Fanrea. A.E. Eiserlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.E. Eiserlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847619727
Скачать книгу
»Diese plustrigen Haare! Dass alle Mädchen aus meiner Klasse mich deswegen beneiden! Hätte ich doch nur glatte blonde!«

      In diesem Moment klingelte es unten an der Tür, was Emma dazu verleitete zu fluchen: »Verdammter Mist! Ich hab meine Tasche noch nicht gepackt!« Hektisch warf sie zwei Hefter, Mäppchen und ein Buch in ihren Rucksack. Dann eilte sie die Treppe herunter, stoppte mitten im Lauf, stolperte dabei fast über die eigenen Füße und stürmte noch einmal hoch in ihr Zimmer. Dort packte sie den Turnbeutel, mit dem sie zurückraste.

      Emmas Mutter rief: »Deine Pausenbrote liegen noch hier!«

      Seufzend lief Emma in die Küche, griff nach den Broten, warf der Mutter einen Handkuss zu und rannte zur Haustür. »Hi, Ben, sorry, dass du warten musstest!«

      Wie jeden Morgen, wenn Schule war, begrüßte Ben sie mit einem frechen Grinsen, das sich bis zu den strahlend blauen Augen fortsetzte. Die hellblonden Haare wirkten mal wieder ungekämmt, denn sie wuchsen in so vielen Wirbeln auf seinem Kopf, dass eine richtige Frisur unmöglich war. Kauend nuschelte er: »Hi! Komm, beeil dich, wir sind spät dran! Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben*.«

      »Besser spät als nie*!«, hielt Emma dagegen.

      Mit dem Handrücken wischte Ben ein paar Krümel von der Lippe.

      »Was kaust du denn schon wieder?«, fragte Emma.

      »Meine Mutter hat mir keine Brote gemacht. Sie ist wegen der Nachtschicht total müde und schläft noch. Deshalb hab ich wenigstens ein paar Kekse mit ’ner Banane auf dem Weg zu dir gegessen.« Sein Blick wurde jämmerlich. »Aber bis zur Schule bin ich bestimmt verhungert.«

      Emma grinste. »Ist klar! Ich schlepp wahrscheinlich wieder zehn Brote mit mir rum! Willst du eins?«

      »Kommt drauf an, was drauf ist. Hoffentlich nicht nur Gurke oder Tomate! Von Salat schrumpft der Bizeps*

      Emma verdrehte die Augen, knuffte Ben in die Seite und reichte ihm ihre Brotdose.

      Skeptisch begutachtete der den Inhalt: »Ein Biogesundheitsbrot – natürlich mit Gurke und Tomate. Ein Körnerbrot mit Käse und Salat. Tss! Ahh ja, da kommen wir der Sache näher: ein Schinkenbrot! Das nehm ich! Deine Mutter weiß genau, was mir schmeckt.«

      »Sie macht die doch für mich!«

      »Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Genussvoll biss er hinein.

      »Wie kannst du nur so schlank sein, wenn du so viel isst?«

      »Ich bin eben ein toller Typ!« Er nahm noch einen großen Bissen. Doch unvermittelt wurde sein Blick ernst, als er die Freundin fixierte. »Hattest du letzte Nacht schon wieder einen deiner Alpträume?«

      »Ja, einen echt ekelhaften!«

      »Monster mit Krallenhänden?«

      »Nee!«, seufzte Emma. »Dieses Mal waren es Wölfe. Es war widerlich!«

      »Aber nur ein Traum!«, versuchte Ben, sie zu beruhigen.

      Fragend sah Emma ihren Freund an, als ob er eine Erklärung wüsste, warum diese schrecklichen Träume sie quälten. Doch in seinen Augen stand nur Ratlosigkeit.

      Jedes Mal gruselte es Ben, wenn sie ihm diese entsetzlichen Träume beschrieb. Das Verstörende war, dass sie sich alle ähnelten und für Emma real anfühlten. Beklommen betrachtete er die Freundin von der Seite, bemerkte, wie übernächtigt sie aussah. Die beiden kannten einander, seit sie laufen konnten, und gingen zusammen in dieselbe Schulklasse. Eine tiefe Freundschaft verband sie, und Ben machte sich Sorgen. Emma war immer schlank gewesen, aber in den letzten Monaten war sie dünn geworden. Zudem blitzten ihre blaugrünen Augen nicht mehr so unternehmungslustig wie früher.

      »Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende klettern gehen?«, startete Ben den Versuch, seine Freundin von ihren Alpträumen abzulenken.

