Single Malt Weihnacht. Matthias Deigner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Deigner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754925966
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kicherte wie ein kleines Mädchen. »Wir haben nie zusammen gewohnt.«

      Er zuckte mit den Schultern.

      »Ich würd’s riskieren ...« Sie lachte herzhaft auf.

      »Und was ist mit mir?«

      »Du weißt, wie gut meine Miso-Suppe ist.«

      Sie legte ihm eine Hand auf den Arm.

      »Deine Nudeln sind auch nicht von schlechten Eltern.« Sein Blick entspannte sich wieder und der Mund formte ein verschmitztes Lächeln.

      »Wirst du Frankfurt nicht vermissen?«

      »Ein wenig, aber das ist es mir wert.«

      »Was ist dir was wert?«

      »Mein neues Leben.«

      »Mmmh. Und die nächsten Tage? Hast du Pläne?«

      »Ein paar Wohnungsbesichtigungen ...« Sie wickelte die Haarspitzen um ihre Finger.

      »Ah.« Er nickte verständnisvoll.

      »Vielleicht kommst du ja mit?« Er verschränkte seine Hand in ihrer. Dann legte er den Kopf zur Seite und sagte: »Nimm etwas nach deinem Geschmack.«

      »Ich kenne die Stadt nicht so gut.« Sie freute sich wie ein Kind über sein empörtes Gesicht. »Oooh, nein, das nicht«, prustete er heraus, »du bekommst keinen Touristenführer.«

      »Aber ich möchte dich an meiner Seite.«

      In diesem Moment rappelte er sich auf und winkte mir zu.

      »Wir haben etwas zu feiern.«

      Ich nickte verständnisvoll. »Darf ich etwas empfehlen?« Die Blicke des Paares hafteten auf mir.

      »Yamazaki, 18 Jahre, Single Malt. Ein würdiger Toast auf das neue Leben.«

      Er stockte und sah mich mit geweiteten Augen an.

      »Ich lese Lippen. Entschuldigen Sie.« Ich trat einen Schritt zurück. »Ist nicht meine Art, Leute zu belauschen. Aber sie sehen beide so glücklich aus.«

      Das Paar lächelte und nickte mir zu.

      »Dann zwei Yamazaki«, sagte er. Darauf hob sie die Hand zum Protest und zeigte mit dem Finger in meine Richtung.

      »Einen Doppelten. Das zweite Glas können wir uns sparen.« »Heißt das, ich soll ...?« Mit gerunzelter Stirn hob er die Schultern.

      Ich eilte zur Bar und holte den edlen Tropfen aus einem Kabinett unter der Theke hervor. Geübt füllte ich einen Tumbler.

      »Wenn du willst. Deine Wohnung ist doch eh zu klein für zwei.«

      Kurze Zeit später reichte ich den Drink.

      »Das Glück kommt zu denen, die lachen«, sagte ich und beide griffen zum Glas.

       Uisge beatha

      Aimée Ziegler-Kraska

      Sie ward am heiligen Abend gesegnet

      mit den Geistern des Landes.

      Toniken auf ihrer Stirn.

      Anschließend, Feierlichkeiten.

      Wasser des Lebens

      hinter jedem Lachen,

      Torf und Heidekraut

      unter der Zunge.

      Familie heißt hier Clan.

       Die Besucherin

      Sarah Christiansen

      Mit einem zufriedenen Seufzen ließ sich Dirk auf sein Sofa fallen. Auf dem Couchtisch vor ihm standen ein Glas Wasser, ein gekaufter Adventskranz, an dem noch keine einzige Kerze entzündet worden war und eine Flasche richtig guten Whiskeys, den er nur zu besonderen Gelegenheiten hervorzauberte – und Heiligabend konnte man durchaus als eine »besondere Gelegenheit« bezeichnen. Neben ihm auf dem Sofa lag ein Roman, den er schon ewig hatte lesen wollen, für den er aber bisher keine Zeit gefunden hatte. Das sollte sich heute ändern. Er schenkte sich ein Glas Whiskey ein und nahm das Buch zur Hand. Wie lange war es her, dass er in seiner Freizeit tatsächlich nur zum Vergnügen ein Buch gelesen hatte? Sein stressiger Job ließ ihm normalerweise keine Gelegenheit für so etwas.

