BGHZ 123, 93 = NJW 1993, 2441 mit Bspr. K. Schmidt, JuS 1993, 1062.
aa) Die Zweckerklärung
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Bei der nichtakzessorischen Sicherungsgrundschuld bestimmt der Sicherungsvertrag den Zweck, den die Bestellung hat (während der Sicherungszweck bei der Hypothek aus der Akzessorietät folgt, vorst. Rn. 170). Der Zweck liegt darin, eine oder auch mehrere Forderungen des Gläubigers zu sichern (oben Rn. 72). Die Individualisierung der zu sichernden Forderungen muss sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – aus dem Sicherungsvertrag ergeben, weil sonst nicht feststeht, wann der Sicherungsfall eintritt (oben Rn. 74), der Voraussetzung der Verwertung des Grundstücks durch Versteigerung und zugleich für das Recht zur Kündigung der Grundschuld nach § 1193 (nachf. Rn. 214) ist. Notwendiger Bestandteil des Sicherungsvertrags ist deshalb die rechtsgeschäftliche Einigung der Parteien über den Sicherungszweck, also die Festlegung der gesicherten Forderung. Diese Zweckerklärung (Zweckbestimmungserklärung) ist Bestandteil des Sicherungsvertrags und bestimmt infolgedessen den Sicherungsumfang. Die Sicherungszweckerklärung kann eine bestimmte Forderung aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB bezeichnen, aber auch eine Vielzahl von Forderungen und künftige Forderungen (oben Rn. 24). So kann eine Grundschuld der Sicherung aller zukünftigen Forderungen aus laufender, z.B. bankmäßiger[1] Geschäftsverbindung (Kontokorrent) dienen, sei persönlicher Schuldner (also Partner der Geschäftsverbindung) zugleich der Grundstückseigentümer oder sei ein Dritter als Interzessionar der Sicherungsgeber (oben Rn. 106).
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Die zu sichernde Forderung kann mangelhaft, z.B. der Darlehensvertrag wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 oder nach den Grundsätzen sittenwidrige Konsumentenkredite nach § 138 Abs. 1 BGB[2] nichtig sein. Ist der Darlehensnehmer zugleich Verbraucher nach § 13 BGB und der Darlehensgeber Unternehmer nach § 14, kann der Darlehensvertrag wegen Formverstoßes nach §§ 494, 491 Abs. 3 Nr. 1, 125 – vorbehaltlich der Heilung nach § 494 Abs. 2 – nichtig sein, sodass der Sicherungszweck von vornherein verfehlt wird. Eine Fremdhypothek kann nicht entstehen, sondern das eingetragene Grundpfandrecht ist gem. § 1163 Abs. 1 Satz 1 Eigentümergrundschuld (nachf. Rn. 392). Die eingetragene Grundschuld ist zwar Fremdgrundschuld, aber sie ist auf den Eigentümer zurückzuübertragen. Sollte, wie meist in diesen Fällen, auch der Sicherungsvertrag nichtig sein, gründet sich der Rückübertragungsanspruch auf § 812 BGB (nachf. Rn. 215). Allerdings kann ein wirksam gebliebener Sicherungsvertrag so auszulegen sein, dass die gesicherte Forderung auch der Bereicherungsanspruch des Darlehensgebers ist[3], der als Folge der Nichtigkeit des Darlehensvertrags entsteht (vgl. auch vorst. Rn. 158 und unten Rn. 1043). Dann bleibt insoweit ein Sicherungszweck erhalten. Entsprechendes gilt für Ansprüche, die aufgrund Widerrufs des Darlehensvertrags (§§ 355, 495, 312) nach §§ 357, 346 ff. entstehen[4].
Anmerkungen
So Nr. 12, 13 AGB-Banken; hierzu gehören nicht Prozesskosten, BGH WM 1997, 2355 mit Komm. Heinrichs, EWiR § 1191 BGB 1/98, 113 und nicht notwendigerweise Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigungen, OLG Rostock WM 2001, 1377 mit Anm. Wenzel, WuB I F 3. – 4.01 und Komm. Fraune, EWiR § 3 AGBG 5/01, 977.
