Herzstolpern. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753192536
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sieht mich von der Haustür aus auffordernd an. Ich seufze missmutig. Mein Blick wandert das kleine Reihenhäuschen auf und ab, das ab sofort auf unbestimmte Zeit mein Zuhause sein wird, dann setze ich mich in Bewegung.

      Drinnen gibt es den unvermeidlichen Tee. Tee scheint für Erwachsene in jeder Lebenslage die richtige Lösung zu sein, was für mich überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Immer und überall gibt es ihn. Wenn eine schwierige Situation zu meistern ist, wird zunächst eine Tasse Tee aufgebrüht und während einer Diskussion ist der Lieblingssatz aller Erwachsenen meines Erachtens: „Lasst uns doch bei einer schönen Tasse Tee darüber reden.“ Als hätte die schon jemals irgendeine Lösung gebracht. Ich habe noch nie davon gehört, aber trotzdem schwören alle darauf.

      Ich setze mich an den klobigen Esstisch aus dunklem Holz, der in dem kleinen Erker fast überdimensioniert wirkt und sehe mich um. Alles in diesem Haus scheint alt und reichlich ramponiert zu sein. Fast erwarte ich, dass auf dem durchgesessenen Sofa zehn Katzen liegen, denn alles wirkt genauso, wie ich mir das Heim einer alten, schrulligen, alleinstehenden Lehrerin mit tausend Katzen vorstelle.

      „Hi, ich bin Lauren.“

      Gut, sie ist keine alte Lehrerin. Aber definitiv alleinstehend und vielleicht auch schrullig.

      „Hast du Katzen?“

      „Äh… Nein. Nicht, dass ich wüsste. Vielleicht ist mir in den letzten zehn Minuten eine zugelaufen, da war ich abgelenkt, aber falls dem nicht so sein sollte, dann habe ich keine.“

      Sie lächelt dabei nicht, sondern runzelt nur zerstreut die Stirn. Dennoch finde ich Lauren gegen meinen Willen ein bisschen witzig.

      „Darf ich mich zu dir setzen?“, fragt sie, dabei ist es doch ihr Haus und ihr Esstisch.

      „Tu dir keinen Zwang an.“

      „Charlotte!“, ermahnt mich Mum streng. „Sei etwas höflicher zu Lauren.“

      „Schon gut.“ Lauren lässt sich auf den freien Platz neben mir sinken. Als sie die Hand nach der Teekanne ausstreckt, bemerke ich, dass sie zittert.

      „Ich mache das schon.“ Tante Jean schnappt so schnell nach der Kanne wie ein Piranha nach einem Happen Fleisch. Sie steht, während alle anderen sitzen, bedient einen nach dem anderen, als wäre sie die Gastgeberin. „Es ist so schön, euch alle mal hier zu haben. Lauren, Liz, ihr habt euch sicher schon ewig nicht mehr gesehen.“

      „Seit deinem 50. Geburtstag nicht mehr, Mum, das weißt du doch.“

      „Ach stimmt, du erwähntest so etwas.“

      Endlich setzt sich auch Tante Jean, ihr Stuhl ächzt und wackelt, obwohl sie wirklich alles andere als dick ist.

      „Das ist der Stuhl, der schon ziemlich kaputt ist, Mum.“ Lauren springt auf. „Wir können tauschen, wenn du willst.“

      „Nein, nein.“ Tante Jean fuchtelt abwehrend mit der Hand. „Mir macht das gar nichts aus, auf diesem Stuhl zu sitzen.“

      Dabei wirft sie Lauren einen solch anklagenden Blick zu, dass allen hier Versammelten klar ist, dass dem nicht so ist. Langsam bilden sich rote Flecken auf dem Dekolleté von Mums Cousine, sodass ihr Hautton sich ihrem hummerfarbenen Shirt anpasst, das sich ohnehin fürchterlich mit ihrer Haarfarbe beißt. Das hier verspricht richtig interessant zu werden.

      „Ich bin dir so dankbar für das, was du für uns tust.“ Mum ergreift Laurens Hand, woraufhin diese noch mehr Hektikflecken bekommt. Gut, vielleicht steht sie genauso wenig auf Körperkontakt wie ich. Dann werden wir uns wenigstens in der Hinsicht gut verstehen.

      „Das ist schon in Ordnung“, murmelt sie bloß.

      „Du hast Charlotte sicher bereits in deiner Schule eingeschrieben, sodass sie gleich am Montag mit dir mitgehen kann“, mischt sich nun wieder Tante Jean ein.

