Pharisäer bei Lukas
Die Darstellung der Pharisäer im Lukasevangelium ist außergewöhnlich, in sich inkonsistent und komplex. Positiv hervorzuheben ist zwar, dass Lukas in seinem Passionsbericht keine Pharisäer erwähnt, sie aber als Mitglieder der christlichen Gemeinde nennt (Apg 15,5). Die ersten Worte aber, die er Pharisäern zuschreibt – „Wer ist der, dass er Gotteslästerungen redet?“ (Lk 5,21) – zeigen, dass sie Jesus bestenfalls missverstehen. Als nächstes erscheinen sie missmutig gegen Jesu Jünger, wobei sie Jesus der unangemessenen Tischgemeinschaft bezichtigen (Lk 5,30; ein Punkt, der Lk 15,2 aufgegriffen wird) und die Jünger wegen ihres Versäumnisses, zu fasten, zur Rede stellen (Lk 5,33). In Lk 6,1–5 kritisieren sie die Jünger wegen der Missachtung des Sabbatgebots und in Lk 6,6–11 versuchen Pharisäer, Jesus selbst wegen der Verletzung des Sabbats anzuklagen. Lk 7,29–30 beschreibt, wie die Pharisäer die Taufe des Johannes ablehnen, was für das Lukasevangelium nicht weniger als die Zurückweisung des Heilsplans Gottes bedeutet. In Lk 7,36–50 geht die Geschichte weiter und schildert zusammen mit Lk 11,37–54 und 14,1–24, wie die Pharisäer Jesus zu Tisch einladen. Jedes Mal greift Jesus seine Gastgeber verbal an, z.B. durch die Anklage, sie gehen „vorbei am Recht und an der Liebe Gottes“ (Lk 11,42). Jesus unterweist zudem seine Jünger – in Hörweite von mehreren Tausend Zuhörerinnen und Zuhörern: „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das ist die Heuchelei.“ (Lk 12,1)
In Lk 16,14–15 fügt Lukas ein, dass Pharisäer selbstgerecht seien (ein Punkt, der von Lk 18,9–14 untermauert wird) und „am Geld hängen“. Im Gegensatz dazu gesteht Josephus, der selbst kein großere Bewunderer der Pharisäer war, ihnen zu, sie würden „enthaltsam leben und von keinen Annehmlichkeiten wissen“ (Ant. 18,12). Weiterhin schreibt er, „die Sadduzäer [hätten] nur die Reichen, die Pharisäer aber die große Menge des Volkes auf ihrer Seite“ (Ant. 13,298). Angesichts dieser und ähnlicher Aussagen strahlen potenziell neutrale oder gar freundliche Aktionen der Pharisäer in noch leuchtenderen Farben. Wenn „einige Pharisäer“ Jesus warnen, dass Herodes ihm nach dem Leben trachte (Lk 13,31), dann kann man das als Versuch werten, Jesus von seiner Mission abzubringen. Wenn ein Pharisäer fragt, wann das Reich Gottes komme (Lk 17,20–21), kann man das als Missverständnis des Programms Jesu verstehen. Bei ihrem letzten Auftritt im Evangelium (Lk 19,37–40) ermahnen „einige“ Pharisäer Jesus, er solle seine Jünger tadeln, weil sie ihm als König huldigen. Positiv kann man das so verstehen, dass sie fürchten, dass diese Akklamation römische Repressionen zeitigen würde; man kann das aber auch so interpretieren, als wiesen sie die Ansprüche der Jünger zurück.
27 Und danach ging er hinaus und sah einen Zöllner mit Namen Levi am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! 28 Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach.
Lk 5,27–28 Die Berufung des Levi (Mt 9,9–13; Mk 2,13–17) 5,27 Zöllner, Anm. zu 3,12. 5,28 Verließ alles, vgl. Anm. zu 5,11.
29 Und Levi richtete ihm ein großes Mahl zu in seinem Haus, und viele Zöllner und andre saßen mit ihm zu Tisch. 30 Und die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten murrten und sprachen zu seinen Jüngern: Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern? 31 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 32 Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße.
33 Sie aber sprachen zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten oft und beten viel, ebenso die Jünger der Pharisäer; aber deine Jünger essen und trinken. 34 Jesus sprach aber zu ihnen: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? 35 Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen ist; dann werden sie fasten, in jenen Tagen.
36 Und er sagte zu ihnen ein Gleichnis: Niemand reißt einen Lappen von einem neuen Kleid und flickt ihn auf ein altes Kleid; sonst zerreißt man das neue und der Lappen vom neuen passt nicht auf das alte. 37 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche und wird verschüttet, und die Schläuche verderben. 38 Sondern neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen. 39