Fanrea. A.E. Eiserlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.E. Eiserlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847619727
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der Schulkameraden, die einen Kreis um die Kämpfenden bildeten.

      Paul versuchte, Ben den gesenkten Kopf gegen die Brust zu rammen, während er ihn gleichzeitig mit den Fäusten attackierte. Ben drehte sich seitwärts und machte einen Ausfallschritt nach hinten. Er blockte mit dem linken Arm die Schläge ab, riss zeitgleich den rechten Arm hoch, mit dem er Pauls Kinn erwischte. Der dicke Junge taumelte.

      Ein lauter Pfiff zerschnitt die Luft. Der Religionslehrer, der die Pausenaufsicht führte, trat entschlossen zwischen die beiden Kämpfer und brüllte: »Auseinander!«

      Sofort herrschte Totenstille. Die im Kreis um die Kämpfer stehenden Mitschüler schauten betroffen zu Boden oder sahen sich verunsichert an, gaben jedoch keinen Mucks von sich. Jammernd hielt Paul den Ärmel seines T-Shirts vor die blutende Nase.

      Der erzürnte Lehrer befahl: »Die Schaulustigen können gehen! Ihr beiden Wahnsinnigen kommt mit mir!« Herr Rowan reichte den beiden jeweils ein Taschentuch und schritt zügig voraus. Die Raufbolde folgten ihm betreten in einen leeren Klassenraum.

      Streng baute der Lehrer sich vor den Jungen auf. »Was habt ihr euch dabei gedacht? Wofür soll Prügeln eine Lösung sein? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder melde ich das dem Direktor und euren Eltern, dann werdet ihr für den Mist hier abgemahnt! Oder ihr helft mir nach den Ferien beide im Altersheim.« Er machte eine kleine Pause, um die Antwort abzuwarten.

      Betreten schaute Ben auf seine Schuhe.

      Paul blaffte frech: »Mich schmeißt sowieso keiner von der Schule. Ihr braucht doch für den Pausenhof diese neue Kletterwand – mein Vater könnte …«

      Ein herablassender Blick von Herrn Rowan ließ ihn abrupt verstummen: »Wenn du dich da mal nicht irrst, Paul! Du hast mit der Prügelei angefangen und das auf ganz hinterlistige, feige Art! Nun?«

      Ben räusperte sich, murmelte schließlich verlegen: »Gut, ich komme mit Ihnen.«

      »Paul?«, fragte Herr Rowan mit einem scharfen Unterton.

      Der Junge zögerte, es ging ihm sehr gegen den Strich, klein beizugeben. Schließlich nuschelte er kaum hörbar: »Ich auch.« Dabei warf er dem Lehrer einen trotzigen Blick zu.

      »Gut. Dann ist es also abgemacht. Ihr geht jetzt ins Sekretariat, um euch verarzten zu lassen. In Zukunft will ich keine Handgreiflichkeiten mehr! Klar?«

      Beide nickten und trollten sich in Richtung Sekretariat.

      *

      Die restlichen Schulstunden zogen sich in die Länge wie ein ausgekautes Kaugummi, waren dabei genauso fade im Geschmack. Quälende Gedanken rumorten in den Köpfen von Ben und Emma. Deshalb waren die zwei froh, als die Schule endlich aus war, sodass sie nach Hause gehen konnten in der Hoffnung, den düsteren Gedanken zu entfliehen.

      Nach dem Mittagessen verkroch Emma sich in die Stille ihres Zimmers. Sie benötigte Ruhe, um die Gedanken zu ordnen. Auf dem Bett liegend bemühte Emma sich, ebenso tief wie ruhig zu atmen, dadurch entspannte sie langsam. Die Stille umhüllte sie, nach und nach verstummten ihre zermürbenden Gedanken.

      Schließlich griff sie nach dem Foto ihres verstorbenen Opas Karl, um es lange zu betrachten. Immer wenn sie Kummer hatte oder eine Lösung für ein Problem suchte, machte sie das so. Ganz intensiv dachte sie dann an ihn, fühlte, dass er bei ihr war und sie tröstete. Emma empfand tiefe Liebe für den Opa. Sie hatten viel Zeit miteinander verbracht, zusammen gelacht, gespielt, gemalt oder für die Schule geübt. Beim Tennisspielen, Fahrradfahren und Schwimmen war er ihr Lehrer gewesen. Emma schaute sich im Zimmer um, an den hellblauen Wänden hingen mehrere Fotos von ihm. Opa Karl konnte fantastisch zeichnen und fotografieren. Als Emma noch klein war, hatte er auf ihren Wunsch hin eine Wand des Zimmers mit einer kleinen Nixe und einem Delfin bemalt. Für die kindlichen Wandmalereien schien Emma eigentlich zu alt, aber liebte diese so sehr, dass sie die Bilder nicht überstreichen lassen mochte.