      „Ich… äh…“ Lauren stockt, dann räuspert sie sich. „Ich dachte, dass es sich doch gar nicht lohnt, für zwei Wochen noch in die Schule zu gehen. Das Schuljahr endet bereits am 28. Juni. Und Charlotte findet sicher leichter in die Klasse, wenn sie Mitte August startet und wir einfach sagen, sie ist über die Ferien zugezogen. Es gibt weniger peinliche Fragen.“

      „Oh.“ Ich sehe Tante Jean an, dass ihr das nicht ganz passt, aber sie kann sich der Logik nicht entziehen.

      Auch Mum und Dad wechseln einen raschen, unsicheren Blick, nicken dann aber zustimmend.

      „Das ist aus pädagogischer Sicht vermutlich richtig“, meint Dad, dabei reibt er unsicher über sein Kinn.

      „Das klingt sehr vernünftig, Lauren“, bestätigt auch Mum. „Auch wenn es sicher trotzdem Fragen geben wird, warum ein junges Mädchen zu einer entfernten Verwandten zieht. Und die Schulleitung wird doch sicherlich von dem Schulverweis der Gosforth Academy wissen.“

      „Sicher, aber das regele ich schon mit der Direktorin, sodass die Mitschüler nichts davon erfahren müssen.“ Lauren lächelt. Ein nettes, freundliches Lächeln, das Mum sofort beruhigt. Aber ihre Augen flackern unruhig.

      Auch Dad seufzt erleichtert, dabei hätte ich wetten mögen, dass es ihm egal ist, wie es mir auf der neuen Schule geht. Und auch mich durchströmt eine gewisse Erleichterung, dass ich mir um die Schule die nächsten zwei Monate keine Gedanken machen muss. Vor allem nicht über irgendwelche nervigen Mitschüler.

      „Vielleicht kann sie ja ein paar Sommerkurse besuchen“, schlägt Tante Jean munter vor. Sie strahlt über das ganze Gesicht ob ihrer guten Idee.

      Herrgott, kann sie nicht endlich den Mund halten? Wer ist sie eigentlich, dass sie sich dauernd in unsere Familie einmischt?

      „Sommerkurse gibt es an der Portobello High School nicht“, beeilt sich Lauren zu sagen, als sie meinen Blick auffängt. „So etwas machen nur Universitäten, Mum.“

      „Wirklich? Ich meine, davon schon gehört zu haben.“ Etwas verwirrt schüttelt sie die blondgefärbten Haare, die fast denselben Ton haben wie Mums.

      „Vermutlich in einem dieser amerikanischen Highschool-Filme, die du seit neuestem auf Netflix anschaust“, wirft Onkel Allan ein. Seinem Tonfall ist deutlich anzuhören, was er davon hält, nämlich gar nichts.

      Oh Gott, sie ist wirklich ein Klon von Mum. Oder eher umgekehrt angesichts des Alters. Die guckt sich diesen Schrott nämlich auch regelmäßig an und will dann immer, dass ich mir die Filme auch ansehe. Als wenn mich die Pubertätsprobleme anderer interessieren würde. Ich habe genug eigene.

      „Ich liebe diese Filme auch“, meldet sich Mum natürlich prompt zu Wort und schon ist sie mit Tante Jean in eine Diskussion darüber verwickelt, welchen sie am besten finden. Es ist, als wollten sie unbedingt die Fassade eines netten Familientreffens aufrecht erhalten.

      „Diese Eigenproduktionen von Netflix finde ich ja nicht so gut.“

      „Da stimme ich dir vollkommen zu. Es wirkt alles ein wenig steif und konstruiert.“

      Als wäre das nicht immer so bei dieser Art von Filmen. Ich meine, wie realistisch ist dieser ganze Blödsinn eigentlich, in dem die Heldin immer ein graues Mäuschen ist, dabei aber natürlich wahnsinnig schlau und auf irgendeine Art und Weise es am Ende schafft, den beliebtesten Typen der Schule zu bekommen? Dabei fällt mir siedend heiß wieder die Situation im Creams mit Damon Roberts ein und alleine bei der Erinnerung daran winde ich mich innerlich.

      „Hast du denn schon Girlsclub gesehen?“, fragt Mum gerade.

      „Fuck!“, entfährt es mir unwillkürlich. „Merkt ihr eigentlich, was für einen Mist ihr da anschaut? Das ist nicht das wirkliche Leben.“ Auch wenn die Szene im Creams haargenau in einen dieser Teeniefilme gepasst hätte.

      Fast gleichzeitig schlagen Mum und Tante Jean die Hand vor den Mund. Ein weiterer Beweis dafür, dass sie Klone sein müssen. Dad zieht die Luft scharf ein und Onkel Allan stellt geräuschvoll seine Teetasse ab. Alle Augen sind nun auf mich gerichtet.

      Nur nicht die von Lauren, wie mir auffällt. Die