Undercover. Manuela Martini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Martini
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Shane O'Connor Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742759382
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Ich hätte dein Versagen beinahe nicht überlebt!“

      Abruptes Schweigen. Einen kurzen Moment lang sah Shane in den Augen von Lanski etwas aufblitzen – Wut?, Hass? -, aber es verschwand wieder, ehe Shane es benennen konnte.

      Al hob die Hand.

      „Shane, wir sollten hier alle persönlichen Dinge herauslassen... aber, ich denke, wenn auch Mick einverstanden ist, dass wir fürs Erste aufhören. Shane muss sich erholen. Und wir sind alle froh, dass wenigstens er überlebt hat.“

      „Diesen Umstand sollten wir auch nicht vergessen.“ Das kam von Mick Lanski. Shane starrte ihn an.

      „Was willst du damit sagen, Mick?“

      „Ja, Mick“, Al legte die Stirn in Falten, „was willst...“

      „Nun, natürlich sind wir alle froh, dass wenigstens ein Kollege überlebt hat. Aber“, Lanski machte eine kurze Pause.

      In der sekundendauernde Stille wagte niemand etwas zu sagen, bis Mick in einem merkwürdigen Ton sagte:

      „Vielleicht war es ja gar kein Glück. Vielleicht wollte er, dass nur du überlebst, Shane.“

      Shane brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Lanski meinte.

      „Willst du etwa behaupten, ich hätte etwas mit den Morden zu tun?“

      „Mick, das kannst du doch nicht...“, sagte Al, doch Lanski schien ihn nicht zu hören.

      „Ich behaupte gar nichts. Ich bitte euch nur zu bedenken, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint.“ Jäh erhob sich Lanski, sagte noch etwas, das sich wie Auf Wiedersehen anhörte und ging hinaus. Die anderen sahen ihm sprachlos nach.

      „Ich will, dass ihr jetzt alle geht“, sagte Shane. Er konnte nicht mehr. Die Wut und das Gefühl, ohnmächtig zu sein, machten ihn fertig. Beim Hinausgehen legte Al Shane die Hand auf die Schulter, sah ihn an, wollte vielleicht etwas Aufmunterndes sagen, doch dann ging er nur mit einem Kopfnicken.

      Kapitel 6

      In den Weihnachtsferien wollte jeder zum Strand. Erst in den letzten Tagen des Januars fiele Mooloolaba wieder in seinen üblichen Halbschlaf zurück. In den Restaurants müsste man dann nicht mehr um einen Platz anstehen, am Strand könnte man wieder auf seinem Handtuch die Arme ausstrecken ohne gleich benachbarte Handtücher zu berühren und einen Parkplatz fände man auch auf Anhieb, dachte Josh während er im Verkehr stand, der sich auch in den Nebenstraßen des Ortes staute. Sein Wagen hatte keine Aircondition und so machte die von einem strahlendblauen Himmel brennende Sonne den Innenraum zu einem Backofen, und die heruntergedrehten Scheiben halfen in einem Stau auch nichts.

      Gestern habend noch hatte ein Kunde angerufen und darum gebeten, den heutigen Termin zu verschieben, so dass Josh jetzt bis elf Uhr frei hatte und ein paar Einkäufe erledigen konnte, bevor er in Buderim einen Garten für Weihnachten herrichten müsste.

      Obwohl die Strecke von seinem Haus bis zum Supermarkt unweit des Strandes höchstens drei Kilometer weit war, brauchte er doch zwanzig Minuten, da sich überall die Autos der Touristen drängten. Irgendwann bog er dann doch auf den Parkplatz von Coles ein, hatte sogar noch Glück und schlüpfte in eine gerade frei werdende Parklücke direkt vor dem Eingang, so dass ihm die Parkplatzsuche in der Tiefgarage erspart blieb. Er wollte nicht mehr Zeit als nötig zwischen den Regalreihen verbringen, schob zügig den Einkaufswagen voran, griff gezielt in die Regale und stand wie geplant rasch wieder an der Kasse, wo er erneut Glück hatte, denn alle Kassen waren jetzt in den geschäftigen Tagen vor Weihnachten besetzt, und er musste nicht lange warten.

      Er zahlte, schob den voll beladenen Wagen zu seinem Auto, schloss den Kofferraum auf, drehte sich zum Einkaufswagen – und sah sie. Das kupferfarbene Haar blies ihr der Wind ins Gesicht, das grüne Strandkleid wehte um ihren zarten Körper mit der hellen Haut, und er dachte an einen Schmetterling. Sie blieb stehen, lächelte ihn aus großen, blauen Augen an. Endlos lange Zeit, so kam es ihm vor, standen sie sich schweigend gegenüber, in zwei Metern Abstand, sie im Strandkleid mit einer Wasserflasche im Arm, er mit einem Karton Hundefutterdosen in den Händen. Ihr Blick hatte etwas Herausforderndes.

