Fanrea. A.E. Eiserlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.E. Eiserlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847619727
Скачать книгу
In der Hand blitzte ein langer Dolch. »Gebt mir das Buch!«, flüsterte das Wesen eindringlich mit rauchiger Stimme.

      Ben erwachte aus seiner Erstarrung und hielt unauffällig Ausschau nach einem Knüppel. Da, direkt neben ihm lag ein dicker, armlanger Ast, der stabil aussah. Vorsichtig bewegte der Junge die Hand in diese Richtung und als er den Ast erreichte, umschlossen ihn seine Finger fest. Jetzt fühlte Ben ein wenig Sicherheit, da er dieser Kreatur etwas entgegenzusetzen hatte.

      Dann spürte er wieder diese gewaltige Hitze in seinem Inneren aufsteigen. Sie schien ihn innerlich zu verbrennen, doch sammelte sie sich dieses Mal nicht im Bauch, sondern schien in einem mächtigen Strom in seine Hände zu fließen. Ben hieß die Hitze willkommen, sie verlieh ihm Stärke. Ruhig ging er in Gedanken die passenden Karatetritte durch.

      Fieberhaft überlegte Emma, was sie tun konnte, da fiel ihr der magische Kieselstein ein. Hoffnungsvoll griff sie in die Hosentasche und umschloss ihn. »Hilf uns! Bitte tu etwas!«, flehte sie voller Panik. Der Stein wurde wärmer, begann sogar zu pulsieren.

      *

      Zur selben Zeit stand der Indianer John in Fanrea an einem schmalen Fluss und hielt einen Speer in der rechten Hand, mit dem er auf einen dicken, silbrig schimmernden Fisch zielte. Konzentriert visierte er ihn an, warf blitzschnell seinen Speer und traf. Genau in dem Moment, als der Fisch durchbohrt wurde, empfing John ein starkes Gefühl der Furcht. Irgendetwas stimmte nicht, aber er spürte genau, dass es nicht ihn betraf. Der Stein, der um seinen Hals hing, erwärmte sich.

      Wachsam sah John sich um, konnte jedoch nichts Bedrohliches entdecken. Dennoch signalisierten seine Sinne ihm weiterhin eine Gefahr. Die nächste Angstwelle rollte auf ihn zu, durchströmte den gesamten Körper. Der Lakota hielt die Luft an, sein Herz pochte wild und er keuchte. Die Empfindung war stark, sehr stark. Von wem stammte diese Emotion? Was hatte das zu bedeuten? Johns Kieselstein wurde noch wärmer, er umfasste ihn. ›Hilf uns! Bitte tu etwas!‹, hörte er zeitgleich ferne Worte im Kopf.

      Irritiert holte der Indianer den Speer samt Fisch aus dem Wasser und warf seine noch zappelnde Beute in einen Weidenkorb, in dem jede Menge der glänzenden Fische lagen. Nachdenklich schloss John die Augen und versuchte, diesen fremden Empfindungen nachzuspüren, aber es gelang ihm nicht. Enttäuscht öffnete er wieder die Augen. Die eben gehörten Worte hallten wie ein Echo in ihm nach und fraßen sich fest. Er wusste, dass jemand ihn rief und brauchte. Ausnahmsweise fühlte er eine bedrückende Hilflosigkeit, und dieses Gefühl war schrecklich. Irgendwo war jemand in großer Not und Verzweiflung, doch er konnte nichts tun.

      Das Gefühl der Bedrohung ließ nach einer Weile schlagartig nach, die Angst verließ John im selben Moment ebenfalls. Grübelnd schulterte er den Korb mit Fischen und machte sich auf den Heimweg, ins Lager der gestrandeten Kinder.

      *

      Die furchterregende Gestalt war fast bei den Freunden angelangt und starrte sie lauernd an. Es schien, als würde sie diesen Moment kurz vor dem Schlagen der Beute genießen, deshalb die Zeit verzögern, um die Angst der Freunde auszukosten.

      »Der Stein! Fass den Stein an!«, rief Emma in den tobenden Sturm hinein.

      Ben reagierte sofort, klemmte das Buch unter den Arm und griff in die Hosentasche. Er nahm den magischen Kieselstein in die Hand und merkte, wie er sich erhitzte. Die Wärme des Steins schaffte eine Verbindung mit seinem inneren Feuer, indem ein Strom mächtiger Energie durch den Arm floss. Eine gewaltige Kraft stieg in Bens Körper auf. Mit dem Ast in der Hand richtete er sich zur vollen Größe auf und sah seinem Gegner trotzig in die Augen.

      Dieser stutzte verunsichert für den Bruchteil einer Sekunde, fing sich aber direkt wieder.

      Bens Angst wich ungewohntem Mut. Mit zwei großen Schritten trat er entschlossen auf den Gegner zu und schmetterte ihm den Ast kraftvoll auf den Schädel. Von der Wucht des Aufpralls brach der Ast mittendurch, die Gestalt taumelte schwankend zurück. Ben war nun ohne Waffe, dennoch stellte er sich in Abwehrhaltung schützend vor Emma.

