Fanrea. A.E. Eiserlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.E. Eiserlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847619727
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sah, aber die Tränen ließen sich kaum noch zurückhalten.

      Schließlich waren die beiden wortlos an der Schule angekommen. Unvermittelt blieb Emma stehen, versperrte Ben den Weg, während sie ihn fest an seiner Jacke packte. »Jetzt ist Schluss! Ich gehe hier nicht rein, bevor du mir gesagt hast, warum du so pampig bist. Wir sind Freunde, und Freunden kann man alles sagen!«

      Ben nickte und flüsterte: »Ich, ich … war doch gestern beim Augenarzt. Also … das Ergebnis war nicht gut.«

      Da fühlte Emma, wie die Angst auf sie übersprang, gleichzeitig bemerkte sie Tränen in Bens Augen. Zögernd fragte sie: »Was, … was meinst du damit? Was bedeutet nicht gut

      Länger konnte Ben sich nicht mehr beherrschen. Es brach aus ihm heraus: »Ich werde blind!«

      Entsetzt starrte Emma ihn an. »Du wirst blind?«

      Nun flossen Bens Tränen und es war ihm unglaublich peinlich. Leise bestätigte er: »Ja, der Arzt hat festgestellt, dass ich eine unheilbare Augenkrankheit habe. Das bedeutet, dass ich irgendwann nichts mehr sehen werde. Er sagte, es sei ein schleichender Prozess, der nicht aufzuhalten sei. Ich werde in ein paar Tagen mit meinen Eltern noch zu einem weiteren Spezialisten fahren, um eine zweite Meinung einzuholen. Meine Mutter kennt jede Menge guter Ärzte aus dem Medizinstudium, deshalb fahren wir zu einem ihrer alten Bekannten.«

      Emma war schockiert und suchte nach tröstenden Worten, aber es fielen ihr keine ein. Hilflos schaute sie zu Boden. »Wie schrecklich, Ben«, sagte sie leise. Sie fühlte seine Not, konnte nun verstehen, warum er eben verschlossen und mürrisch reagiert hatte. Das Wort Blindheit beinhaltete für Emma so viel Schrecken, dass normale Alltagsprobleme wie Schnee in der Sonne dahinschmolzen und sich auf ein erträgliches Häufchen reduzierten. Die ewige Finsternis war einfach unvorstellbar! Völlig ratlos, wie sie Ben helfen sollte, nahm Emma dessen Hände und drückte sie fest.

      Seine Augen suchten ihre. Emma sah nur Verzweiflung darin. Wut breitete sich in ihr aus, weil ihr weder eine Lösung noch tröstende Worte einfielen. Bens Gesicht war so vertraut, aber diesen resignierten Blick hatte sie noch nie an ihm gesehen. Schließlich stieß Emma hervor: »Du darfst die Hoffnung nicht verlieren! Vielleicht finden wir einen Ausweg. Du hast mir schon oft von Fußballspielen erzählt, bei denen deine Mannschaft im Rückstand war. Am Ende habt ihr durch euren Willen den Kampf gewonnen. Ihr habt einfach nicht aufgegeben. Beim Karate war das auch schon oft so!«

      Aufgebracht rief Ben: »Aber ein Fußballspiel ist doch etwas ganz anderes! Ich habe riesige Angst! Ich kann nicht mehr richtig denken, mein Kopf ist wie blockiert. Mein ganzes Leben verändert sich, wenn ich nichts mehr sehen kann. Nichts ist dann mehr so wie jetzt! Alles, was mir Spaß macht, werde ich nicht mehr tun können.« Er spürte die Furcht im Herzen wie eine finstere, bedrohliche Masse, die ihn ausfüllte, größer wurde und seiner bemächtigte.

      »Es muss einen Weg geben, dass es nicht so weit kommt. Außerdem können Ärzte sich auch mal irren. Egal, was passiert, ich helfe dir!«, murmelte Emma trotzig.

      Die Schulglocke ertönte, die beiden mussten in ihre Klasse gehen. Doch genau in diesem Moment rannte Paul um die Ecke und stieß fast mit den zwei Freunden zusammen. Er sah, dass Ben weinte. Das war natürlich für ihn eine großartige Gelegenheit zu stänkern: »Ach je, der kleine Benny flennt. Ben ist eine Heulsuse, huhuhu…!«

      Mit funkelnden Augen fuhr Emma Paul an: »Du widerlicher Idiot! Verschwinde, du schwabbeliger Fettkloß!«

      Dieser schnappte nach Luft. Gegenwehr war er nicht gewohnt, erst recht nicht von einem Mädchen!

      Besorgt schaute Emma zu Ben und sah, wie sich sein eben noch kummervolles Gesicht veränderte. Einer der gefürchteten Wutanfälle kündigte sich an. Sie wollte ihn besänftigen, flüsterte deshalb rasch: »Bleib ruhig. Bitte lass dich nicht auf eine Prügelei ein. Du kriegst nachher den Ärger!«

      Ben hörte gar nicht hin. Er fühlte, wie diese unerklärliche Hitze in ihm aufstieg. Die Laune war auf den Nullpunkt gesunken. Paul kam ihm gerade recht. Sowohl seine aufgestaute Wut als auch die quälenden Ängste konnte er jetzt an diesem Typen auslassen.

