Sag mir, was du wirklich meinst. Oren Jay Sofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813693
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      Wählen Sie zum Üben jemanden aus, in dessen Gegenwart Sie sich wohlfühlen. Vertrautheit macht es einfacher, etwas zu lernen. Nehmen Sie während des Gesprächs wahr, wann Sie sich zum Sprechen entscheiden. Falls Sie feststellen, dass Sie reden, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben, versuchen Sie, innezuhalten und der anderen Person Raum zu geben. Achten Sie darauf, wie es ist, sich bewusst dafür zu entscheiden, etwas zu sagen, anstatt dies automatisch zu tun. Achten Sie insbesondere auf Gefühle von Dringlichkeit, Widerstand oder innerem Druck. Nutzen Sie diesen Druck als Signal, eine bewusstere Entscheidung zu treffen.

      Meetings

      Im Zusammensein mit mehreren Menschen fühlt man sich meist freier, nichts zu sagen, als in einem Gespräch unter vier Augen. Wenn Sie das nächste Mal in einem Meeting sind, achten Sie darauf, wie der Impuls zu sprechen im Verlauf des Gesprächs stärker und schwächer wird. Wenn Sie etwas Wichtiges sagen möchten, entscheiden Sie sich, wann Sie das tun möchten. Sie können immer mit dem Satz beginnen: »Ich würde gern noch einmal auf etwas zurückkommen, worüber wir vorhin gesprochen haben.« Nehmen Sie wahr, wie Sie sich fühlen, nachdem Sie gesprochen haben. Verspüren Sie Erleichterung, Ängstlichkeit, Selbstzweifel?

      Schriftliche Kommunikation

      Experimentieren Sie damit, sich bewusst zu entscheiden, wann Sie Ihren Nachrichteneingang oder die sozialen Medien öffnen (also »zuhören«). Bevor Sie auf eine Nachricht antworten, halten Sie inne und überlegen, ob Sie »sprechen« möchten oder nicht. Ist es der richtige Zeitpunkt? Wäre es hilfreich, zu warten oder einfach gar nichts zu sagen?

      Sinn dieser Übung ist es, unsere Muster kennenzulernen. Sprechen wir meistens entspannt und frei? Fällt es uns eher schwer, den anderen Raum zu lassen? Fühlen wir uns wohler, wenn wir zuhören können, und haben wir Schwierigkeiten, uns zu Wort zu melden?

      Bei den meisten von uns liegt die Stärke auf der einen oder der anderen Seite. Umstände und Ereignisse, die mit unserem Geschlecht, unserer ethnischen Zugehörigkeit, unserer sozialen Schicht oder anderen soziokulturellen Merkmalen zu tun haben, prägen auch, wie wir uns in Beziehungen verhalten. Uns allen wurde vermittelt, welches Verhalten von uns erwartet wird – explizit und implizit, persönlich wie auch durch die Medien, verschiedene Narrative und unsere Kultur. Durch Signale der Anerkennung oder der Missbilligung, durch Zugehörigkeit oder Ausschluss lernen wir, basierend auf unserer Rolle und den Erwartungen der anderen, was das Sicherste ist.

      Unsere Aufgabe besteht nun darin, diese Muster aufzudecken und eine authentische Freiheit im Ausdruck zu entwickeln. Es gibt dabei kein Ideal, nicht die eine Option, die unter allen Umständen zu wählen wäre. Das Ziel ist eher, durch Präsenz in eine dynamische Flexibilität zu finden, sodass wir entscheiden können, ob es gerade eher angebracht ist, zu sprechen oder zuzuhören.

      Die Macht des Tempos: Innehalten

      Wenn ich nur eine einzige Methode empfehlen könnte, um Präsenz zu üben, dann wäre es das Innehalten. Der Raum, der entsteht, wenn wir innehalten, kann eine gewaltige Optimierung bewirken. Einer meiner Kollegen bringt inhaftierten Jugendlichen Meditation bei. In seinen Kursen erzählt er eine Geschichte über seine Arbeit in Gefängnissen. Er fragte die männlichen Delinquenten, wie lange sie einsitzen müssen, und oft summierten sich ihre Strafen zu weit über hundert Jahren auf. Dann fragte er: »Wie lange habt ihr über das Verbrechen, das euch hierhergebracht hat, nachgedacht, bevor ihr es begangen habt?« ­Zusammengenommen waren es oft weniger als zwei Minuten. Angesichts dieser enormen Unverhältnismäßigkeit erklärt mein Kollege den Jugendlichen: »Achtsamkeit hilft euch, zwischen einem Impuls und eurer Reaktion innezuhalten, sodass ihr mehr Entscheidungsfreiheit habt, was ihr mit eurem Leben anfangen wollt.«

      Das Innehalten ist reich an Möglichkeiten. In einem Atemzug können wir Gedanken, Gefühle und Impulse wahrnehmen und entscheiden, welchen davon wir folgen wollen. Es ist wie eine Meditation im Kleinformat, ein Tropfen Präsenz, der uns hilft, klar und ausgeglichen zu bleiben. Was im Raum des Innehaltens geschieht, ist offen. Wir können unsere Aufmerksamkeit im Körper erden oder innere Spannungen lösen, zu einer bestimmten Intention zurückkehren, mit unseren Gefühlen so umgehen, dass sie nicht auf ungünstige Weise aus uns hervorbrechen, oder uns im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Gesprächs gedanklich sammeln.