      „Kennst du mich?“, fragte sie und legte den Kopf schief.

      „Ja-ja“, brachte er hervor, „ich glaube schon.“ Ein hilfloses Grinsen klebte in seinem Gesicht.

      Sie ließ ihren Blick an ihm heruntergleiten.

      Er hatte einen Fehler begangen. Sie hat wissen wollen, ob ich die Sache verschweigen würde!, dachte er. Rasch versuchte er die Situation zu retten.

      „Ich meine...ich meine, nur flüchtig – von Fotos. Erica hat...“

      „Meine Mutter hat keine Ahnung. Klar?“, fiel sie ihm scharf ins Wort.

      Hastig nickte er.

      „Ja, ich meine, natürlich nicht. Sicher...“

      Ihr Lächeln kam plötzlich. „Ich heiße übrigens Chrissy.“

      Noch nie hatte er bei einem Menschen einen so jähen Stimmungswechsel erlebt.

      „Und du heißt Josh, oder?“ Sie lächelte immer noch. „Puh, ist das heiß heute. Ich wollte zum Strand. Ein bisschen chillen. Was ist mit dir? Hast du heute frei?“

      „N-nein. Nein, ich meine, nur heute morgen.“

      Er kam sich vor wie ein Idiot. Er sollte den dämlichen Karton abstellen, in den Einkaufswagen oder in den Kofferraum. Er entschied sich für den Kofferraum, hatte dann die Hände frei und wusste nicht, was er mit ihnen tun sollte, schließlich steckte er sie in die Taschen seiner Shorts.

      „Also ich geh’ jetzt.“ Sie legte den Kopf zurück. Ein Windstoß fuhr ihr durchs Haar, so dass es ihr Gesicht verdeckte. Josh betrachtete gebannt die langsame Bewegung, mit der ihre weiße, schmale Hand die Strähnen aus der Stirn strich. Als sie ihn wieder ansah, kam sie ihm eine Sekunde wie eine Puppe vor. Ein weiße, zerbrechliche Porzellanpuppe mit einem kleinen Mund und großen und hungrigen Augen.

      „Ist es nicht zu voll?“, fragte er.

      „Ist mir egal.“

      Er fühlte seine Hände in den Hosentaschen schwitzen, zog sie heraus, ließ sie herunterhängen, fühlte sich schrecklich.

      „Ja, dann“, sagte er, „viel Spaß.“ Das hatte er gar nicht sagen wollen. Nein, er hätte am liebsten gesagt: Warte, ich komme mit! Aber da war etwas, das ihm Angst machte.

      „Kannst ja mitkommen“, sagte sie und biss sich auf die Unterlippe, als hätte sie etwas Unanständiges vorgeschlagen.

      „Mit dir?“, sagte er viel zu laut, „Ich weiß nicht“, fügte er hastig hinzu, „ich meine, ich muss erst die Sachen nach Hause fahren, mein Hund wartet – und dann muss ich noch zu einem Kun...“

      „Dann eben nicht.“ Sie machte Anstalten zu gehen.

      „Warte...!“

      Sie sah ihn spöttisch an.

      „Ich meine“, hörte er sich sagen, „wir könnten uns ja später, heute um fünf vielleicht auf einen Kaffee treffen, oder?“

      Ihr Lächeln stand unbeweglich auf ihrem Gesicht.

      Als er nach Hause fuhr, spielte er immer wieder die Begegnung durch.

      Schnell lud er die Einkäufe aus, versorgte Garbo und fuhr zu dem Kunden in Buderim. Vier endlose Stunden lang, in denen er immer wieder auf die Uhr sah, gleichzeitig das Ende der vier Stunden herbeisehnend und fürchtend, weil er noch längst nicht alle Arbeiten erledigt hatte, schuftete er im Garten eines Reifenhändlers und seiner Frau Sie gab ihm stets genaue Anweisungen, wie er Büsche und Bäume beschneiden, wo er neue Wege anlegen und wo er Steinbrocken hinwälzen solle.

      Er sehnte ganz besonders das Ende der Arbeitszeit herbei. Und als es dann endlich soweit war, lud er seine Ausrüstung in den Anhänger, fuhr nach Hause,