Die ersten 100 Jahre des Christentums 30-130 n. Chr.. Udo Schnelle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Udo Schnelle
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846346068
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Qualität. Gilt die Beschneidung aus jüdischer Sicht als umfassender Treueerweis Abrahams gegenüber den Geboten Gottes, so trennt Paulus die Beschneidung von der Glaubensgerechtigkeit. Sie ging der Beschneidung voran, so dass die Beschneidung lediglich als eine nachträgliche Anerkennung und Bestätigung des neuen Status der Glaubenden verstanden werden kann.

      Eine Schlüsselstellung nahm Ps 110,1LXX bei der Herausbildung der frühen Christologie ein25: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich dir deine Feinde als Schemel unter deine Füße lege.“ Hier fanden die frühen Christen den maßgeblichen Schriftbeleg für Jesu himmlische Würde und Funktion: Er wurde zur Rechten Gottes erhöht, hat Anteil an der Macht und Herrlichkeit Gottes und übt von dort seine Herrschaft aus (vgl. 1Kor 15,25; Röm 8,34; Mk 12,36; 14,62; Mt 22,44; 26,64; Lk 20,42; 22,69; Apg 2,34; Kol 3,1; Eph 1,20; Hebr 1,3.13; 8,1; 10,12). In diesem Kontext übertrugen die ersten Christen schon sehr früh die für Gott geläufige Anrede ‚Herr‘ auf Jesus (vgl. die Aufnahme von Joel 3,5LXX in Röm 10,12f; ferner 1Kor 1,31; 2,16; 10,26; 2Kor 10,17) und brachten damit seine einzigartige Autorität in Abgrenzung zu anderen Ansprüchen zum Ausdruck26. Bei der Ausformung der Sohnes-Christologie (vgl. 1Thess 1,9f; Röm 1,3b–4a; Mk 1,11; 9,7) dürfte Ps 2,7 („Kundtun will ich den Beschluss des Herrn: er sprach zu mir: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“; vgl. ferner 2Sam 7,11f.14) eine zentrale Bedeutung eingenommen haben.

      Als intertextuelles Phänomen leistet die christologische Relecture der Schrift zweierlei: Sie stellt die atl. Referenztexte in einen neuen Sinnhorizont und legitimiert zugleich die eigene theologische Position der ntl. Autoren. Dabei bildet nicht das Eigengewicht der Schrift, sondern Gottes endzeitliches Heilshandeln in Jesus Christus die sachliche Mitte ihres Denkens. Zentrale Inhalte jüdischer Theologie (Tora, Erwählung) werden neu bedacht und der Schrifttext in einen produktiven intertextuellen Interpretationsprozess hineingenommen.

      Ausgehend von der Verkündigung und dem Wirken Jesu27 und neu inspiriert durch das Ostergeschehen bedachten die frühen Christen von Anfang an in vielfältiger Weise die anhaltende Bedeutsamkeit des Christusgeschehens. Sie mussten den Status Jesu Christi neu bestimmen, vor allem im Hinblick auf sein Verhältnis zu Gott. Dazu bedienten sie sich der Wissensvorräte der jüdischen und hellenistischen Tradition, nahmen umfassende Zuschreibungen vor und führten Jesus Christus als neuen Diskursgründer ein, von dem aus sie eine neue religiöse Welt konzipierten.

      Gott ist einer, aber er ist nicht allein

      Die Grundlage dieser neuen Welt bildeten jüdische Basissätze, die wichtige Verstehenskategorien lieferten: Gott ist einer, er ist der Schöpfer, der Herr und der Erhalter der Welt; er hat Israel aus den Völkern erwählt, ihm das Land und die Tora geschenkt und den Tempel in Jerusalem zu seinem Wohnort erkoren (s.o. 3.3.1/s.u. 5.3). Traditionen des antiken Judentums28 ermöglichten es auch, am Monotheismus festzuhalten, zugleich aber Jesus von Nazareth als images („Messias“), images („Herr“) und images („Sohn Gottes“) zu bezeichnen. Nach jüdischer Vorstellung gibt es nur einen Gott, aber er ist nicht allein. Zahlreiche himmlische Mittlergestalten wie die Weisheit (vgl. Prov 2,1–6; 8,22–31; Sap 6,12–11,1), der Logos oder die Namen Gottes haben ihre Heimat in unmittelbarer Nähe zu Gott29. Biblische Patriarchen wie Henoch (vgl. Gen 5,18–24)30 oder Mose und Erzengel wie Michael31 umgeben Gott und wirken nun in seinem Auftrag. Als Teilhaber an der himmlischen Welt sind sie Gott untergeordnet, sie gefährden in keiner Form den Glauben an den einen Gott. Als geschaffene und untergebene Kräfte treten sie in keine Konkurrenz zu Gott, als göttliche Attribute beschreiben sie in der Sprache menschlicher Hierarchie die Aktivitäten Gottes für die Welt und in der Welt.