      Hilflos spürte Ben, dass ihm immer heißer wurde, im Bauch entwickelte sich das lodernde Feuer. Die Intensität, mit der die Flammen emporschossen, war jedoch neu für ihn. Er kannte zwar den Zorn, den er kaum bändigen konnte, aber diese fast schmerzhafte Hitze, die ihn nun von innen her verglühte, war ihm fremd. Bevor Ben sich noch weiter über seine Gefühle wundern konnte, trat er nach vorn und haute Paul mit zwei blitzschnellen Oi-Zukis um. Das geschah so überraschend, dass er keine Chance zur Gegenwehr hatte.

      Emma war entsetzt über diese unkontrollierte Explosion. »Was hast du getan? Mensch, Ben, du kannst ihn doch nicht einfach umhauen!«

      Ben dagegen lachte nur zynisch: »Heute musste das einfach sein! Dieser Mistkerl verdient es schon lange. Außerdem weiß ich nicht, wie lange ich mich noch prügeln kann.«

      Irgendwie hatte Ben Recht, aber Prügeln war keine Lösung für Probleme, fand Emma. Sie schaute zu Paul, der sich langsam aufsetzte und Ben mit wutverzerrtem Gesicht anbrüllte: »Das wirst du noch bereuen! Das bedeutet Rache! Ich werde allen erzählen, was für eine Heulsuse du bist!«

      Mit seinen Faustschlägen war Bens Wut verraucht, das Feuer in ihm erloschen. Dieser Kerl widerte die beiden Freunde einfach nur an. Deshalb kümmerten sie sich nicht länger um ihn, sondern hasteten schnell ins Schulgebäude.

      In der ersten Stunde hatten sie Religion bei Herrn Rowan. Die Klasse diskutierte über den Satz von Jesus: Der Glaube versetzt Berge. Bedeutungsvoll schaute Emma zu Ben, denn er brauchte nun den festen Glauben daran, dass es einen Weg gäbe, sein Augenlicht zu erhalten.

      Trotzdem hörte Ben nur mit halbem Ohr hin, er dachte immerzu an die drohende Blindheit und den Gefühlsausbruch. Tränen waren für einen Jungen einfach uncool, egal, warum er weinte.

      Außerdem: Was bedeutete diese unglaubliche Hitze, dieses lodernde Feuer in ihm? Gemeinsam mit dem Wutausbruch war alles erloschen, zusätzlich fühlte er sich erleichtert.

      Endlich klingelte es zur Pause, die Schüler rannten auf den Schulhof. Ben zögerte. Sollte er jetzt tatsächlich mit seinen Freunden Fußball spielen? Eigentlich verspürte er keine Lust dazu. Er befürchtete jedoch, nur zu grübeln, im schlimmsten Fall sogar, erneut zu weinen. Nein, das ging auf gar keinen Fall! Besser wäre es, sich abzulenken, also folgte er den Fußballfreunden nach draußen.

      Nach kurzer Zeit war das Spiel in vollem Gange. Ben sprintete mit dem Ball in Richtung Tor. Einer seiner Kumpel spurtete von rechts auf ihn zu, um ihm den Ball abzunehmen, aber Ben konnte an ihm vorbei dribbeln.

      Gerade, als er schießen wollte, sprang ihn jemand mit voller Wucht von hinten an. Ben verlor den Halt, taumelte, stürzte zu Boden und prallte hart mit der Stirn auf. Der Angreifer landete auf Ben. Schmerz durchzuckte ihn, er verzog das Gesicht. Eine Platzwunde auf seiner Stirn blutete heftig, während der ganze Körper schmerzte. Das Gewicht des Angreifers raubte ihm den Atem, sodass er gequält japste.

      Erneut spürte Ben hemmungslose Wut in sich hochsteigen. Für heute reichte es allerdings mit dem Prügeln und er wäre der Auseinandersetzung gerne aus dem Weg gegangen. Ben drehte den Kopf. Da erkannte er erst, wer ihn gefoult hatte: Paul, der Revanche forderte! Vorhin hatte er Paul mit seinem Überraschungsangriff außer Gefecht gesetzt, jetzt hatte jener ihn überrumpelt. Nun gab es kein Zurück mehr.

      In einer denkbar ungünstigen Position lag Ben auf dem Boden. Durch den Kampfsport hatte er gelernt, nicht aufzugeben, sondern nach einem Ausweg zu suchen. Er musste gedanklich stark bleiben!

      Abrupt brach das Feuer wieder in ihm aus, aber dieses Mal war es nicht wild lodernd, sondern Kraft spendend. Instinktiv konzentrierte Ben sich, versuchte diese Kraft zu sammeln. Er spannte alle Muskeln an und warf den Kopf mit voller Wucht nach hinten.

      Pauls Nase knackte. Vor Schmerz schrie er laut auf und rollte jammernd von Bens Rücken. Unverzüglich rappelte Paul sich hoch, um wie eine Dampfwalze erneut auf Ben loszugehen. Dieser war ebenfalls schon auf den Beinen, trat ein paar Schritte zurück und erwartete seinen Gegner