      Die männliche Gestalt schrie zornentbrannt, hielt dann inne und fixierte Ben aus zu Schlitzen verengten Augen. Das Wesen schien seine Kräfte zu sammeln. Es spannte die Muskeln an, machte sich sprungbereit.

      Emma schluchzte laut auf und presste den Stein so fest in ihrer Hand, dass es schmerzte. »Hilfe!«, flüsterte sie voller Verzweiflung.

      Die Kreatur stieß einen markerschütternden Schrei aus und sprang hoch. In derselben Sekunde umgab die beiden Freunde ein strahlend weißer Lichtball. Der Angreifer konnte seinen Sprung nicht mehr abbremsen, sodass er mit voller Wucht gegen die Kugel aus Licht prallte. Er rollte sich ab, sprang schnell wieder auf die Füße, doch er begriff, dass seine Chance vertan war. Mit flammendem Blick wich er zurück in die Dunkelheit.

      Die zwei Freunde dagegen verstanden nicht, was passiert war, und sahen sich verwundert um. Vor ihnen schwebte Amapola, die ihren leuchtenden Zauberstab schwang. Das helle Licht umhüllte sie alle drei sanft wie ein schützender Kokon und spendete Sicherheit.

      »Amapola! Wo kommst du denn her?«, rief Emma mit schriller Stimme.

      Die Elfe versuchte, die aufgebrachten Freunde zu beruhigen: »Keine Angst, es kann euch jetzt nichts mehr geschehen! Ihr seid innerhalb des weißen Lichts geschützt, keine dunkle Macht kann euch hier drin etwas antun. Ich bringe euch jetzt sicher nach Hause. Leider hat der Spion der dunklen Mächte das Zauberbuch in deinen Händen gesehen, Ben. Er wird es den Dunkelwesen berichten, deshalb müssen wir nun noch mehr aufpassen.«

      Sie hörten das wütende, kreischende Jaulen der widerlichen Kreatur. Es ging ihnen durch Mark und Bein.

      Emma zitterte vor Angst. »Das Monster tobt, es will das Zauberbuch. Oder?«, flüsterte sie beklommen. »Was wird es jetzt tun?«

      Ihre Frage blieb unbeantwortet, da niemand darauf etwas zu sagen wusste. In Emmas Gedanken tobte ein Wirbelwind aus Entsetzen und Trotz.

      Umgeben von der schützenden Lichtkugel schwebten sie zunächst wortlos zu Emmas Haus. Die Freunde waren seit dem Vorfall im Wald völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Licht bewahrte sie nicht nur vor weiteren Angriffen, sondern auch vor dem strömendem Regen, der an der Hülle silbrig schimmernd hinabfloss.

      Bei Emma angekommen, sagte Amapola ernst: »Ich bin froh, dass ich zur rechten Zeit eingreifen konnte, um euch zu retten. Etwas hat mich gerufen und ich wusste, ihr seid in sehr großer Gefahr. Emma, du kannst ins Haus gehen, es wird dir hier nichts passieren. Ich werde euer Haus in das weiße Licht des Schutzes hüllen. Das Gleiche werde ich mit eurem Haus machen, Ben.«

      »Etwas hat dich gerufen? Was meinst du damit?«, wollte Ben wissen.

      Ratlos zuckte Amapola mit den Schultern.

      »Die Kieselsteine!«, riefen die beiden Freunde gleichzeitig.

      Als die Blumenelfe verständnislos zu ihm blickte, erklärten die Freunde ihr den Zusammenhang.

      Schließlich stöhnte Ben: »Amapola, ich bin echt froh, dass du uns gerettet hast. War verdammt knapp!«

      Emma stimmte Ben zu: »Ja, echt, danke! Gibt es noch mehr von diesen Monstern?«

      »Ich glaube nicht, aber es gibt andere Gefahren in Fanrea«, antwortete Amapola widerstrebend.

      Nachdenklich raufte Ben die Haare. »Emma, ich verstehe, wenn du morgen nicht mitkommen möchtest. Aber ich werde durch das Tor gehen, nichts ist so schlimm, wie blind zu sein. Ich werde es schaffen, ich kämpfe gegen alle, die sich mir in den Weg stellen. Auch gegen meine Angst!«

      Sofort schüttelte Emma heftig ihren Kopf. »Nein, ich lasse dich nicht im Stich! Wir beide wurden schon oft genug verlassen, wir halten zusammen! Ich komme mit, du bist mein Freund und ich bleibe an deiner Seite. Dieses Drecksvieh hält mich nicht davon ab, mit dir zum See der Heilung zu gehen!«

      Ben schaute sie ernst an. »Wie gut, dass du so ein Sturkopf bist. Danke, Emma, du bist eine echte Freundin! Du bist immer für mich da, wenn ich dich brauche!« Er blickte in ihre Augen und erkannte, welch tiefe Freundschaft sie verband.

      Verlegen kaute Emma auf ihrer