Komplexe Dynamische Evaluation (KDE): Ein Instrument zur Optimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts. Christoph Waldhaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Waldhaus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300410
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Analyse auf einen für den Rahmen dieses Buches angemessenen Umfang zu beschränken, konzentrierte ich mich auf die Lehrveranstaltungsevaluationen jener fünf österreichischen Fremdsprachenzentren, die zum Untersuchungszeitpunkt (2012) dem Verband universitärer Sprachenzentren und -institutionen (VUS) angehören.

      Obwohl es sich hierbei um eine vergleichsweise kleine Stichprobe handelt, kann dennoch festgestellt werden, dass sie sehr repräsentativ ist und die hier angeführten zentralen Problematiken auf die Mehrheit der Sprachenzentren im europäischen Hochschulraum – und wahrscheinlich auch darüber hinaus – in der einen oder anderen Weise zutreffen, da viele Sprachenzentren ähnliche Verfahren zur Qualitätsoptimierung einsetzen.

      Eine Kollegin am treffpunkt sprachen, die in einem, der im Rahmen meiner Dissertation durchgeführten qualitativen Interviews befragt wurde, bringt einige der zentralen Themen aktueller Lehrveranstaltungsevaluationen im Fremdsprachenunterricht wie folgt auf den Punkt:

      […] weil ich mich sowieso seit einiger Zeit schon über diese ständigen Evaluierungen ärgere, nicht weil sie schlecht sind, sind sie nicht, aber es interessiert mich auch nicht zum hundertsten Mal zu hören, dass ich so ein nice teacher bin und so. Irgendwann finde ich, reicht es. treffpunkt sprachen muss natürlich für Qualität sorgen, soll mich von mir aus ein Jahr beobachten und dann finde ich, ist es aus und ich habe einfach keine Lust mehr. Ich mag mich nicht mehr evaluieren lassen.

      [LP002, 224–230]

      Die Inhalte dieser Aussage sind zweifelsfrei auch als einige der Hauptgründe für die von Simon (2000) und Frey (2007) angeführte »Evaluitis« zu sehen, an der viele KollegInnen, vor allem, wenn sie schon mehrere Jahre unterrichten, leiden. Die meisten Lehrenden sind nicht mit einer Evaluation ihres Unterrichts per se unzufrieden und negieren auch nicht deren Wichtigkeit im Hinblick auf ihr Potential, essentielle Informationen zur Qualitätsoptimierung zu generieren. Sie erkennen in der Regel auch die allgemeine Notwendigkeit von Evaluationen in Hinblick auf die Präsentation der betreffenden Institute und Zentren nach außen an, stellen jedoch, wie die Kollegin aus dem Interview, vielfach fest, dass die Art und Weise, mit der diese Evaluationen durchgeführt werden, also der Evaluationsansatz, und die Informationen, die sie zum Teil fördern, insuffizient sind, was oftmals zur Folge hat, dass Lehrende mit der Zeit eine Aversion gegen das Evaluieren entwickeln. In der Tat ist diese Abneigung auch bei vielen Studierenden zu bemerken, denn es darf nicht vergessen werden, dass diese in der Regel viele Evaluationen pro Semester – in jedem der von ihnen besuchten Kurse zumindest eine – durchführen müssen. Hinzu kommen weitere Befragungen, die beispielsweise einen bestimmten Lehrgang oder die Universität und deren Einrichtungen etc. betreffen. Man kann also nicht behaupten, es würde zu wenig evaluiert.

      Auf der Suche nach den Gründen, warum es in Hinblick auf Lehrveranstaltungsevaluationen überhaupt zu den oben genannten und anderen Problemen kommt, können unterschiedliche Ursachen ausfindig gemacht werden. Im Wesentlichen hängen sie jedoch damit zusammen, dass bei vielen Evaluationen oftmals gewisse Standards, wie sie etwa im Handbuch der Evaluationsstandards (siehe unten bzw. Sanders 2006) angeführt werden, keine oder eine zu geringe Berücksichtigung finden. Auch die Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im europäischen Hochschulraum (ESG), die im folgenden Kapitel vorgestellt werden und für die Qualitätsoptimierung bzw. -sicherung durch Evaluation zentral sind, werden in der Regel nicht in das Evaluationsprozedere integriert.

      Bevor ich nun einige der zentralen Stellen aufzeige, an welchen die einzelnen Evaluationsmodelle Raum für Optimierung haben, möchte ich einen kurzen Exkurs zu den Evaluationsstandards machen, damit die darauffolgenden Ausführungen für den Leser/die Leserin leichter nachvollziehbar sind.

