Von da an hatte er davon abgesehen, sie weiter zu bedrängen. Auf gar keinen Fall wollte er sich wie ein dummer Junge auf die Finger klopfen lassen. Aber andererseits drängte die Zeit. In Kürze wollte er zusammen mit seinem Freund Luis per Kreuzfahrtschiff in die Karibik reisen. Und dann war ihm bei dem Gedanken an die Karibik eine schon beinahe abenteuerliche Idee gekommen:
Was, wenn ich Melba einfach dazu brächte, mit uns zusammen zu verreisen? Natürlich nicht als meine Geliebte, wenigstens nicht sofort, sondern quasi als Reisebegleiterin! Auf den tropischen Inseln werden sich die Dinge dann wie von selbst ergeben. Die atemberaubende Landschaft mit den fröhlichen Menschen, die rhythmische Musik, das besondere Klima und vielleicht eine verträumte Unterkunft werden sie bestimmt einfach umwerfen und dann habe ich leichtes Spiel...
Nachdem Melba sich von Miguel Angel, ihrem Langzeit Verlobten getrennt hatte, um einer überstürzten Heirat zu entkommen, war sie entschlossen, zunächst an ihre eigene Karriere zu denken und sich ganz ihrem Beruf als Computerfachfrau zu widmen. Als Heimchen am Herd an der Seite eines namhaften Rechtsanwaltes zu versauern erschien ihr als nicht gerade erstrebenswert. Allerdings leicht war ihr der Entschluss dann doch nicht leicht gefallen. Sie mochte Miguel Angel noch immer, denn sie hatten viele schöne Jahre miteinander verbracht. Und dann war sie mit Pilar in diese Taverne gegangen und hatte Claudio kennengelernt. Den fand sie interessant und am besten gefiel ihr die Tatsache, dass er sie nicht bedrängte. Dazu regte sie die Hoffnung, dass ihr in seiner Gesellschaft die Loslösung von Miguel Angel leichter fallen würde. Sie wusste, Claudio wollte keine feste Bindung, höchstens mal mit ihr ins Bett steigen, aber dazu gehörten immer noch zwei…
Als er ihr dann überraschenderweise vorgeschlagen hatte, zusammen mit seinem Freund in die Karibik zu reisen, hatte sie zunächst an einen Scherz geglaubt, war aber dann, als sie merkte, dass er es ernst meinte, doch nachdenklich geworden. Er hatte ihr von Luis erzählt und als er dann die Worte: „ganz unverbindlich“ und „rein freundschaftlich“ in den Mund nahm, war für sie der Bann gebrochen.
Hier bietet sich vielleicht die Gelegenheit, mich endgültig von Miguel Angel zu lösen. Außerdem werde ich mich auf dem großen Schiff selbstständig bewegen können und muss so den beiden Jungs nicht immer auf der Pelle hängen, dachte sie.
Und wenn das Ganze eine Falle war? So etwas konnte man niemals ausschließen, jedenfalls nicht bei erwachsenen Männern. Auch egal, Claudio scheint ein prima Kerl zu sein und diesen Luis werde ich mir noch genau anschauen und wenn er mir nicht gefällt... na, dann kommt mir eben etwas dazwischen…
Und so war es gekommen, dass sie und Claudio jetzt nach Xalo fuhren, wo sie jenem Luis vorgestellt werden sollte.
„Jetzt dürften sie aber langsam kommen“, sprach Luis in Gedanken zu sich selbst. Ich möchte endlich diese „Prinzessin“ kennenlernen, die mir voraussichtlich die Reise vermasseln wird, denn letztendlich wird wieder alles an mir hängen bleiben, nämlich dann, wenn Claudio seiner neuen Eroberung abtrünnig geworden ist. Noch während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, hörte er auf der anderen Seite seines Hauses den Wagenschlag des MGs. Aber diesmal war es anders als sonst, wenn sein Freund ihn zu besuchen pflegte, und man schon von weitem den Motor aufheulen und die Reifen in den Kurven quietschen hörte. Auch der laute Hupton, der normalerweise seine Ankunft verkündete war diesmal ausgeblieben. Luis überlegte laut, während er auf die Eingangstür zuschritt: „Hat sie ihm womöglich im letzten Moment noch einen Korb gegeben?“
Doch da standen sie bereits schon in seinem Foyer. Einander eingehakt, lachend, und je mehr sie sich der sonnenüberfluteten Terrasse näherten, umso mehr wuchs seine Verblüffung. Mit offenem Mund starrte er Melba an. Das ist ja unglaublich, dachte er. Sie ist keine Prinzessin, sondern eine Göttin!
Er dachte aber auch: Wie zum Teufel kommt Claudio an so einer Frau?
Natürlich war besagtem der gewisse Ausdruck in den Augen seines Freundes nicht entgangen. Welcher Mann konnte beim Anblick eines so zauberhaften Geschöpfes unbeeindruckt bleiben.
„Das ist Melba Gonzales Martinez“ stellte Claudio die Dame vor. Und zu ihr sagte er: „Melba, das ist mein Freund Luis.“
Sie trat mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.“
Luis erwiderte ihr Lächeln, während seine Hand einen Tick zu lang auf der ihren ruhte. Eine leichte Röte huschte über ihre Wangen als sie ihre Hand der seinigen entzog.
„Roger hat mir viel von Ihnen erzählt“, log sie, um die Spannung, welche sich spürbar ausgebreitet hatte, zu überspielen. In Wahrheit hatte Roger nur sehr wenig über seinen Freund gesprochen.
„Wir sagen hier alle Du“, erwiderte Luis. „Du möchtest also mit uns in die Karibik reisen?“
„Claudio hat mir die Reise vorgeschlagen und ich habe zugesagt. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Du einverstanden bist und ich Euch nicht zur Last falle“, entgegnete sie. Das besondere Arrangement, welches sie mit Claudio getroffen hatte, erwähnte sie nicht. Sie würde erst darauf zurückkommen, wenn Claudio sie durch sein Verhalten dazu zwang. Und obgleich sie zuvor nicht ganz sicher war, ob sie ihm nicht doch nachgeben würde, wenn sie erste einmal in der Karibik waren, jetzt rückte dieser Gedanke mit einem mal in weite Ferne…
Claudio wusste, dass er sein Ziel erreicht hatte. Allein die Frage seines Freundes an Melba war schon so gut wie eine Zustimmung. Dennoch aber war ihm nicht mehr ganz wohl bei der Sache. Ihm war ihre leichtes Erröten nicht entgangen, als ihre Hand in der von Luis gelegen hatte. Warum bloß habe ich Melba nicht einfach angeboten, mit mir allein irgendwohin hin zu fahren? Auf die Kanaren zum Beispiel. Da gibt es jede Menge einsame Strände und Buchten. Dort wäre ein Doppelzimmer selbstverständlich gewesen, stattdessen muss ich mir nun das Zimmer an Bord des Kreuzfahrtschiffes mit Luis teilen.
Während letzterer mehrere Flaschen gut gekühltes Mahon Bier aus dem Kühlschrank der Hausbar fischte, waren Melba und er für einen Moment allein auf der Terrasse zurückgeblieben.
„Na, wie gefällt er Dir?“ fragte Claudio mit unüberhörbarem Unterton. Dabei vergrub er die Daumen wie zufällig im Bund seiner Jeans und neigte seinen Kopf