebesleben kümmerte. Das Firmeninteresse hatte nicht mehr den Stellenwert bei dieser Frau, den es eigentlich in dieser Krise haben sollte. Das Überleben dieses Mittelbetriebes mit den fünfunddreißig Mitarbeitern war sehr in den Hintergrund getreten. Die „Dame“ des Hauses pflegte viel lieber ein sündiges Verhältnis mit einem Autohaus-Besitzer, wobei die hintergangene Ehefrau, die Hand auf dem Firmenkapital hielt. Der gesamte Ort, so wie dies in Bayern üblich war, zerriss sich darüber das „Maul“ über diese Liebschaft, was wiederum auch nicht gerade werbewirksam für unseren Betrieb war.
Es kam wie es kommen musste, der schwere Gang zum Amtsgericht, Abteilung Konkurs-Gericht sollte eingeschlagen werden, diesen Weg bin ich jedoch nicht mehr mitgegangen, wofür hat man seine Mitgesellschafter, die das Übel seit der Neuausrichtung nicht in den Griff bekamen.
Später erfuhren wir von der Konkursanmeldung der Mitgeschäftsführer, die jedoch schon Tage vorher, hinter unseren Rücken und ohne Absprache, diesen Schritt vollzogen hatten, es war auch nicht die feine Art …
Wir als leitende Angestellten, hatten schon auf zwei Monatsgehälter verzichtet und die beiden Großbanken standen sofort mit ihren Rückforderungen vor der Tür, da wir als Gesellschafter die Bürgschaften privatrechtlich unterschrieben hatten.
Nicht in den dunkelsten Träumen hätten wir uns diese nun eingetretene Situation vorstellen können, das nun sehr wacklige „Fertighaus“, aus der Rede unserer Standesbeamtin, schien einzustürzen …
Wo war unser Fehler, wir waren doch immer sehr sorgfältig, nie leichtsinnig mit unserem Geld umgegangen?
Hatten wir zu „blauäugig“ dem örtlichen Steuerberater vertraut? Die Zahlen waren nicht Himmelhoch jauchzend, aber auch nicht schlecht, die Forderungs-Aufstellungen realistisch und dazu die öffentlichen Auftraggeber, die normaler Weise irgendwann, die längst fälligen Rechnungen bezahlen sollten, ließen uns am ausgestreckten Arm verhungern …
… und nun hatten wir auch privat den kompletten Scherbenhaufen und dazu keine Einnahmen.
Meine Frau besaß zwar noch ihr Ladengeschäft im Hinterhof dieser sogenannten Einkaufs-Passage, aber die spärlichen Einnahmen