      1.2 Evaluationsstandards

      Damit sowohl die Anforderungen aus der Praxis als auch wissenschaftliche Standards und Richtlinien beim Durchführen von Evaluationen berücksichtigt bzw. die Qualität von Evaluationen optimiert und gesichert werden können, entwickelte das Joint Commitee on Standards for Educational Evaluation1 Richtlinien, die beim Planen, Durchführen und Bewerten von Evaluationen als Orientierung dienen.

      Diese Qualitätsmaßstäbe sind im Handbuch der Evaluationsstandards festgehalten und richten sich sowohl an EvaluatorInnen als auch an AuftraggeberInnen. Sie sind nicht als starre mechanische Regeln, sondern als Leitprinzipien zu verstehen und enthalten wichtige Hinweise und Warnungen zur Vermeidung von Fehlern, die bei der Konzeption bzw. der Durchführung von Evaluationen auftreten können. Zudem bezeichnen sie, welche Vorgehensweisen allgemein als akzeptabel bzw. inakzeptabel gehalten werden und zeigen die zurzeit beste Praxis auf (vgl. Sanders 2006:35). Die aktuelle Version sieht folgende Standards für Evaluationen vor:

      1.2.1 Inhalte der Evaluationsstandards

Nützlichkeitsstandards Nützlichkeitsstandards legen fest, ob eine Evaluation den tatsächlichen Informationsbedürfnissen der jeweiligen AdressatInnen gerecht wird. Dazu werden die AdressatInnen und deren Evaluationsbedürfnisse genau ermittelt und die Evaluation demgemäß durchgeführt. Zudem müssen die gewonnenen Informationen bedeutsam sein und rechtzeitig ermittelt werden.
Durchführbarkeitsstandards Durchführbarkeitsstandards betonen die Praxisbezogenheit von Evaluationen. Diese werden in der Regel nicht in einem Labor, sondern in einem natürlichen Umfeld durchgeführt und verbrauchen daher Ressourcen. Folglich müssen sie so konzipiert sein, dass sie nur so viel Material, Personal, Zeit etc. in Anspruch nehmen, wie erforderlich ist.
Korrektheitsstandards Die Korrektheitsstandards fordern, dass Evaluationen rechtlich und ethisch korrekt durchgeführt und die Rechte (Privatsphäre, Zugänglichkeit zu Informationen, Schutz der Persönlichkeit etc.) der an Evaluationen beteiligten Personen gewahrt und respektiert werden.
Genauigkeitsstandards Die Genauigkeitsstandards legen fest, ob eine Evaluation angemessene Informationen hervorbringt. Es sollen die relevanten und als wichtig erachteten Daten erhoben und beurteilt werden. Die Daten sollen technisch angemessen sein und die Urteile müssen in einem logischen Zusammenhang mit den Daten stehen. Damit wird die Güte und Verwendbarkeit der Informationen bestimmt.

      Tab. 1: Inhalte der Evaluationsstandards in Anlehnung an Sanders (vgl. 2006:31f)

      Natürlich muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass diese Standards ursprünglich in den USA entwickelt wurden und eine Eins-zu-eins-Übertragung nicht für alle Länder und alle Situationen möglich und sinnvoll ist. Es ist ratsam, zuerst den Evaluationskontext zu analysieren und dann eventuell nötige Adaptionen durchzuführen. Insgesamt sind diese potentiellen Anpassungen jedoch, wie auch Beywl/Widmer (2006:261) festhalten, »eher geringfügiger Art«, weswegen sich die Evaluationsstandards als Basis für die meisten Evaluationen eignen. Dies trifft vor allem auf die Grundstruktur mit den vier genannten Hauptgruppen (Nützlichkeits-, Durchführbarkeits-, Korrektheits- und Genauigkeitsstandards) zu.

      Im Bereich des universitären Fremdsprachenunterrichts können diese Standards meiner Erfahrung nach weitgehend unverändert übernommen werden, wenngleich der oben angesprochene Kontext durch die Ausführungen in den Theoriekapiteln (Kapitel 3, 4, 5) zuerst genau analysiert und bestimmt werden sollte. Dies ist nötig, um festzustellen, welche der einzelnen Standards für die Evaluation von Fremdsprachenkursen, wie sie hier vorgestellt wird, in welcher Form und in welchem Umfang sinnvoll und plausibel sind. Neben diesen bereits erwähnten sind auch noch weitere Standards wie z.B. die genannten ESG sowie andere Qualitäts- und Bildungsstandards zu beachten.

      1.2.2 Evaluationsstandards im Detail

Nützlichkeitsstandards Ermittlung der Beteiligten und Betroffenen

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