Totenläufer. Mika M. Krüger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mika M. Krüger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738090222
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zu machen. Wenn die zwei Teams ohne den Totenläufer ohnmächtig sind, wird Tom dafür sorgen, dass der Totenläufer sich zur Seitengasse begibt, wo ihn Jay stellt. Caren übernimmt die Sicherung des Vordereingangs. Ist das für alle verständlich?«

      »Wir könnten sie auch alle gleich umbringen«, warf ein Mann ein, der sich nur sporadisch am Gespräch beteiligte. »Sie umzingeln, den Totenläufer herauspicken und sie alle erledigen. Damit würden wir Zeit sparen und hätten ein wesentlich geringeres Risiko.«

      Der Rotfuchs antwortete prompt: »Diesen Fall haben wir doch bereits durchgespielt. Wenn einer von ihnen zu früh erkennt, dass wir ihnen eine Falle stellen, könnte sich ein langwieriger Schusswechsel entwickeln, den wir nicht kontrollieren können. Damit haben wir nichts gewonnen. Wir kommen nicht weg und das SDF Sicherungskommando rückt in kürzester Zeit an. Außerdem waren wir uns einig, dass wir uns nicht auf das Niveau der Verwaltung begeben und sinnlose Hinrichtungen befürworten. Wenn wir können, vermeiden wir den Tod dieser Männer. Ganz gleich, was sie getan haben.«

      »Als ob es einen Unterschied macht, wenn sie bei eurem Plan zu früh erkennen, dass es eine Falle ist.«

      »Das Thema ist vom Tisch, Hugh«, sagte der Greif, lockerte seine Haltung, beugte sich vor und stütze sich auf dem Tisch ab. »Es wurde abgestimmt, wir haben entschieden, Ende. Wir rollen nicht jeden Punkt erneut auf. Gib dich geschlagen.«

      »Ich nutze nur mein Recht der freien Beteiligung«, sagte er. »Bedenken werde ich ja wohl noch äußern können.«

      »Dazu hattest du schon vor zwei Tagen Gelegenheit.«

      »Gelegenheit? Das ist nicht lache, ihr wolltet mir nicht mal zuhören.«

      »Hak – es – ab!«, beendete der Greif die Diskussion und Rina wurde den Eindruck nicht los, dass zwischen ihm und dem anderen eine unterschwellige Spannung vorherrschte. Ein Konflikt, der ungeklärt war und bis heute schwelte. Dennoch war die Diskussion beendet und die Rebellen gingen zum nächsten Punkt über. Es ging um Waffenbeschaffung, die Ausrüstung und mögliche Risiken. Alles in allem begriff Rina, dass sie sich einzig und allein auf den Schleuser verließen. Er sollte den Totenläufer identifizieren, ihn aus dem Gebäude locken und somit die Gefangennahme ermöglichen. Das kam ihr gewagt vor. War es nicht besser, sich auf sich selbst und seine Fertigkeiten zu verlassen als auf andere? Ja, ganz sicher. Und es passte ihr gar nicht, dass der Schleuser, der Soldat, Gefahr lief zu sterben. Denn das war es doch, was dieser Plan bedeutete. Er wäre mit zwei REKA-Mitgliedern allein in einer Bauruine und versuchte, sechs SDF Männer zu überlisten. Wenn nur eine Kleinigkeit schiefging, würde ihn der Totenläufer hinrichten. Das jedoch konnte sie nicht zulassen. Er musste leben.

      Der Plan war in Toms Augen nicht mehr als ein instabiles Gerüst, das durch eine heftige Windböe jederzeit zu Fall gebracht werden konnte. Am liebsten hätte er alles abgeblasen, doch dafür war es zu spät. Der Lorcaalarm war ausgelöst und der Totenläufer auf dem Weg zum Rohbau des Hochhauses. Ihm blieb nichts anderes übrig, als alles daran zu setzen, dass sie trotz wackliger Basis nicht stürzten. In seinem Kopf ging er deshalb Szenarien durch, die vom eigentlichen Vorhaben abwichen. Möglich war, dass er den Totenläufer nicht erkannte, die Stadtverwaltung noch eine weitere Einheit als Nachhut schickte oder die Einheit 203 nicht etwa vom Stadtzentrum her anrückte, sondern vom Meer. Variablen, auf die er kaum Einfluss hatte.

      Zumindest konnte er sich auf Jays und Carens Teams verlassen. Er kannte die meisten REKA-Mitglieder, die am Einsatz beteiligt waren persönlich, wusste, wie sie tickten, und war zum ersten Mal seit langer Zeit unter Gleichgesinnten.

      Tom hockte im Eck eines zukünftigen Wohnzimmers hinter einer Betonwand und hatte durch ein Fenster den Haupteingang und die Remmington-Straße gut im Blick. Durch die leeren Räume fegte der Wind, brach sich an Betonpfeilern und pfiff unter seine Kleidung. Überall waren Baumaterialien verstreut und es roch nach trockenem Estrich. Jeder Schritt verursachte ein Echo und war leicht zu hören. Das konnte ihnen zum Vor- oder Nachteil gereicht sein. Zudem hing Nebel über der Stadt, der die Sicht erschwerte. Fast so, als schicke ihnen Red-Mon-Stadt einen Gruß.

