Herzstolpern. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753192536
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Und dann das…

      „Kann man euch irgendwie helfen?“

      Ein Schatten taucht plötzlich über uns auf. Ich blicke gehetzt auf und sehe geradewegs in die blitzenden blauen Augen von Kieran, dem Barkeeper aus dem Dalriada.

      „Nein“, gebe ich automatisch zurück und rapple mich hoch. „Außer, du hast zufällig Messer, Gabel und Löffel einstecken.“

      „Ausgerechnet heute habe ich mein Besteck zu Hause gelassen“, gibt er schlagfertig zurück. „Sonst habe ich es ja immer dabei…“

      „Schon gut.“, murmele ich.

      „Ich warte hier“, meint Charlotte unbekümmert, nimmt sich die Bananenbällchen und beißt von einem ab. Die kann man ja auch super als Fingerfood essen.

      „Vielleicht kann ich euch ja trotzdem helfen, obwohl ich den Besteckkoffer ausnahmsweise mal daheim gelassen habe“, mischt sich Kieran ein. Mit dem Daumen deutet er hinter sich ein Stück die Promenade hinunter. „Ich könnte euch Messer, Gabel und sogar Löffel aus dem Dalriada borgen.“

      Ich sehe ihn an, etwas verunsichert, ob sein Vorschlag ernst gemeint ist. Kieran hebt fragend die dunklen Augenbrauen.

      „Das wäre wirklich total nett“, bringe ich gerade so raus. Um mich dreht sich schon wieder alles, mein Herz macht seltsame kleine Aussetzer.

      „Bin gleich wieder zurück.“ Er zwinkert mir zu, dann joggt er lässig durch den Sand davon.

      Erst als ich ihm nachsehe, fällt mir auf, dass er eine Sporthose und ein T-Shirt trägt und eine leuchtendrote Wasserflasche in der Hand hält, die beim Laufen vor und zurück schwenkt. Ganz offensichtlich ist er einer dieser Sportfreaks, die jeden Abend hier an der Strandpromenade ihre Runden drehen.

      „Wer war das denn?“, fragt Charlotte neugierig zwischen zwei Bissen Bananenbällchen.

      Ich lasse mich wieder zu ihr auf die Picknickdecke sinken, kann aber nur die Achseln zucken und Charlotte lässt es dabei bewenden.

      Charlotte

      

      Auch wenn Lauren so tut, als würde sie diesen Typen nicht kennen und mir nicht antwortet, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie ihm nicht zum ersten Mal begegnet. Ich mag ja erst fünfzehn sein, aber sicher nicht dumm. Aber wenn mir Lauren nichts erzählen möchte, ist das ihre Sache. Ich kann gut verstehen, wenn man über seine Angelegenheiten nicht sprechen will.

      Als er wieder zurückkommt, wirft er mir ein Bündel Besteck zu, das in eine Serviette eingeschlagen ist, dann lässt er sich unvermittelt zu uns auf die Picknickdecke nieder. Ich rutsche ein wenig von ihm ab, schließlich kenne ich ihn ja gar nicht. Laurens Blick ist Gold wert, sie starrt diesen Typen so entgeistert an, als hätte er sich gerade vor aller Augen entblättert.

      „Als Lohn für meine Mühen könnte ich vielleicht einen Happen ab haben“, schlägt er grinsend vor.

      Laurens Augen flackern unruhig, aber sie nickt nur zustimmend und jetzt bin ich mir ganz sicher, dass sie ihn kennt, denn niemand würde einfach einen Wildfremden mitessen lassen. Vielleicht ist Lauren aber auch einfach nur durchgeknallt, was ich gar nicht für so unwahrscheinlich halte, denn sie ist die einzige Erwachsene, die ich kenne, die nicht furchtbar nervig ist.

      „Ich bin Kieran“, stellt sich der Typ vor und hält mir eine Hand hin.

      „Charlotte“, antworte ich, schlage jedoch nicht ein. Ohne mit der Wimper zu zucken zieht er seine Hand zurück und ignoriert mein Benehmen.

      Tatsächlich hat dieser Kieran von jedem Besteckteil drei Stück eingepackt, als hätte er bereits fest damit gerechnet, dass Lauren ihn mitessen lässt. Schweigend reiche ich ihm Messer, Gabel und Löffel. Ich bin wirklich hungrig, weshalb ich ohne nachzudenken einfach anfange zu essen. Normalerweise würde ich das nicht tun – in der Öffentlichkeit, mitten am Strand. Zuhause wäre es mir unendlich peinlich im Gosforth Park mit meinen Eltern zu picknicken – obwohl das fast jeder aus der Gegend tut -, hier aber kennt mich niemand und das Essen ist wirklich total lecker. Auch Kieran greift zu, doch plötzlich hält er inne und betrachtet Lauren, die wie versteinert dasitzt.

