Sag mir, was du wirklich meinst. Oren Jay Sofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813693
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bestimmte Erfahrung zu machen. Vielmehr ist es die Fähigkeit, unmittelbar zu erkennen und zu fühlen, was vor sich geht, ohne sich in solchen Reaktionen zu verlieren – also nichtreaktiv. Präsenz in ein Gespräch zu bringen bedeutet, erst einmal alles zu akzeptieren, was in unserem Erleben auftaucht: »Das ist die Wahrheit. Das geschieht jetzt gerade.«

      Das heißt nicht, dass wir abträgliche Handlungsweisen billigen oder immer alle einer Meinung sind. Es schließt nicht aus, dass wir kraftvoll handeln, und es heißt auch nicht, dass wir unbedingt alles aussprechen, was uns durch den Kopf geht. Es bedeutet lediglich, dass wir die Realität dessen anerkennen, was gerade geschieht. Wenn wir nicht uns selbst gegenüber ehrlich sein können, wie können wir dann erwarten, andere wirklich zu hören, geschweige denn, eine Lösung in einer schwierigen Situation zu finden?

      Diese Art von Aufrichtigkeit gibt uns verlässliche Informationen dazu, was in uns und in unserem Umfeld geschieht. Wir lernen, unmittelbaren Zugang zu unseren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu finden und das Erleben der anderen besser einzuschätzen. Das hilft uns wiederum zu erkennen, was wir sagen müssen, um uns gehört zu fühlen, nach vorn zu schauen oder eine Differenz beizulegen.

       Prinzip: Beginnen Sie mit Präsenz. Gehen Sie mit Gewahrsein in das Gespräch hinein, kehren Sie zu diesem Gewahrsein zurück, und versuchen Sie, es aufrechtzuerhalten und sich selbst gegenüber ehrlich zu sein in Hinblick auf das, was Sie gerade erleben.

      Die Öllampe: Präsenz und Reaktivität

      Eine Zeit lang leitete ich in Oakland Achtsamkeitskurse für Kinder im Grundschulalter. Sie erzählten mir oft Geschichten darüber, wie Achtsamkeit ihnen dabei half, mit heftigen Gefühlen umzugehen. Ein Junge berichtete von einer Situation, in der er so wütend wurde, dass er seine Schwester treten wollte. »Dann erinnerte ich mich an das achtsame Atmen, nahm ein paar Atemzüge und beruhigte mich.«

      Wenn die Spannung groß ist, kann Präsenz uns erden. Je vertrauter wir mit dem Gefühl der Präsenz sind, desto eher nehmen wir Anzeichen einer Erregung wahr. Es ist ähnlich wie das Lämpchen im Auto, das auf einen niedrigen Ölstand hinweist. Wenn wir dieses frühe Warnsignal bemerken, können wir uns eine Menge Ärger ersparen. Was passiert, wenn Sie wütend, ängstlich oder verletzt sind? Beschleunigt Ihre Atmung? Pressen Sie den Kiefer zusammen? Wird Ihnen heiß oder kalt? Beginnen Sie, gedanklich abzudriften? Anstatt »Ihre Schwester zu treten«, können Sie Achtsamkeit nutzen, um diese Signale wahrzunehmen, sich innerlich Raum zu schaffen und bewusst zu entscheiden, wie Sie reagieren wollen.

       Prinzip: Je bewusster wir sind, desto mehr Möglichkeiten haben wir.

      Erregt zu sein ist nichts Schlimmes – ein normaler, gesunder Teil unseres Lebens. Es kann nur dann problematisch werden, wenn wir unsere Bewusstheit verlieren. Allerdings führt die Geschwindigkeit des modernen Lebens bei vielen Menschen dazu, dass sie die meiste Zeit über mit einem sympathisch aktivierten Nervensystem herumlaufen. Ob es der stressige Weg zur Arbeit ist, der Berg an zu bewältigenden Aufgaben oder sogar das Koffein, das wir konsumieren, mitunter leben wir ständig in einem Zustand leichter Panik, immer im Alarmbereitschaft. Wenn wir nichts dagegen unternehmen, kann das zu unnötigen zwischenmenschlichen Konflikten führen. Durch die Achtsamkeitspraxis lernen wir, die Unruhe zu besänftigen, die mit der Überaktivierung einhergeht. Selbst etwas so Einfaches wie langes, langsames Ausatmen kann dem Nervensystem schon helfen, sich zu beruhigen.

      Achtsame Präsenz üben

      Ich finde es wunderbar, dass die Achtsamkeitspraxis so ortsunabhängig und flexibel ist. Man kann jederzeit, überall und ohne besondere Ausstattung oder Umstände achtsam sein. Es muss noch nicht einmal jemand anders mitbekommen. Man kann Achtsamkeit inmitten des alltäglichen Lebens praktizieren – den Atem und den Körper spüren; Geräusche, Gedanken oder Gefühle wahrnehmen.