      Das Silbertab um seinen Arm leuchtete kurz in schwachem Gelb. Das Zeichen für eine neue Nachricht. Er warf einen Blick auf das Display. Es war Jay. Sie hatten sich vorhin nur begrüßt, um dann in der Vorbesprechung die letzten Details des Einsatzes durchzugehen. Ihr erster Kontakt von Angesicht zu Angesicht seit Wochen. Es gab viel, was sie besprechen mussten und genauso viel, was nie gesagt werden würde. Als er die Nachricht las, musste er schmunzeln:

      »Schleuser T, dachte gerade an ein Date bei Sonnenaufgang. Nur wir zwei. Idyllisch mit Importbier am Nordweststrand. Neben uns eine Sollfood Packung Trockenfisch. Morgen um sieben. Keine Einwände.«

      Es kam nicht oft vor, dass Jay sich zu Scherzen hinreißen ließ. Meist war er so lustig wie der Trockenfisch, von dem er sprach, und den er hasste wie den Tod selbst. Das war seine Art ihm zu sagen, er solle sich keine Sorgen machen.

      »Lehne Trockenfisch ab. Bin eher für ein Date im Untergrund. Zu dritt. Du, ich und der Totenläufer«, schrieb er schnell. Völlig egal, dass der Rest ihrer Leute mitlesen konnte.

      »Darauf verwette ich meinen Arsch«, kam zurück und Tom lächelte. Er war nicht allein. Sie alle waren zum Greifen nah. Nur noch ein paar Minuten und er konnte dem SDF Leben endgültig Lebewohl sagen.

      Erneut warf Tom einen Blick auf die Straße, dann zum Haupteingang. Im diesigen Grau sah er undeutlich das kleine Lagerhaus, auf dem Caren mit ihrem Team in Position gegangen war. Jay hatte etwas von einem Trumpf gesagt und Tom ahnte, worum es ging. Er konnte nur hoffen, dass es sich nicht wirklich um den nächsten Lorca handelte, den er zum Einsatz gedrängt hatte.

      Und als Tom erneut in Richtung Remmington-Straße sah, schälten sich sechs Personen aus dem Nebel. Sie alle trugen eine Uniform in Tiefblau mit schwarzen Stiefeln, Helmen und einem silbernen Abzeichen in Form eines Schilds an der linken Brust. Keiner fiel besonders auf oder tanzte aus der Reihe. Selbst ihre Statur war zum Verwechseln ähnlich. Eins musste er der Verwaltung lassen, wenn sie etwas machten, dann perfekt. Täuschung gehörte zu ihren Spezialitäten. Nur hatten sie nicht mit ihm gerechnet. Er würde Neel Talwar erkennen.

      An seinem Arm leuchtete das Silberarmband auf.

      »Es geht los«, stand dort in schwarzen Lettern.

      Tom wurde heiß. All die Einsätze bei der SDF, der Drill, die Kommandos und trotzdem war er nervös. Er war im Herzen eben doch nur ein brotloser Künstler, der militärische Angriffe verabscheute. Kein Soldat und kein Rebell, sondern jemand, der die schonungslose Wahrheit wollte. So hatte das alles überhaupt angefangen und dafür würde er sterben.

      Als die Soldaten den Vordereingang erreichten, stellte er das Silbertab so ein, dass er auf dem Display die Kamerabilder vom Innern des Hochhauses sehen konnte. Viele waren es nicht. Das Treppenhaus, der Eingang, Hinterausgang, der Flur im Obergeschoss und der Notausgang. Auf dem Tab waren die Bilder gestochen scharf, doch Details konnte er auf dem winzigen Display kaum erkennen. Es musste auch so gehen.

      Tom lauschte in die Stille, vernahm, wie seine Leute durch den Flur liefen. Sie zogen die Aufmerksamkeit der SDF-Soldaten auf sich, sodass sie nicht etwa im Erdgeschoss nach einem Lorca suchten, sondern genau da, wo die REKA sie haben wollte.

      Die Soldaten blieben stehen, gaben sich Handzeichen. Einer von ihnen hatte die Führung übernommen. War er das? Neel Talwar hatte den Status Leutnant und gab demnach die Anweisungen. Die Hierarchie der SDF ließ da keine andere Schlussfolgerung zu. Trotzdem war Tom unsicher.

      Die Schritte seiner Leute verstummten und die Soldaten schlichen lautlos vorwärts. Die RMP7 schussbereit, sondierten sie die Situation. Vor der Treppe teilten sie sich auf. Zwei blieben zur Deckung unten, die anderen gingen rauf. Alles verlief wie geplant. Doch je länger Tom sie betrachtete, umso unruhiger wurde er. Seine Augen klebten auf dem Mann an der Spitze, als könne er ihn so durchleuchten. Doch es gab keinen Zaubertrick, der den Totenläufer sicher enttarnte und er würde erst Alarm schlagen, wenn seine Intuition ihm dazu riet.

      Oben gab der gleiche Soldat den Ton an. Machte seinen Leuten mit Handzeichen