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(2) Umstritten ist, ob eine weite und anlassferne Sicherungszweckerklärung eine treuwidrige und unangemessene Benachteiligung für den Sicherungsgeber darstellt und deshalb gem. § 307 BGB unwirksam ist, so dass es anders als in der Bewertung nach § 305c BGB auf die Erwartungen des Grundstückseigentümers, resp. persönlichen Schuldners, als Vertragspartner des Verwenders, also beispielsweise der Bank, nicht ankäme. Eine dem Bürgschaftsrecht in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB entsprechende Regelung, wo das Verbot der Fremddisposition – sogar im Verhältnis zu Kaufleuten als Vertragspartner des Verwenders[19] – im Hinblick auf zukünftig entstehende Forderungen Ausdruck gefunden hat (unten Rn. 985), fehlt für Grundpfandrechte, so dass die Unwirksamkeit nicht unmittelbar auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – Abweichung von einer gesetzlichen Regelung – gestützt werden kann. Daraus zieht der XI. Zivilsenat des BGH den Schluss, dass der Umfang der Zweckbindung freier Vereinbarung unterliege[20]. Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für Bürgschaft einerseits und Grundpfandrechte andererseits rechtfertigten sich daraus, dass das Grundpfandrecht notwendigerweise auf einen bestimmten Betrag (vorst. Rn. 157) und als Realsicherheit auf einen bestimmten Gegenstand, eben das Grundstück, begrenzt sei[21]. Deshalb könne der Grundschuldbesteller, anders als ein Bürge, durch die Erstreckung des Sicherungszwecks auf künftige Forderungen nicht sein zukünftig erworbenes Vermögen verlieren[22]. Allerdings ist Ausgangspunkt jeder Bewertung nach § 307 BGB, dass der Vertragsgegenstand an sich freier Vereinbarung unterliegt; namentlich eine Bürgschaft kann wirksam zur Sicherung von Kontokorrentverbindlichkeiten eingegangen werden, wenn gerade derartige Verbindlichkeiten Anlass des Bürgschaftsvertrages sind (unten Rn. 991). Die Treuwidrigkeit liegt vielmehr darin, dass dem Sicherungsgeber eine Haftung gleichsam untergeschoben wird, die nicht Inhalt des Vertrages war, den er abschließen wollte. Nur bei vordergründiger Sicht scheint der Sicherungsgeber einer Grundschuld gegen den Verlust zukünftigen Vermögens geschützt zu sein; er kann durchaus genötigt sein, es einzusetzen, um den Verlust seines Grundstücks aufgrund ständig neu entstehender Verbindlichkeiten des Hauptschuldners zu vermeiden. Die unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers liegt darin, dass er die Verbindlichkeit des Hauptschuldners, für die er sein Grundstück belasten wollte, tilgt und doch immer noch mit dem Grundstück verhaftet bleibt[23]. Außerdem verhindert die weite Sicherungszweckerklärung die Verwirklichung des – bereits aufschiebend bedingt entstandenen – Rückübertragungsanspruchs (nachf. Rn. 217), der seinerseits für Kreditsicherungszwecke einsetzbar ist (vgl. nachf. Rn. 362). Das in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB formulierte Verbot der Fremddisposition erscheint demgemäß nicht bürgenspezifisch, sondern als Ausprägung eines allgemeinen, auch für andere Drittsicherungen geltenden Rechtsgedankens. Dass dieser Rechtsgedanke im Recht der Grundschuld keinen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat, erklärt sich leicht aus dem Verweis auf das Hypothekenrecht in § 1192 Abs. 1, wo die Problematik wenig virulent wird, weil die gesicherte Forderung im Grundbuch und folglich zuvor in der Eintragungsbewilligung des Grundeigentümers zu bezeichnen ist (vorst. Rn. 157). Die später entstehenden Sicherungsforderungen aus der weiten Sicherungszweckerklärung finden sich dagegen nicht im Grundbuch. Richtigerweise ist infolgedessen anzunehmen, dass weite Zweckerklärungen nicht anderer Bewertung nach § 307 BGB unterliegen wie im Falle von Bürgschaften[24]. Anlassferne, zukünftige Verbindlichkeiten des Hauptschuldners können wirksam nur kraft Individualvereinbarung in den Sicherungszweck einbezogen werden. Der Rechtsgedanke aus § 767 Abs. 1 Satz 3 erfasst freilich nicht gegenwärtige, im Zeitpunkt des Sicherungsgeschäfts schon bestehende Verbindlichkeiten des persönlichen Schuldners (unten Rn. 987); hier bewendet es bei § 305c resp. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB (nachf. Rn. 179). Auch hier ist nach Lage des Einzelfalls ein Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB[25] denkbar.
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Jenseits dieser Kontroverse folgt eine besondere rechtliche Betrachtung daraus, dass der private Grundschuldbesteller zugleich Verbraucher i.S.v. § 310 Abs. 3 i.V.m. § 13 BGB ist. Infolgedessen sind bei der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB nicht nur abstrakt-generelle Kriterien anzulegen, sondern gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 auch die besonderen situativen Umstände des Einzelfalls ergänzend und korrigierend[26] zu berücksichtigen, wie das auch für die Beurteilung als Haustürgeschäft gilt (nachf. Rn. 187). Danach kann sich die Unwirksamkeit der Zweckerklärung, soweit sie über den Anlass für das Sicherungsgeschäft hinausgeht, aus struktureller Unterlegenheit (vgl. Rn. 941) des Eigentümer resp. persönlichen Schuldner gegenüber der Bank ergeben, weil keine Ausweichmöglichkeiten angesichts gleichförmiger Verhaltensweisen aller Banken bestehen[27].
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Die Erstreckung der dinglichen Haftung auf anlassferne Forderungen ist zu unterscheiden von einer Klausel, durch die der Grundschuldbesteller zugleich die persönliche Haftung für die Schuld eines Dritten übernimmt (zum umgekehrten Fall bei der Bürgschaft unten Rn. 995); sie stellt eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar[28]. Wirksam kann aber ein Schuldanerkenntnis nach § 780 BGB sein, mit dem die persönliche Haftung für den Betrag der Grundschuld übernommen wird (nachf. Rn. 213).
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Von der sich aus § 366 BGB ergebenden Tilgungsreihenfolge kann aufgrund von § 307 BGB nicht durch AGB abgewichen werden (nachf. Rn. 238, 249).
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(3) Rechtsfolge des überraschenden oder treuwidrigen Charakters einer Klausel ist ihre Unwirksamkeit (§ 306 Abs. 1 BGB), aber im Allgemeinen nicht des Sicherungsvertrags insgesamt (§ 306 Abs. 3 BGB) und schon gar nicht der dinglichen Einigung (Pfandvertrag, vorst. Rn. 155). Das Grundbuch wird also nicht etwa unrichtig. Ist die Klausel teilbar, bleibt der unbedenkliche Teil wirksam, d.h. die