      Innehalten ist sowohl eine Unterstützung für als auch ein natürlicher Ausdruck von achtsamer Präsenz. Je mehr ich meines Körpers gewahr bin, desto eher kann ich Erregung in meinem Nervensystem und die damit einhergehenden Veränderungen in meinem Sprechtempo oder meiner Lautstärke wahrnehmen. Ich kann mit dieser Welle von Energie mitgehen (und zum Beispiel Begeisterung oder Frustration ausdrücken) oder auf die Bremse treten. Ähnlich wie bei den Entscheidungspunkten geht es nicht darum, monoton, flach oder immerzu ganz ruhig zu sprechen, sondern vielmehr Geschick und Kompetenz in vielen verschiedenen Situationen zu entwickeln.

      Die Pause ist flexibel, die Länge ist von der Situation abhängig. Man kann auch eine Mikropause machen: eine kaum wahrnehmbare Lücke im Sprechfluss, die einem gerade genug Zeit gibt, die Aufmerksamkeit im Körper zu erden oder sich noch einmal auf die eigene Intention auszurichten.

      Übung: Innehalten

      Wenn Sie einen Übungspartner für dieses Buch haben, stellen Sie einen Timer auf fünf Minuten, und sprechen Sie über etwas, was Sie kürzlich getan haben und Ihnen Spaß gemacht hat. Versuchen Sie beide, einen Atemzug innezuhalten, bevor Sie anfangen zu sprechen. Probieren Sie aus, in einem Satz oder zwischen zwei Gedanken einen Atemzug lang innezuhalten. Bringen Sie während der Pause Ihre Aufmerksamkeit zu einem Bezugspunkt im Körper oder zu Ihrer gesamten Präsenz.

      Dadurch wird sich das Tempo des Gesprächs deutlich verlangsamen, und wahrscheinlich wird es sich unnatürlich anfühlen. Es ist eine Übung, bei der Sie damit experimentieren, innezuhalten und bewusst in die Präsenz zurückzukehren, in etwa so, als würde man beim Tennis den Aufschlag in Zeitlupe üben.

      Sie können auch damit experimentieren, in weniger wichtigen Gesprächen bewusste Pausen zu machen. Probieren Sie aus, einen Atemzug lang zu pausieren, bevor Sie sprechen oder antworten, und auf diese Weise Ihre Aufmerksamkeit zu sammeln und im Körper zu erden. Das heißt nicht, dass Sie sich seltsam benehmen oder lange, tiefe Atemzüge nehmen müssen! Verlangsamen Sie einfach ein wenig Ihre Rede, und halten Sie inne, um sich zu besinnen.

      Probieren Sie das Ganze auch etwas weniger offensichtlich aus, und halten Sie einige Male inne – einen Moment lang, bevor Sie anfangen zu sprechen, oder einen Herzschlag lang zwischen zwei Gedanken. Wie wirkt sich das auf Ihren inneren Zustand aus? Und auf die Qualität des Kontakts?

      Innehalten ist nicht immer leicht. Selbst wenn wir uns daran erinnern, kann es schwer sein, Raum in einem Gespräch zu schaffen, zumindest auf eine üblicherweise akzeptierte Art. Vielleicht machen wir uns Sorgen, dass wir dann nicht mehr zu Wort kommen oder desinteressiert wirken. Hier sind einige Möglichkeiten, wie Sie eine Pause einlegen und dies signalisieren können:

       Nehmen Sie einen tiefen, hörbaren Atemzug (betonen Sie die Ausatmung).

       Signalisieren Sie die Pause mit einem kurzen Laut, dass Sie nachdenken, etwa: »Hm …«

       Signalisieren Sie die Pause mimisch, etwa indem Sie nach oben und zur Seite schauen oder die Stirn runzeln.

       »Ich weiß es nicht genau. Ich würde gern darüber nachdenken.«

       »Lass mich einen Augenblick darüber nachdenken.«

       »Können wir eine kurze Pause machen? Ich würde gern meine Gedanken sammeln.«

       »Ich würde wirklich gern genauer darüber nachdenken. Kann ich dich später noch mal darauf ansprechen?«

      Falls alles andere nicht funktioniert, schaffen Sie eine Ablenkung. Wenn Sie in einem Restaurant oder in einer Besprechung sind, entschuldigen Sie sich, und gehen Sie auf die Toilette. Ich habe sogar von jemandem gehört, der seine Schlüssel