Single Malt Weihnacht. Matthias Deigner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Deigner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754925966
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Malt nach dem anderen.

      Erst als die hereinbrechende Morgendämmerung dem kleinen Städtchen die samtene Nachtdecke wegzog, schreckte Santa Claus aus seinem Sessel hoch. Es war allerhöchste Zeit zu verschwinden, ehe ihn noch irgendjemand im Haus zu Gesicht bekam.

      Mit Wehmut nahm er den letzten Schluck aus der Whiskyflasche, steckte sich noch eine frische Zigarre in die Manteltasche, schnappte seinen Sack und kletterte rasch den Kamin hinauf. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Hausbewohner munter wurden.

       Heiligabend, ein Jahr später

      

      Friedlich hielt das kleine Städtchen Dufftown in den schottischen Highlands seinen wohlverdienten Schlaf in der Heiligen Nacht, so dass niemand die rege Geschäftigkeit eines einzelnen Mannes bemerkte, der schwer beladen mit einem Sack voller Geschenke von Haus zu Haus ging, um allen braven Kindern eine Freude zu machen.

      Auch dieses Jahr war die große örtliche Whiskybrennerei samt Herrenhaus am Stadtrand wieder das letzte Gebäude auf Santas Liste.

      Zügig kletterte er aufs Dach hinauf und rutschte den Kamin zum Salon des Hauses hinunter.

      Dieses Jahr zierte ein goldener Stern die Spitze des Weihnachtsbaumes im Raum. Ein großer Nussknacker auf dem Fenstersims hielt Wache, dass auch niemand heimlich von den bunten Zuckerkringeln am Baume naschte.

      Gewissenhaft legte Santa Claus das Geschenk für den kleinen Grant Gordon unter den Baum. Heuer hatte eine ganze Armee von Zinnsoldaten auf dessen Wunschliste gestanden.

      Den Weihnachtsstrumpf am Kamin füllte der Weihnachtsmann wie letztes Jahr wieder mit Nüssen, Obst und Zuckerwerk.

      Erst danach wagte er einen Blick auf das kleine Tischchen zu werfen. Seine sehnsuchtsvolle Erwartung wurde erfüllt: Auf einem silbernen Tablett standen erneut eine Flasche Single Malt Whisky und eine Holzschatulle mit Zigarren. Dazwischen lag ein weißer Zettel aus feinstem Büttenpapier mit der Aufschrift Für Santa – Frohe Weihnachten und wohl bekomm’s!

      Der Weihnachtsmann ließ sich nicht zweimal bitten, schenkte ein Glas Whisky ein und zündete eine Zigarre an. Er setzte sich wieder in einen der bequemen Ledersessel, vergaß für eine Weile Zeit und Raum und genoss einfach nur den Augenblick. Schöner konnte die Heilige Nacht selbst im Himmel nicht sein …

      In der hereinbrechenden Morgendämmerung nahm Santa Claus den letzten Schluck Whisky aus der Flasche, kritzelte noch etwas auf das Papier und kletterte rasch den Kamin hinauf. Keine Sekunde zu spät, denn an der Hand seines Vaters trat bereits der kleine Grant Gordon freudestrahlend in den Raum. Mit einem jauchzenden Schrei stürmte der Junge zum Weihnachtsbaum. »Papa, Papa, sieh nur, der Weihnachtsmann war da!«

      Liebevoll lächelnd nickte der Vater seinem Söhnchen zu und las mit Freude im Herzen die Nachricht auf dem Stück Papier bei der leeren Whiskyflasche:

       Lieber Grant Gordon,

       besten Dank für die feinen Zigarren und den vorzüglichen Whisky. Dein Vater ist wahrlich ein Meister unter den Whiskybrennern. Du hast mir eine sehr große Freude gemacht.

       Gesegnete Weihnachten für Dich und Deine Familie,

       Dein Santa Claus

       Heiligabend, im darauffolgenden Jahr

      

      Santa Claus war in hektischer Eile. In Rekordzeit hatte er dieses Jahr all seine Geschenke auf der ganzen Welt verteilt. Denn so, wie er Kindern in allen Ländern der Erde eine Freude machte, so gab es ein Kind im schottischen Dufftown, welches dem Weihnachtsmann seit zwei Jahren ein ganz besonderes Glücksgefühl bescherte. Seit der letzten Heiligen Nacht konnte Santa nämlich an nichts anderes mehr denken, als an dieses eine Haus am Rande der Stadt und an den wohligen Genuss, welcher ihn dort hoffentlich wieder erwarten würde.

