Sag mir, was du wirklich meinst. Oren Jay Sofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813693
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diesen Kommunikationsgewohnheiten nachhaltig etwas zu verändern, ist es hilfreich, kleine schrittweise Veränderungen vorzunehmen, die wir auch beibehalten können.

       Prinzip: Da Kommunikation ein sehr komplexes Phänomen ist, gelingt die Transformation am leichtesten durch kleine, aber stetige Veränderungen.

      Menschen sind komplexe lebende Systeme. In komplexen Systemen kann eine kleine Veränderung weitreichende Wirkungen haben. Es ist vergleichbar mit der Steuerung eines Frachtschiffs auf dem Meer. Ein solch großes Schiff in voller Fahrt kann keine abrupten Wendemanöver vollziehen. Doch selbst eine Kurskorrektur von einem oder zwei Grad führt, wenn sie beibehalten wird, das Schiff mit der Zeit in eine völlig andere Richtung.

      Unsere Sprache und unseren Geist schulen

      Wenn man sich die enormen Dimensionen menschlicher Kommunikation vor Augen führt, kann das Vorhaben, sich neue Gewohnheiten zuzulegen, ziemlich einschüchternd wirken. Wie können wir effektiv auf etwas einwirken, das so elementar ist wie die grundlegenden Muster, mit denen wir der Welt begegnen?

      Glücklicherweise haben wir alles, was wir brauchen, damit das gelingen kann: die Erkenntnisse der modernen Neurowissenschaft und Psychologie, eine klare Methode und eine Stütze, um das Wissen in die Praxis umzusetzen. Die Methode besteht in unserem Drei-Schritte-Training in Präsenz, Intention und Aufmerksamkeit. Die Stütze ist Achtsamkeit, unsere Fähigkeit zu beständigem Gewahrsein und klarem Sehen.

      Die Notwendigkeit, unsere Muster zu transformieren, steht außer Frage. Wenn wir sinnvoller leben und zusammenarbeiten wollen, um den radikalen Veränderungen zu begegnen, die sich auf der Erde abspielen, sei es in der Politik, der Wirtschaft oder der Umwelt, müssen wir lernen, einander wirklich zu hören und erfolgreicher zu kommunizieren.

      Im Verlauf dieses Buches werde ich Sie ermutigen, Ihr Denken, Zuhören und Sprechen genauer zu untersuchen, mit dem Ziel, kleine ­Veränderungen in Ihrem Verständnis und Ihren Gewohnheiten zu erreichen. Und wenn es Ihnen gelingt, diese Veränderungen beizubehalten, werden sich Ihre Sprache, Ihre Beziehungen und Ihr Leben auf Dauer verwandeln.

      Prinzipien

      Da Kommunikation ein sehr komplexes Phänomen ist, gelingt die Transformation am leichtesten durch kleine, aber stetige Veränderungen.

      Die wichtigsten Punkte

      Im Gespräch präsent zu bleiben kann aus mehreren Gründen herausfordernd sein:

      Wir sind nicht darin geübt.

      Es bringt uns in Kontakt mit unserer Verletzlichkeit.

      Es kann evolutionär bedingte Schutzmechanismen auslösen.

      Bei Primaten kann Blickkontakt Aggression signalisieren.

      Das Hören der menschlichen Stimme kann beruhigend oder auch bedrohlich wirken.

      Verbale Kommunikation ist mit der Atmung, dem Nervensystem und dem Identitätsgefühl verbunden.

      Kommunikation ist multidimensional und ganzheitlich. Sie umfasst:

       einen sprachlichen Informationsaustausch,

       nonverbale Kommunikation,

       unseren inneren Dialog,

       unser emotionales Erleben,

       unser somatisches, verkörpertes Erleben und

       persönliche, psychologische, soziale und kulturelle Konditionierung.

      Fragen und Antworten

       Mir fällt es leichter, präsent zu bleiben, wenn ich spreche, und schwerer, wenn ich zuhöre. Ist das normal?

      Das ist bei jedem anders. Ich finde es faszinierend, dass sich Präsenz für manche Menschen im rezeptiven Modus natürlicher anfühlt, für andere hingegen im expressiven. Wenn Sie darauf achten, bemerken Sie vielleicht sogar, dass es unterschiedlich ist, je nachdem, mit wem Sie gerade sprechen. Betrachten Sie dies einfach als nützliche Information. Wir können an unsere Stärken anknüpfen und die Fähigkeit entwickeln, gleichermaßen präsent zu sein, wenn wir sprechen und wenn wir zuhören.