Z.B. BGHZ 128, 255; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 33 ff.
OLG Celle WM 2002, 2453; anders nach Lage des Einzelfalls OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 447; Joswig, ZfIR 2000, 184 (187).
BGH WM 2003, 64 zu III. 2. mit Anm. Koch, WuB IV C. – 1.03 und Komm. R. Weber, EWiR § 3 HWiG 2/03, 639; BGH NJW 2003, 2410 zu III. 1. mit Anm. Mankowski, WuB IV D. – 2.04.
bb) Vorformulierte Sicherungszweckerklärung
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Den Inhalt der Zweckerklärung können die Parteien privatautonom bestimmen, ihre Reichweite kann durch Auslegung zu ermitteln sein (z.B. Erstreckung auf Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB[1], auf Nichtabnahmeentschädigung[2], auf abgetretene Darlehensansprüche – Vorausdarlehen bei Bausparkassenfinanzierung[3]). Schranken der Inhaltsbestimmung können jedoch auftreten, wenn die Zweckerklärung vom Sicherungsnehmer als Verwender, insbesondere einem Kreditinstitut, als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Vertrag einbezogen wurde (§§ 305 Abs. 2, 310 Abs. 1 BGB).
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(1) Eine Kontokorrentklausel, die zugleich Allgemeine Geschäftsbedingung ist, kann so ungewöhnlich sein, dass der Vertragspartner des Verwenders, also Grundeigentümer resp. persönlicher Schuldner, mit ihr nicht zu rechnen braucht. Ob die Klausel demgemäß überraschenden Charakter hat, sodass sie gem. § 305c BGB nicht Vertragsbestandteil wird, richtet sich nach subjektiven, wenn auch überindividuell-generalisierten Erwartungen in der Person von Eigentümer resp. persönlichem Schuldner; es findet eine objektive Kontrolle privat gesetzter Normen statt. Die AGB des Verwenders können sich an verschiedene Personenkreise richten und deshalb auch die Erwartungen der Vertragspartner unterschiedlich sein. Folglich kann der Überrumpelungseffekt[4], der den überraschenden Charakter einer AGB ausmacht, bei dem einen Personenkreis anzunehmen sein, beim anderen Personenkreis nicht. Vertragspartner des Verwenders können Privatpersonen einerseits oder Unternehmer andererseits sein (unten Rn. 984). Ist die Vertragspartei des AGB-Verwenders, z.B. einer Bank, Privatperson, kann sich die Unwirksamkeit nach § 305c daraus ergeben, dass die Grundschuld der Sicherung eines bestimmten, nicht vom Grundeigentümer, sondern von einem Dritten aufgenommenen Darlehens diente, das Anlass der Grundschuldbestellung war (s. auch unten Rn. 985), der Sicherungsumfang durch die Klausel aber in einem nicht zu erwartenden Ausmaß auf eine Vielzahl anderer, auch zukünftiger Ansprüche des Darlehensgebers gegen den Dritten als persönlichem Schuldner ausgedehnt wird (weite Zweckerklärung)[5]. Aber auch gegenüber Kaufleuten und anderen Unternehmern kann der Überrumpelungseffekt bestehen[6]. Sieht man diesen Anlass als das vor dem Formular individuell Verabredete an, folgte die Unverbindlichkeit der weiten Zweckerklärung bereits aus dem Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB[7]. Für die Hypothek stellt sich das Problem nicht, weil sämtliche zu sichernde Forderungen, auch zukünftige (§ 1113 Abs. 2, 1192), gemäß § 1115 bei der Eintragung im Grundbuch einzeln und mit ihrem Betrag zu bezeichnen sind, was im Allgemeinen nicht gelingen dürfte.
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Voraussetzung für die Bewertung