      In Windeseile hüpfte er durch den Kamin des Herrenhauses, rannte zum Weihnachtsbaum, um dem kleinen Grant Gordon dieses Jahr eine Spielzeugeisenbahn darunter zu legen. Anschließend noch rasch den Weihnachtsstrumpf am Kamin gefüllt und endlich, endlich den anstrengenden Tag mit einem Glas besten Whiskys und einer guten Zigarre gemütlich im Ledersessel ausklingen lassen. Das Leben konnte einfach herrlich sein.

       Heiligabend, elf Jahre später

      

      Gerade zwängte sich Santa Claus aus dem engen Kamin eines Mehrfamilienhauses, als sein Blick freudestrahlend auf den Schornstein der benachbarten Whiskybrennerei Dufftowns fiel. Wie immer, das letzte Haus auf seiner Schottlandliste und das letzte Haus seiner gesamten Route. Er konnte es kaum mehr erwarten, dort endlich im Ledersessel am Kamin zu sitzen, Whisky zu trinken und Zigarre zu rauchen. Seit etlichen Jahren der krönende Abschluss getaner Arbeit. Seine ganz persönliche Weihnachtsfreude.

      Wie jedes Jahr kletterte der Weihnachtsmann durch den Kamin in den elegant eingerichteten Salon des Herrenhauses. Zielstrebig steuerte er den Weihnachtsbaum in der Ecke des Raumes an, als er plötzlich innehielt.

      Etwas war anders als sonst.

      Etwas, das niemals, unter keinen Umständen passieren sollte. Ein ungutes Gefühl beschlich den alten Mann.

      Er konnte es bis in seine Knochen spüren.

      Er war nicht allein in diesem Zimmer …

      Schlagartig drehte er sich um. Er warf eine Prise Sternenstaub in die Luft, welche den Salon augenblicklich taghell erleuchtete.

      Da sah er ihn …

      Den jungen Mann in einem der Ledersessel, der ihn erwartungsvoll anlächelte.

      Er wusste sofort, wen er da vor sich hatte. »Guten Abend, Grant Gordon«, begrüßte er den Jungen.

      »Guten Abend, Santa«, antwortete dieser, indem er aufstand und einen kurzen Diener in Santas Richtung machte.

      Etwas verlegen standen sich die beiden gegenüber, bis Grant das Wort ergriff: »Willst du dich nicht setzen?« Er deutete auf einen der Ledersessel.

      Santa nickte und setzte sich schwerfällig. Grant nahm die bereitgestellte Flasche, schenkte dem Weihnachtsmann seinen liebgewordenen Whisky ein und reichte ihm das Glas. Sich selbst schenkte er ebenfalls ein Glas ein und setzte sich Santa gegenüber.

      »Bist groß geworden, Grant«, stellte Santa fest.

      »Deshalb habe ich heute Abend auch auf dich gewartet«, entgegnete Grant.

      »So?« Überrascht zog Santa die graue Augenbraue hoch.

      »Ich wollte einfach einmal dem Mann ins Gesicht blicken, der seit Jahren wie kein zweiter unseren besten Whisky zu genießen versteht«, erklärte Grant.

      Verlegen drehte Santa das Glas in seiner Hand umher. »Ich muss gestehen, junger Master Gordon, dass ich dem Whisky deines Vaters regelrecht verfallen bin. Es gibt auf Erden kein besseres Wässerchen, als dieses hier in diesem Glas. Du glaubst gar nicht, wie sehr mir inzwischen Milch und Plätzchen zuwider geworden sind, seit ich weiß, welcher Genuss mich in diesem Haus erwartet.«

      »Vater war immer der Meinung, ein richtiger Mann brauche nur drei Dinge in seinem Leben: Eine starke und intelligente Frau an seiner Seite, ein Glas selbstgebrannten Whisky und eine gute Zigarre.«

      Santa Claus lachte. »Ein sehr kluger Mann, dein Vater.«

      Sein Gegenüber lächelte traurig. »Genau darüber wollte ich mit dir reden.« Auch er drehte gedankenverloren sein Glas in der Hand. »Die Sache ist nämlich die, dass wir heute das erste und gleichzeitig letzte Mal zusammensitzen werden.«

      »Was soll das heißen? Das erste und letzte Mal?«, fragte Santa Claus erstaunt.

      »Das soll heißen, dass du dieses Haus nächstes Jahr nicht mehr aufsuchen wirst, weil ich mir nichts mehr von dir wünschen werde.«

      »Aber Grant, warum solltest du dir nichts mehr von