      Auferstehung der Toten

      Das Judentum bildet auch bei der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten den religionsgeschichtlichen Rahmen und Hintergrund, hier bildete sich diese Vorstellung im Rahmen der Apokalyptik im 3./2. Jh. v.Chr. heraus32. Der einzig unbestrittene Auferstehungstext im AT ist Dan 12,2f: „Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.“ Als zweiter zentraler Text ist Jes 26,19 zu nennen, ein redaktioneller Zusatz aus frühhellenistischer Zeit: „Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird wachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts; die Erde gibt die Toten heraus“ (vgl. auch Jes 25,6–8). Die in beiden Texten vorausgesetzte Auferstehungshoffnung hat eine Vorgeschichte im Alten Testament, zu verweisen ist auf Hos 6,1–3 und Ez 37,1–14. Im 2./1. Jh. v.Chr. bezeugen zahlreiche Texte die Auferstehungshoffnung: SapSal 3,1–8; äthHen 46,6; 48,9f; 51,1; 91,10; 93,3f; 104,2; PsSal 3,11–12; LAB 19,12f; 2Makk 7,9; TestBen 10,6–10. Von besonderer Bedeutung ist, dass es auch bei den Qumran-Essenern den Glauben an eine Auferweckung der Toten gegeben hat. In 4Q521 2 II, 12 wird von Gott lobpreisend gesagt: „… Dann wird er Erschlagene heilen, und Tote wird er lebendig machen; Armen wird er frohe Botschaft verkünden …33 Hinzu kommen die bereits erwähnten Geisterfahrungen und die Relecture der Schrift (s.o. 4.2), die ebenso wie zahlreiche weitere Motive vor allem aus der jüdischen Apokalyptik (Gericht/Erwartung des Endgeschehens/Erscheinen des Messias/Rettung der Glaubenden) den jüdischen Hintergrund zahlreicher christologischer Anschauungen der Frühzeit verdeutlichen.

      Inkarnation als griechische Vorstellung

      Von Anfang an stand im Zentrum des Glaubens der neuen Bewegung auch eine genuin griechisch-hellenistische Vorstellung: Gott ist in Jesus von Nazareth Mensch geworden. Die Inkarnation von Göttern bzw. gottähnlichen Wesen (und der Vergöttlichung eines Menschen) ist eine genuin griechische Anschauung (s.o. 3.2/3.2.1) und verweist auf kulturgeschichtliche Vorgaben, die bei der Ausbildung und der Rezeption der frühesten Christologie eine wichtige Rolle gespielt haben34. Die Vorstellung eines sowohl göttlichen als auch menschlichen Mittlerwesens wie Jesus Christus war gerade für Griechen und Römer auf ihrem eigenen kulturellen Hintergrund rezipierbar. Für Juden hingegen war der Gedanke unerträglich, dass Menschen wie der römische Kaiser Caligula sich anmaßten, als Götter zu gelten und verehrt zu werden35.

      Das Kreuz als Anstoß

      Neben der bleibenden Verankerung der Christusgläubigen in der jüdischen Tradition und der Aufnahme griechischer Vorstellungen bestimmt aber auch ein neues Denken die früheste Theologie, das mit jüdischen und auch griechischen Anschauungen nicht wirklich kompatibel war. Vor allem die Behauptung, ein Gekreuzigter sei der Messias, wurde im Kontext von Dtn 21,22f („… denn der am Holz Hängende ist von Gott verflucht …“) aus jüdischer Perspektive als Blasphemie empfunden (vgl. Gal 3,13) und von den Griechen als ‚dummes Zeug‘ beurteilt (1Kor 1,23: „Wir aber verkündigen Christus als Gekreuzigten, für Juden ein Anstoß, für Heiden eine Torheit“). Einen Gekreuzigten als Gottessohn zu verehren, erschien den Juden als theologischer Anstoß36 und der griechisch-römischen Welt als Verrücktheit37. Mit der zentralen Stellung eines Gekreuzigten in der frühchristlichen Sinnwelt wird jede geläufige kulturelle Plausibilität auf den Kopf gestellt, indem nun das Kreuz als zentrales Kennzeichen göttlicher Weisheit erscheint.

      Jesus Christus als Gott

      Hinzu kommen weitere gravierende Unterschiede38: 1) Die oben erwähnten