      „Hast du denn gar keinen Hunger?“, fragt er. „Oder esse ich dir irgendwas weg?“

      Angesichts der vielen Gerichte die vor uns stehen, ist das eine ziemlich dumme Frage, wie ich finde.

      „Nein, nein.“ Sie schüttelt den Kopf, blinzelt, als würde sie gerade aus einem Traum erwachen. „Ich glaube, ich habe keinen Appetit.“

      Lauren hat bereits zum Tee nichts gegessen. Es ist mir aufgefallen, weil ich neben ihr gesessen bin. Sie müsste also längst Hunger haben. Es sei denn, sie ist eine dieser Frauen, die mit praktisch nichts zu essen auskommen, wie meine Mum. Die ist ständig auf irgendeiner Diät. So sieht Lauren aber gar nicht aus. Nicht, dass sie dick wäre, aber so spindeldürr und durchtrainiert wie Mum ist sie nicht. Ich bin mir sicher, dass sich Mum dafür, dass sie heute Kuchen gegessen hat, morgen nur noch von Gemüserohkost ernähren wird. Dafür ist Lauren aber ganz und gar nicht der Typ – und das ist jetzt echt nicht böse gemeint. Ihre Figur ist einfach nur völlig normal.

      „Störe ich euch vielleicht?“ Jetzt guckt Kieran ziemlich schuldbewusst, als wäre ihm gerade erst klar geworden, dass er sich uns im Grunde genommen regelrecht aufgedrängt hat.

      Lauren schüttelt den Kopf, sodass ihre roten Locken um sie herum wogen. Ihr Gesicht ist ganz bleich, ihre Sommersprossen stechen richtig hervor. Sie sieht aus, als wenn ihr übel wäre. Kein Wunder, wenn man nie etwas isst, deswegen schiebe ich ihr vorsichtshalber ein bisschen Hühnchen süß-sauer rüber.

      „Vielleicht solltest du mal was essen“, schlage ich vor, was ich ziemlich nett von mir finde. Eigentlich viel zu nett für meine Verhältnisse. „Du siehst irgendwie gar nicht gut aus.“

      „Ist dir etwa schon wieder schlecht?“, fragt Kieran und fährt sich nachdenklich über das stoppelige Kinn.

      Jetzt ist also ganz klar, dass sie sich irgendwoher kennen. Und dass Lauren bei dieser Begegnung wohl schlecht war. Ob das bei ihr öfter der Fall ist? Vielleicht ist sie todkrank und Mum weiß nichts davon. Sie hätte mich ganz sicher nicht zu einer Verwandten gegeben, die kurz vorm Sterben ist, wenn sie davon gewusst hätte, auch wenn sie mich momentan vielleicht nicht besonders leiden kann und ganz allgemein nicht die Umsichtigste aller Mütter ist.

      „Es geht mir gut.“ Lauren wedelt abwehrend mit den Händen, sieht aber ganz und gar nicht so aus.

      „Tief durchatmen“, rät Kieran, dabei legt er eine Hand vertraulich auf Laurens Schulter.

      Sie sieht ihn zwar ziemlich verschreckt an, leistet seiner Anweisung aber Folge. Ich beobachte, wie sich ihr Brustkorb langsam hebt und senkt. Nach wenigen Atemzügen bekommt ihr Gesicht wieder eine rosige Farbe, soweit das bei ihrem blassen Teint überhaupt möglich ist. Sie schließt die Augen, atmet noch einmal tief ein und aus, dann öffnen sich ihre Lider und sie sieht diesen Typen und mich an, als hätte sie völlig vergessen, dass wir auch noch da sind.

      „Es tut mir leid“, sagt sie an mich gewandt. „Mir ging es gerade nicht so gut, aber jetzt ist es besser.“

      „Vielleicht solltest du dich an den Rat deiner Tochter halten und etwas essen“, schlägt Kieran vor.

      Sowohl Lauren als auch ich sehen ihn verdutzt an, dann breche ich gegen meinen Willen in lautes Gelächter aus. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gelacht habe und eigentlich will ich es auch gar nicht. Aber alleine die Vorstellung, jemand könnte ernsthaft denken, dass Lauren und ich Mutter und Tochter sind, ist völlig abwegig.

      Es ist ungewohnt, dieses Glucksen in mir aufsteigen zu spüren und mein lautes Lachen klingt seltsam fremd in meinen eigenen Ohren, fast ein wenig eingerostet. Und als ich Laurens entsetztes Gesicht sehe, muss ich noch mehr lachen, bis mir die Tränen aus den Augen laufen und da fällt