      Wenn ihr Opa jetzt noch lebte, könnte sie ihm von Ben erzählen und um Rat fragen. Manchmal lief im Leben alles verkehrt: Opa Karl war tot, der Vater weg, Ben würde sein Augenlicht verlieren, doch sie konnte nichts daran ändern. Hilflosigkeit sowie Trauer überrollten Emma. Von dort war es nicht mehr weit bis zu dem stechenden Herzschmerz, der sie jedes Mal durchdrang, wenn sie daran dachte, dass ihr Opa gestorben war.

      Mit dem Tod verband sie seither nichts Friedliches mehr, sondern er bedeutete nichts anderes als Verlust für immer. Emma konnte in der Erlösung, die in manchem Sterben lag, keinen Trost finden. Denn die Erlösung betraf nur den, der ging, nicht den, der zurückblieb.

      Die Zimmertür wurde einen Spalt breit geöffnet, ihre Mutter fragte vorsichtig: »Darf ich zu dir kommen? Du warst so bedrückt beim Mittagessen. Möchtest du mir erzählen, was los ist?«

      Emma nickte. Es kam selten vor, dass die Mutter Zeit für sie hatte. Aber trotz der vielen Arbeit und des Kummers, der auf Marlene lastete, spürte diese fast immer, wenn es ihrer Ältesten nicht gut ging. Leider forderten die Geschwister ständig die Aufmerksamkeit der Mutter, dadurch überfiel Emma oft das Gefühl, zu kurz zu kommen.

      Doch nun setzte Marlene sich zur Tochter aufs Bett und nahm deren Hand. »Was bedrückt dich, meine Große?«

      Emma seufzte: »Ach, Mama, ich bin schlecht drauf, ich fühle mich so hilflos …« Sie schluchzte, während Tränen an den Wangen hinabliefen. Schließlich erzählte sie der Mutter von Bens Augenkrankheit.

      Schockiert nahm Marlene ihre Tochter in die Arme, hielt sie ganz fest, um Trost zu spenden. Emma verspürte Erleichterung, dass sie die Sorgen mit jemandem teilen konnte. Sie redeten eine Weile über Ben. Marlene machte den Vorschlag, sich im Internet über dessen Krankheit zu informieren. Die Idee gefiel Emma und sie nahm sich vor, später zu recherchieren. Außerdem wollte sie wegen Bens Krankheit ihre Tante Esther befragen, die im Dorf als Heilerin bekannt war. Allerdings heilte diese auf eine ganz spezielle Art.

      Zuletzt teilte die Mutter der Tochter noch eine kleine Überraschung mit: »Dein Vater hat mir diesen Monat etwas mehr Geld überwiesen. Du kannst dir endlich die Sporttasche kaufen, die du so dringend brauchst. Das ist doch schön, oder?«

      »Was ist denn daran schön? Der Blödmann denkt, er könnte sich von seinem schlechten Gewissen freikaufen!«

      »Ach, Emma, sieh doch nicht alles nur negativ, freu dich einfach über deine neue Tasche!«

      »Nein!« Emmas Gesicht verschloss sich vollkommen, sodass es wie eine Maske wirkte.

      Obwohl Marlene ihrer Tochter eine Freude machen wollte, war das gründlich misslungen. Traurig verließ die Mutter das Zimmer, denn sie wusste genau, dass jetzt kein vernünftiges Gespräch mehr möglich war. An der Tür blieb Marlene zögernd stehen und wandte sich um: »Manche Dinge müssen wir Menschen annehmen, so wie sie sind. Wir können nicht alles ändern, weil es uns dann besser passt.« Nach diesen Worten schloss sie die Tür.

      Die Worte prallten an Emma ab. Stattdessen kochte wieder der Zorn auf ihren Vater hoch wie ein Topf heißer Milch, der überläuft. Mit dem Unterschied, dass man Milch einfach wegwischen konnte, Wut jedoch nicht. Diese Stinkwut schmeckte bitter wie Artischockensaft und lag klebrig auf der Zunge. Leider kannte Emma kein Mittel, das diesen unangenehmen Geschmack wegspülen konnte.

      Vielleicht würde sie sich von dem Geld die neuen Ballettschuhe kaufen, statt einer Sporttasche. Emma kämpfte mit sich, sie brauchte das Geld, aber wollte es vom Vater nicht annehmen. »Mist! Das Leben ist manchmal so schwierig!«

      Zur Ablenkung griff sie nach ihrem Notebook, um im Internet zu recherchieren, fand aber nichts wirklich Hilfreiches für Ben. Am liebsten hätte sie wütend auf die Tastatur eingeschlagen. »Verdammt!«, fluchte Emma enttäuscht.

      Betrübt rief sie Ben an und fragte, ob sie sich auf der großen Wiese treffen sollten. Emma selbst brauchte ihren Freund und wollte auch ihn mit seinem Kummer nicht allein lassen. Die beiden verabredeten sich für später.

      Als Lara bei Emma hereinschaute, hörte sie noch das Ende des Telefonats. Sie bettelte darum, mitkommen zu dürfen, und Ben sollte seinen kleinen Bruder Mattes mitbringen: »Bitte, nehmt uns mit zur großen