38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.
39 Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann denn ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? 40 Ein Jünger[*] steht nicht über dem Meister; wer aber alles gelernt hat, der ist wie sein Meister.
41 Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr? 42 Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.
Lk 6,37–42 Vom Richten (Mt 7,1–5; 12,36–37; 15,14; Mk 4,24–25) 6,37 Richtet nicht, vgl. bRHSch 16b; bMeg 28a. 6,38 Mit dem Maß, mit dem ihr messt, eine biblische (z.B. Ex 22,21–23; Ob 15) und rabbinische Vorstellung (hebr. mida keneged mida [übers. „ein Maß entsprechend einem Maß“]); vgl. z.B. mSota 1,7 („Mit dem Maß, mit dem ein Mensch misst, misst man ihn“); mAv 2,6, die Hillel zugeschrieben wird („Auch sah derselbe einmal einen Schädel, der auf der Oberfläche des Wassers schwamm. Er sagte zu ihm: Weil du ertränkt hast, hat man dich ertränkt, und endlich werden die, die dich ertränkt haben, ertrinken“). 6,41–42 Balken im eigenen Auge, bBB 15b drückt dieselbe Vorstellung aus: „Wenn jemand zu einem [Richter] sagte: nimm den Splitter von zwischen deinen Zähnen, so erwiderte ihm dieser: nimm den Balken von zwischen deinen Augen“. Vgl. auch bAr 16b; bHor 3b. Heuchler, vgl. Ps 26,4; Sir 1,29; 32,15.
43 Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht trägt, noch einen faulen Baum, der gute Frucht trägt. 44 Ein jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt. Denn man pflückt nicht Feigen von den Dornen, auch liest man nicht Trauben von den Hecken. 45 Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser bringt Böses hervor aus dem bösen. Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.
Lk 6,43–45 Vom Tragen guter Früchte (Mt 7,15–20; 12,33–35) Vgl. Jak 3,11–12. 6,45 Herz, das Zentrum der Moral (Gen 8,21; Dtn 6,5–6 u.a.). Zur Verbindung von Herz (hebr. lev) und Mund (hebr. pe) vgl. Ps 19,15.
46 Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?
47 Wer zu mir kommt und hört meine Rede und tut sie – ich will euch zeigen, wem er gleicht. 48 Er gleicht einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf Fels. Als aber eine Wasserflut kam, da riss der Fluss an dem Haus und konnte es nicht erschüttern; denn es war gut gebaut.
49 Wer aber hört und nicht tut, der gleicht einem Menschen, der ein Haus baute auf die Erde, ohne Grund zu legen; und der Fluss riss an ihm, und es fiel gleich zusammen, und der Einsturz dieses Hauses war gewaltig.
Lk 6,17–49 Die Feldrede (Mt 5–7) 6,17 Ebenes Feld, steht im Gegensatz zur matthäischen „Bergpredigt“.
Lk 6,46–49 Von klugen und törichten Bauherren (Mt 7,21–27) Vgl. Jak 1,22–25. 6,46 Herr, Herr, Bekenntnisse ohne entsprechende Taten sind bedeutungslos. Bezüglich des Anrufs vgl. Ex 34,7 und die Rezitation der dreizehn midot ha-rachamim („Kennzeichen der [göttlichen] Gnade“) in den Selichot (Gebete um Vergebung). 6,47–49 Vgl. den ähnlichen Aphorismus über Bäume mit schwachen und starken Wurzeln von R. Eleazar b. Azarja (mAv 3,17: „Derselbe sagt: Wem gleicht jeder, dessen Weisheit größer