       Sie haben vom Innehalten gesprochen. Ich glaube, dass ich das in den meisten Gesprächen nicht könnte. Ich fürchte, dann würde ich gar nicht mehr zu Wort kommen!

      Das Vertrauen in unsere eigene Stimme, also das Vertrauen, dass wir Raum einnehmen und unsere Meinung sagen dürfen, ist sehr wichtig. Alle Kommunikationsmethoden sollten diese Art innere Gelassenheit fördern. Eine bewusste, längere Pause ist meist eher in Übungssituationen passend. Vielleicht gibt es bestimmte Gespräche oder Beziehungen, in denen es funktionieren würde, eine längere Pause zu machen, aber generell ist es hilfreich, die Pausen kurz und weniger offensichtlich zu halten.

      6 Unsere sozialen Institutionen sind von den Gedanken- und Wahrnehmungsmustern geprägt, die unsere Kommunikation bestimmen (und verstärken diese zugleich). Daher muss ein zentraler Bestandteil der Arbeit an der Transformation dieser Institutionen parallel die innere Arbeit sein, mit der wir unser Bewusstsein transformieren. Anderenfalls laufen wir Gefahr, genau die Systeme zu reproduzieren, die wir eigentlich ändern wollen.

      7 Menschen sind soziale Geschöpfe, die sich viele Bedürfnisse in Gegenseitigkeit erfüllen. Im Laufe der Evolution lebten wir in kleinen Gruppen, die gemeinsam dafür sorgten, die Bedürfnisse der Sippe nach Schutzraum, Nahrung und Sicherheit zu erfüllen. Diese Ursprünge drücken sich auf vielfältige Weise aus. Während eines Menschenlebens verändert sich das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit im Laufe der Zeit. Es ist wissenschaftlich klar belegt, dass Menschen nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren ein physiologisches Bedürfnis nach Verbundenheit haben (sichere, gesunde menschliche Berührung und soziale Interaktion). Das Wachstum und die Entwicklung des menschlichen Gehirns und des Nervensystems hängen davon ab, dass wir kontinuierlichen Kontakt und soziale Interaktionen mit gesunden, gut regulierten Erwachsenen haben.Wenn wir älter werden, wird soziale Verbundenheit relevant für die Entwicklung von Empathie und emotionaler Intelligenz. Im Jugendalter zeigt sich dies psychologisch in der Herausbildung der Identität und der Entwicklung von Ich-Stärke sowie auch biologisch im Fortpflanzungstrieb. Im Erwachsenenalter bleibt die Relevanz des Bedürfnisses nach sozialer Verbundenheit in dieser Form bestehen (ergänzt durch die spirituelle Ebene, die Erkundung von Bewusstsein und der Subjekt-Objekt-Dualität) und führt zudem zu der Strategie zusammenzuarbeiten, um sich miteinander und gegenseitig weitere Bedürfnisse zu erfüllen, falls gewollt oder notwendig.

      8 Als soziale Wesen haben wir feine Antennen für das, was unsere Nervensysteme uns über andere Menschen und über unsere Umgebung mitteilen. Soziale Interaktion kann das Nervensystem beruhigen oder aktivieren, je nach den Umständen und dem inneren Zustand der Beteiligten.

      9 Schlüsselaspekte unserer Kommunikation werden vom vagalen System gesteuert (eine Nervenkonstellation, die den Vagus und den Trigeminus umfasst). Das Innenohr filtert irrelevante Geräusche heraus und stellt sich auf die menschliche Stimme ein; die Gesichtsmuskeln bringen Emotionen und andere Signale zum Ausdruck; der Kehlkopf steuert den Ton der Stimme und die Artikulation beim Sprechen. All das ist Teil des menschlichen Social Engagement System (SES), dem dritten Zweig des autonomen Nervensystem, einzigartig in seiner evolutionären Entwicklungsgeschichte wie auch in seiner neuronalen Architektur (siehe die beiden folgenden Anmerkungen).Diese Konzepte stammen aus der bahnbrechenden Polyvagal-Theorie von Stephen Porges. Siehe Porges, Stephen W.: Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation und ihre Entstehung, Paderborn: Junfermann 2010 (orig. The Polyvagal Theory. Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, and Self-Regulation, New York: W. W. Norton 2011).

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