Lidwicc Island College of Floral Spells. Andreas Dutter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dutter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959915700
Скачать книгу
du sie nicht?«

      Hören? Sorgsam achtete ich auf Geräusche. Nichts.

      »Was?«

      »Die Pflanzen. Sie flüstern einem doch zu, wie sie heißen. Außerdem lernen wir als Kleinkinder die Namen aller Pflanzen.«

      »Tja, ich bin nicht wie ihr.«

      Drakon schnappte sich den Basketball und schlich an mir vorbei. »Stimmt. Ist komisch irgendwie. Komme mir vor, als würde ich mit einer Nichtmagierin sprechen, und das ist verboten.«

      Gedanklich erschien eine Hand mit Stift in meinem Kopf, die sich notierte, dass ich mit Nichtmagiebegabten nicht über das alles sprechen durfte.

      »Tut es ihr weh?«

      Drakon blieb stehen. »Was?«

      »Der Fosteriana, wenn wir sie als Basketballkorb benutzen?«

      Belustigtes Schnauben hatte ich nicht als Antwort erwartet.

      »Was ist so witzig?«

      »Siehst du, deine Gefühle verbinden sich mehr und mehr mit den Pflanzen. Du entwickelst deine florale Empathie. Du wirst zu einer von uns. Zu deiner Frage: Nein. Pflanzen, die wir magisch benutzen, werden automatisch widerstandsfähiger.«

      Und da drehte sich wieder alles um mich. Der Duft der Tulpe überdeckte den der Sporthalle, in der es nach Gummi und Schweiß roch. Trotzdem wurde mir von beidem gerade übel. Wie sollte ich das alles jemals verarbeiten?

      »Soll ich dich noch ein wenig im College herumführen?«

      Seitdem ich vorhin panisch vor Callidora weggelaufen war, als sie am Volleyballplatz aus dem Märzenbecher gesprungen war, weil ich Angst vor dem hatte, was sie mir vorgeschlagen hatte, folgte Drakon mir auf Schritt und Tritt.

      »Was hast du davon, wenn du nett zu mir bist?« Niemand war jemals einfach so nett. Nie. Nicht in meinem Leben.

      Drakon öffnete mithilfe einer Kletterpflanze, die überall im Schloss waren, die Tür aus der Sporthalle und zwinkerte mir dann über die Schulter zu.

      »Keine Ahnung? Gutes Karma für heute?« Trottel.

      Trottel mit schönen, zartgrünen Augen. Solche Augen hatte ich noch nie gesehen. Und warum roch der auch noch so gut nach Mandarine, Basilikum und grünem Tee?

      Wieder außerhalb schlenderten wir an verglasten Räumen vorbei, in denen Studierende herumwirbelnden Blättern auswichen oder sich an einer bepflanzten Kletterwand auspowerten.

      »Wirkt das befremdlich auf dich?«

      »Das wäre untertrieben. Ich meine, ich habe gedacht, ich wäre diejenige, die viel gesehen hat. Auf der Straße geht einiges an Shit ab. Das ist aber nicht mit hier zu vergleichen. Ich fühle mich ziemlich verloren.«

      »Du hast auf der Straße gelebt?«

      Unsere Hände streiften einander, als der Flur enger zusammenlief. Ein Stromschlag brachte mich aus dem Konzept. Hatte er das auch gespürt?

      Na toll. Warum erzählte ich ihm davon? Ich brauchte gar nicht hinsehen, denn ich spürte den mitleidigen Blick auch so auf mir. Das arme Straßenmädchen. Wobei ich bestimmt weniger bemit-leidenswert rüberkäme, wüssten die Leute, dass ich alles andere als ein missverstandener Engel war. Verdammt, natürlich hatte ich krumme Dinger gedreht, um zu überleben. Selbst Menschen, denen es schlechter als mir ging, hatte ich manipuliert, damit sie mir halfen. Nicht nur einmal war ich diejenige gewesen, die andere in die Pfanne haute, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Warum auch nicht? Ich kannte nur Verrat und Bosheit. Glücklicherweise hatte sich das irgendwann geändert. Daphne spielte dabei eine große Rolle. Wenn ich doch nur noch einmal über ihre große, schiefe Nase streicheln könnte, die sie so gehasst und ich so sehr geliebt hatte.

      »Ja, ähm, kein Ding, echt. Ist cool da.« Was laberte ich?

      »Es hat mich beeindruckt.« Drakon bog um die Ecke.