      Dass er Heiligabend allein zu Hause verbrachte, war zum einen seinen Kollegen im Krankenhaus geschuldet, zum anderen dem Umstand, dass er keine Lust hatte, ihn mit seiner Familie zu verbringen. Diese hatte ihn wie jedes Jahr eingeladen und wie jedes Jahr hatte er leider absagen müssen – die Patienten brauchten ihn schließlich. Das lag nicht daran, dass er seine Familie nicht mochte. Im Gegenteil, er liebte sie alle sehr. Trotzdem war der Umstand, als einziger nicht verheiratet und kinderlos zu sein besonders an den Weihnachtsfeiertagen spürbar. Er fühlte sich dann immer etwas wie das fünfte Rad am Wagen und das wurde auch nicht dadurch besser, dass seine Schwester spätestens nach dem fünften Glas Wein begann, ihn mit unangenehmen Hinweisen auf sein Ungebundensein zu malträtieren. Deshalb hatte er vor einigen Jahren beschlossen, sich an Weihnachten stets freiwillig für die Arbeit zu melden. Dies war auch lange ein gut laufendes System gewesen: Seine Kollegen freuten sich über seine Aufopferungsbereitschaft und seine Familie besuchte er einfach im Anschluss an die Feiertage und überreichte seine teuren Präsente. Dieses Jahr hatten seine Kollegen ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hatten wohlmeinend seine Schichten übernommen und ihm gesagt, er solle auch mal an sich denken und Weihnachten mit seinen Liebsten verbringen. Selbstverständlich wollte er vor seinen Kollegen nicht zugeben, dass er lieber arbeitete, als Weihnachten mit seiner lieben, aber anstrengenden Familie zu feiern. Also hatte er sich brav bedankt und war nun Weihnachten zu Hause. Denn er hatte trotzdem nicht vor, zu seiner Familie zu fahren. Seine anfängliche Verärgerung wich aber schnell einer großen Freude, als ihm klar wurde, dass er nun drei Tage komplett zur freien Verfügung hatte.

      Nun saß er also glücklich und zufrieden auf der Couch und freute sich über die gewonnene Lebenszeit. Er hatte bereits zwei Gläser Whiskey getrunken und die ersten zwanzig Seiten gelesen, da klingelte es plötzlich an der Tür. Sein erster Impuls war, sich tot zu stellen und einfach nicht hinzugehen, denn er erwartete niemanden. Doch dann übernahm der Arzt in ihm die Oberhand und mahnte, dass es sich vielleicht um einen Notfall handelte. Welchen anderen Grund konnte es geben, Heiligabend uneingeladen an der Tür zu klingeln? Er schlich auf leisen Sohlen zur Tür und blickte zunächst durch den Spion. Er sah eine blasse, junge Frau. Diese sah weder verletzt noch gefährlich aus. Nach einem kurzen inneren Ringen öffnete er schließlich.

      »Hallo«, sagte er. »Hallo«, antwortete die Frau. »Kennen wir uns?«, fragte Dirk, dem die Situation ein wenig unangenehm war. »Ich war mal Patientin bei Ihnen«, antwortete die Frau. Sie sprach sehr leise und blickte an ihm vorbei in das Innere der Wohnung. »Kann ich kurz reinkommen?«, bat sie. Dirk, der eigentlich sehr ungern fremde oder, wenn er ehrlich war, auch bekannte Menschen in die Wohnung ließ, trat, sehr zu seinem eigenen Erstaunen, einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste. Sie ging an ihm vorbei und schnurstracks ins Wohnzimmer, ohne sich vorher der Schuhe oder des Wintermantels entledigt zu haben. Dort setzte sie sich auf die Couch. Dirk folgte ihr etwas zögernd und zunehmend überfordert und setzte sich schließlich neben sie. Er nahm das Whiskeyglas zur Hand und drehte es unschlüssig in den Händen. Dann fragte er: »Möchten Sie vielleicht auch etwas trinken?« Die Frau schüttelte den Kopf und blickte auf ihre Hände. Also füllte er sich selbst etwas ein und nahm einen Schluck. Er wartete darauf, dass sie etwas sagen würde und musterte sie etwas verstohlen. Doch sie blieb stumm. Er betrachtete ihr langes, dunkles Haar, das ihr Gesicht halb verdeckte, und ihre zierliche Figur. Endlich räusperte er sich und fragte: »Also, was führt Sie zu mir?« Sie sah auf und blickte ihm in die Augen. Aus irgendeinem Grund machte ihn das noch nervöser. Ihr Blick war nicht bohrend, aber trotzdem beunruhigte er ihn. Er hoffte, dass sie nicht merkte, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Sie sprach wie zuvor mit leiser Stimme: »Ich wollte Sie besuchen.« Was soll