      Für die Kommunikation ist es wichtig, ein einfaches Mittel wie Achtsamkeit zu haben, das man immer bei sich weiß. Ich empfehle Ihnen, sich jeden Tag etwas Zeit für die formale Achtsamkeitspraxis zu gönnen. Es ist ein bisschen so etwas wie ein Universalschlüssel, mit dem man die Türen des Herzens und des Geistes zu öffnen vermag. Selbst wenige Minuten Praxis können schon eine positive Auswirkung auf Ihren Tag haben und Ihnen frische Energie, Klarheit und ein Gefühl von Sinnhaftigkeit schenken.

      Eine der verlässlichsten Methoden zur Kultivierung von Präsenz ist die Verankerung der Aufmerksamkeit in den Körperempfindungen. Während wir uns durch unseren Alltag bewegen und mit anderen Menschen in Kontakt sind, geht unsere Aufmerksamkeit meist schnell nach außen zu dem, was wir sehen und hören, oder sie wird von Gedanken über die Vergangenheit oder die Zukunft vereinnahmt. Wenn wir die Aufmerksamkeit im Körper verankern, setzen wir dieser Neigung etwas entgegen und geben unserem Bewusstsein einen Ruhepol. Empfindungen entstehen nur im Hier und Jetzt. Immer wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf eine Empfindung richten, sind Sie für diesen Moment präsent.

      Ich möchte Ihnen vier einfache Methoden zur Kultivierung von Präsenz vorstellen. Jede nutzt ein bestimmtes Erleben durch die Sinne – genannt »Bezugspunkt« oder »Anker« –, um die Aufmerksamkeit im Körper zu erden: das Gewicht, die Körpermittellinie, den Atem und Berührungspunkte an den Händen oder Füßen.

       Ein Anker ist ein Bezugspunkt, zu dem wir zurückfinden, um achtsame Präsenz zu stärken.

      Es geht nicht darum, all diese Methoden meisterhaft zu beherrschen, sondern vielmehr darum, eine oder zwei zu finden, die Ihnen helfen, sich inmitten Ihres Alltags wacher und geerdeter zu fühlen. Experimentieren Sie mit den folgenden Anleitungen. Sie können jede Übung einzeln machen oder auch als Sequenz, bei der Sie fließend von einer zur nächsten übergehen. Achten Sie beim Üben darauf, was Ihnen am leichtesten fällt. Die beste Methode ist die, die Sie mit Ihrer Präsenz in Kontakt bringt.

      Übung: Erdung durch den Körper

      Methode 1: Die Schwerkraft spüren

      Setzen Sie sich bequem hin. Nehmen Sie sich zunächst einige Augenblicke Zeit, um sich in Ihrer Umgebung zu orientieren und sich im Raum umzusehen. Finden Sie eine aufrechte Körperhaltung, die zugleich entspannt ist. Schließen Sie sanft die Augen, und atmen Sie einige Male tief ein und aus, um sich einzugewöhnen.

      Spüren Sie, ob Sie Empfindungen von Gewicht und Schwere in Ihrem Körper wahrnehmen können. Vielleicht nehmen Sie den Kontakt des Körpers mit dem Stuhl wahr; spüren Sie, ob die Oberfläche, auf der Sie sitzen, eher hart oder weich ist. Vielleicht haben Sie auch ein Gefühl für Ihren gesamten Körper, wie er dasitzt, seine Gestalt oder Wärme. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit in diesen Empfindungen ruhen. Können Sie die nach unten strebende Kraft der Schwerkraft spüren?

      Falls Sie bemerken, dass Ihre Aufmerksamkeit zu etwas anderem gewandert ist, lassen Sie sanft davon ab, und bringen Sie sie zurück zu dem Gefühl von Gewicht oder Schwere in Ihrem Körper. Verankern Sie Ihre Aufmerksamkeit darin.

      Methode 2: Die Körpermittellinie

      Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Oberkörper. Spüren Sie, wie er sich von der Hüfte und dem Becken aus nach oben erstreckt. Können Sie den Rücken, die Schultern und den Nacken wahrnehmen? Probieren Sie aus, ob Sie die Mittellinie des Oberkörpers empfinden können. Versuchen Sie, Ihre Wirbelsäule zu spüren, vom Steißbein aus, den Rücken entlang bis zur Schädelbasis. Sie können sich auch eine Linie vorstellen, die durch die Mitte Ihres Torsos verläuft, genau in der Mitte zwischen der Vorder- und Rückseite und der Mitte zwischen der rechten und linken Seite.

      Den Oberkörper sanft zu bewegen kann dabei helfen, die Mittellinie zu finden. Pendeln Sie leicht vor und zurück, bis Sie in der Mitte ausbalanciert sind. Machen Sie das Gleiche zur rechten und zur linken Seite. Lassen Sie dann die Schultern und den Oberkörper jeweils ein oder zwei Grad zu den Seiten rotieren. Können Sie die Achse spüren, um die herum der Körper sich dreht? Das ist die Mittellinie. Probieren Sie aus, ob Sie die Aufmerksamkeit