      Dort erwartete uns ein Flur mit hunderten von Gemälden. Bäume, Wiesen, Blumen, Sträuße, Menschen, aus denen Pflanzen wuchsen. Eingerahmt von Kletterpflanzen, die sich an der Decke entlang schlängelten und eine Abzweigung zwischen den Bildern nahmen, um ihnen als Rahmen zu dienen.

      »Ähm, was hat dich beeindruckt?« Meine eigenen Worte hörte ich wie durch Watte, da ich die Umgebung bewunderte.

      »Deine Ehrlichkeit. Sonst biedern sich uns alle an. Niemand wäre je so unverschämt wie du. Irgendwie ist das nice gewesen.«

      Schmunzelnd drehte ich meinen Kopf weg von ihm und tat, als begutachtete ich die Malereien auf den Säulen, die hie und da in die Mauern eingebettet waren.

      »Unverschämtheiten habe ich noch ein paar auf Lager.«

      Drakon blieb stehen und sah nach oben. Ein Durchbruch befand sich in der Decke und darüber erkannte ich einige Studierende, die herumwuselten, Bücher in den Händen trugen und sich unterhielten. Wie selbstverständlich schossen Ranken von den Pflanzen um uns zu Drakon. Teile von Efeu und Blauregen umklammerten ihn und hoben ihn hoch.

      »Na dann, bye. Wir sehen uns.«

      »Ha, ha. Na los. Versuch es. Bring sie dazu, dich hochzubringen.«

      »Klar, könnte ich. Will ich nicht. Ich guck mich ein wenig um.«

      Drakon blickte jetzt nicht mehr zu mir, sondern an mir vorbei. Jemanden hinter mir zu wissen, hatte noch nie etwas Gutes bedeutet.

      Ich sollte mich korrigieren: Ich wäre doch lieber wieder bei Drakon, der sich aufplusterte wie ein stolzer Pfau, weil er zwanzig Mal einen Korb traf, anstatt doch noch von Callidora erwischt worden zu sein. Natürlich hatte sie hinter mir gestanden und zwang mich nun, ihrer Idee von Mit-Sich-Ins-Reine-Kommen zu folgen.

      »Verstehe ich das richtig? Diese Erinnerungsblumen töten mich?« Mein Bauch drehte sich im Kreis und äußerte grummelnd seine Einwände.

      »Du siehst auch nur das Schlechte, oder?« Callidora legte ihren Arm um mich.

      »Berufskrankheit.« Meine Blicke huschten nach rechts und ich erkannte ihre Hand auf meiner Schulter, die sie mit weißen, samtigen Handschuhen bedeckt hatte.

      »Diese Pflanzen könnten dich töten, ja. Keine Angst, werden sie nicht.« Wir waren wieder in ihrem Büro. Hinter einem Regal, in dem Gläser mit eingelegten Blüten, Blättern und Wurzeln ihren Platz gefunden hatten.

      Links und rechts zählte ich mindestens zwanzig Blumen in kleinen Beeten, die von rotem Licht beleuchtet wurden. Ihre Blüten hatten die Form von Notenschlüsseln und an ihren geschwungenen Enden hing etwas heraus, das wie eine Zunge aussah.

       Memo an mich: Komisches Geheimzimmer hinter Bücherregal meiden.

      »Du brauchst deine Seelenblume und wenn du nicht über deinen Schatten springen kannst, musst du deinen Ängsten eben direkt begegnen.«

      »Sind meine Schatten nicht nur vergangene Erlebnisse, die mich nicht mehr kümmern sollten? Sie sind nicht meine Gegenwart, sie sind nur in meinem Kopf. Verdränge ich sie, sind sie nicht mehr da.« Panik sprach aus mir.

      Meine Vergangenheit nochmal erleben? Ein Zahnarztbesuch bei dem scharfen ehrenamtlichen Typen, der sich den Straßenleuten annahm, wäre mir lieber gewesen.

      »Nur, weil etwas vergangen und in einen Schrank in deinem Kopf gesperrt ist, ist es nicht weniger real. Diese dunkle Energie ist genau das: Reale Energie, die sich an deiner beraubt.« Callidoras Stimme lullte mich ein.

      Für diesen Moment klang sie nicht mehr wie die taffe Collegeleiterin, die sich behaupten und durchsetzen musste, sondern wie eine liebevolle Mutter. Eine Mutter, die ich nie gehabt hatte. Ihre Worte gaben mir das Gefühl, dass es okay war, nicht okay zu sein. Eine Duftwolke von Honig, Vanille, Zimt und Rosenholz wanderte von ihr zu mir.

      Beruhigt