      »Hm!«

      »Oder willst du lieber eine Kanutour machen?«

      »Hm!«

      »Komm schon, mit wem soll ich sonst losziehen? Du sagst doch eigentlich immer ja!«

      »Stimmt! Du hast ja recht! Ich bin langweilig geworden! Okay, du darfst aussuchen!«

      Als sie erneut schwieg, stattdessen nur ihre Stirn runzelte, ließ Ben nicht locker: »Wie war dein Ballett? Mein Karatetraining war total anstrengend!«

      »Eigentlich gut, aber ich brauche schon wieder neue Spitzenschuhe. Dabei sind die so teuer!«

      »Wieso? Sind sie zu klein?«

      »Nee, weich getanzt.«

      »Ah! Was hast du gestern außer Tanzen noch gemacht?«

      »Gelesen! Hab das Ende von Gregor und das Schwert des Kriegers gelesen. War leider ohne richtiges Happy End. Danach hab ich ein neues Buch von Michael Scott angefangen. Es handelt von auserwählten Zwillingen, die die Welt retten müssen. Nicolas Flamel ist ihr Mentor. Du weißt schon, der Alchemist. Das Buch ist voll krass, weil darin lauter Gestalten aus Mythen oder Sagen vorkommen.«

      »Aha!« Ben war erleichtert, dass es ihm endlich gelungen war, Emmas Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Gut! Jetzt musste er sie nur noch reden lassen, vielleicht ab und zu eine Bemerkung einwerfen. Emma war im Redefluss, die schlimme Nacht und die Grübeleien dadurch verdrängt. Nach einer Weile drifteten Bens Gedanken weg, während seine Freundin weiter von dem Buch schwärmte.

      Er kam gut mit Emma klar, weil er sich nichts aus ihren extremen Stimmungsschwankungen machte und die Freundin nahm, wie sie war: Manchmal introvertiert, mal zickig, dann wieder lustig und ausgelassen. Eines wusste er jedoch ganz sicher: Er konnte sich immer auf sie verlassen!

      Mit seiner fröhlichen, unbeschwerten Art war Ben ein ganz anderer Typ als Emma. Meistens verbreitete Ben gute Laune, nahm die Dinge eher leicht und grübelte nicht viel. Mit Leidenschaft lernte er Koryû Uchinâdi, eine spezielle Form von Karate, und spielte gerne Fußball mit Freunden. Schon in der Grundschule hatte Ben seine Begeisterung dafür entdeckt, da die Jungen in den Pausen meistens kickten. Seit Ben und Emma auf das Gymnasium gingen, war die Zeit zwar knapper geworden, aber er trainierte trotzdem weiterhin im Verein.

      Der Sport verband ihn mit Gleichaltrigen, denn manchmal fühlte Ben sich wie ein Außenseiter, da ihn die Natur mehr interessierte als Computerspiele, Netzwerke oder Smartphones. Diesem ganzen digitalen Kram konnte er nicht allzu viel abgewinnen. Ben brauchte Bewegung, wollte Wind in den Haaren spüren und dabei frisch gemähtes Gras riechen oder wenn es regnete, die kalten Tropfen fühlen, die auf seiner Haut zerplatzten. Er liebte es, beim Joggen die Muskeln zu spüren, dabei bis an die Grenzen zu gehen. Sogar den Winter mit seiner eisigen Pracht mochte er und genoss es, morgens durch den Wald zu laufen, wenn der Atem blasse Wölkchen erzeugte und der Raureif die Bäume zu bizarren Gebilden verzauberte.

      »Hörst du mir überhaupt zu?«, riss Emma ihn aus den Gedanken.

      »Äh, ja! John Dee hat die Toten erweckt, sogar Säbelzahntiger.«

      »Da hast du aber gerade noch mal die Kurve gekriegt.« Sie knuffte Ben erneut in die Seite.

      Plötzlich rempelte jemand Emma von hinten an. »Geh aus dem Weg, du dumme Kuh!«

      Es war Paul, ein unangenehmer Raufbold. Er war groß für sein Alter, der Körper jedoch untrainiert und schwammig. Die kleinen Augen im rundlichen, blassen Gesicht blickten ständig Streit suchend umher.

      Ben murmelte leise: »Ein Choku-Zuki und er liegt am Boden! Soll ich?«

      »Nein, lass es! Das ist genau das, was er will. Der sucht mal wieder Streit. Mir reichen die Wölfe von heute Nacht!«

      Ben hörte auf Emma und zügelte sein Temperament. Das fiel ihm jedoch sehr schwer, denn wenn ihm etwas nicht passte oder ihn jemand ärgerte, neigte er zu cholerischen Wutanfällen. Vergeblich versuchte er, nicht so hitzköpfig zu reagieren. Doch im Bauch loderte dann ein wildes Feuer, das ihn zu verzehren drohte. In der letzten Zeit wurde diese Hitze immer stärker, und er