Aus all dem folgt, dass der Gläubiger Besitzer des Briefes sein kann, ohne das Grundpfandrecht erworben zu haben, nämlich dann, wenn keiner der genannten Besitzerwerbstatbestände gegeben ist. Ob das der Fall ist, kann streitig sein. Um solchen Streit zu schlichten, begründet § 1117 Abs. 3 eine Vermutung: Ist der Gläubiger im Besitz des Briefes – unmittelbarem oder mittelbarem – wird vermutet, dass die Übergabe erfolgt sei. Allerdings reicht die Vermutung gem. § 1117 Abs. 3 noch nicht aus, um davon ausgehen zu können, der Gläubiger sei Grundpfandrechtsinhaber, weil ja auch die unstreitige Briefübergabe dazu nicht ausreicht. Es müssen Einigung gem. § 873 und die Eintragung im Grundbuch hinzukommen. Hier steht die allgemeine Vermutungsregelung von § 891 offen: Ist im Grundbuch für jemanden ein Recht eingetragen, so wird vermutet, dass ihm das Recht zustehe. Wer also im Grundbuch als Grundpfandgläubiger eingetragen ist und den Brief hat, ihm aber trotzdem die Inhaberschaft streitig gemacht wird, für den streitet gem. § 891 BGB die Vermutung, dass der Brief übergeben worden sei. Diese beiden Vermutungen können nur durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden (§ 292 ZPO). Gelingt dieser Beweis nicht, ist der Eingetragene als Grundpfandgläubiger anzusehen.
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Wie ist die Rechtslage, solange der Brief noch nicht übergeben und die Übergabe auch noch nicht ersetzt worden ist? Das Grundpfandrecht ist ja schon im Grundbuch eingetragen und existiert. Kann es gem. § 1117 Abs. 1 nicht dem Gläubiger gehören, so verbleibt der Eigentümer, dem es zusteht, wie § 1163 Abs. 2 bestätigt. Bis zur Übergabe des Briefs besteht also eine Eigentümergrundschuld.
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bb) Die Entstehung der Eigentümergrundschuld können die Parteien gem. § 1117 Abs. 2 vermeiden. Die Übergabe, der Realakt, kann danach durch eine Vereinbarung, also durch übereinstimmende Willenserklärungen – auch im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen[3] –, ersetzt werden[4], nämlich durch die sog. Aushändigungsabrede. Danach ist der Gläubiger berechtigt, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (§ 60 Abs. 2 GBO). Bereits mit dem Abschluss dieser Vereinbarung, also vor der tatsächlichen Übergabe durch das Grundbuchamt, wird der Gläubiger Inhaber des Grundpfandrechts. Wird die Aushändigungsabrede zusammen mit der dinglichen Einigung getroffen, kann von Anfang an ein Fremdgrundpfandrecht für den Gläubiger entstehen. In diesem Fall gilt andererseits die Vermutungsregelung aus § 1117 Abs. 3 nicht (vorst. Rn. 164): Der – zukünftige – Hypothekar ist ja weder mittelbarer noch unmittelbarer Besitzer (vorst. Rn. 162 ff.)[5].
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cc) Eine Inhaberbriefgrundschuld kann nach Maßgabe von § 1195 Satz 1 (vgl. vorst. Rn. 123) begründet werden. Das dingliche Verwertungsrecht kann danach der jeweilige Inhaber des Briefs durchsetzen, der auf diesem nicht namentlich bezeichnet wird. Wie die Inhabergrundschuld bestellt wird, bestimmt § 1195 Satz 2: Aus dem Verweis auf die Vorschriften über Hypotheken für Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§ 1188, nachf. Rn. 408) folgt, dass zur Bestellung die einseitige Erklärung des Grundeigentümers genügt.
Anmerkungen
H.M., siehe nur Zöllner, Wertpapierrecht, § 3 III. 4. b. (S. 18) und oben Fußnote 11.
Einzelfragen dazu Rutke, WM 1987, 93 und BGH WM 1982, 1431; BGHZ 85, 263; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 711.
Instruktiv Saar/Posselt, JuS 2002, 778 (780).
Freilich enthält die Übergabe i.S.v. § 1117 auch ein rechtsgeschäftliches Element, nämlich die Besitzeinräumung zum Zweck des Grundpfandrechtserwerbs: Staudinger/Wolfsteiner, § 1117 BGB Rn. 2; MünchKomm/Lieder, § 1117 BGB Rn. 12. Daher genügt es nicht, wenn der Gläubiger ohne Zustimmung des Erwerbers einseitig von dem Brief Besitz ergreift.
BayObLGZ 73, 246 (250); RGRK/Mattern, § 1117 BGB Rn. 20.
c) Änderung
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Das Buchgrundpfandrecht kann in ein Briefgrundpfandrecht, dieses in ein Buchgrundpfandrecht durch Einigung (§ 873) zwischen Eigentümer und Gläubiger sowie Eintragung im Grundbuch umgewandelt werden (§ 1116 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3). Der Grundeigentümer kann das Buchgrundpfandrecht auch von vornherein für sich selbst, also als Eigentümerbuchgrundpfandrecht, bestellen und so den Rang wahren (vorst. Rn. 111).
a) Dogmatische und praktische Bedeutung
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Der rechtliche Grund für das in der Verpfändung liegende dingliche Rechtsgeschäft, die causa (vorst. Rn. 155), kann ein Auftrag oder eine Schenkung sein (oben Rn. 61), womit sich der Eigentümer zur Verpfändung verpflichtet. Dient die Grundschuld der Sicherung eines Kredits, ist causa ein Sicherungsvertrag[1]. Eine darauf beruhende Grundschuld ist Sicherungsgrundschuld (s. auch vorst. Rn. 122 und nachf. Rn. 328). Der Sicherungsvertrag und nicht etwa der Vertrag über die zu sichernde Forderung, z.B. über einen Kredit als Darlehensvertrag nach § 488 BGB[2], bildet den Rechtsgrund (oben Rn. 40, Partei des Kreditvertrages braucht der Grundeigentümer gar nicht zu sein, er kann das Grundpfandrecht für die Schuld eines Dritten, des Kreditnehmers, begründen, und einem Bürgen ähnlich Interzessionar sein – vorst. Rn. 129 und nachf. Rn. 229; auch Partei des Sicherungsvertrags braucht nicht der Eigentümer, sondern kann der persönliche Schulnder sein, nachf. Rn. 244 und 338). Im Sicherungsvertrag bestimmen die Parteien den Sicherungszweck (oben Rn. 72), namentlich die Forderung, die gesichert werden soll. Dementsprechend verpflichtet der Sicherungsvertrag den Schuldner einseitig, das Grundpfandrecht zu bestellen, während der Gläubiger in der Begründungsphase (oben Rn. 76) allenfalls Nebenpflichten hat. Die Abwicklungsphase, die mit der Erledigung des Sicherungszwecks beginnt (oben Rn. 82), kann aber Vertragspflichten des Gläubigers auslösen, nämlich auf Rückübertragung einer Sicherungsgrundschuld (nachf. Rn. 215), die er treuhänderisch hält. Der Sicherungsvertrag ist nicht Gegenstand der meist zwingenden gesetzlichen Regelungen