Der strenge Dutt sowie der Feldwebelton passten so gar nicht zu ihrem zarten Gesicht und dem feengleichen Körper.
»So fertig wir in dieser kurzen Zeit sein können.« Der Junge neben mir sagte das zwar höflich, unterschwellig merkte ich, dass er genervt war.
»Prima. Gehen wir.«
Ich erhob mich und folgte der blonden Generalin. Ihr Militär-outfit, das statt Grün- Lilatöne hatte, saß perfekt und hätte ich lieber getragen.
»Ich bin Esmeralda. Alle nennen mich Mera.«
»Margo.«
Sie klopfte auf ein Klemmbrett. »Ich weiß, wer du bist.«
»Mhm.«
Der weitläufige Raum mit den Säulen und dem Stuck verlieh dem Saal historische Vibes. Hatte man mich auch noch in die Vergangenheit geschickt? Wir liefen quer über den Fischgrätenboden und erst jetzt erkannte ich Harmonia, die ebenfalls gestylt wurde. Selbst-verständlich steckten sie sie in ein gelbes Kleid.
Knarrender Boden, Föhngeräusche, die Haarspraywolken verteilten, und immer mal wieder kleine Auas, wenn jemand von einem Glätteisen verbrannt wurde. Was ging hier vor sich?
»Komm, Schritt halten, Margo.«
Wieder direkt hinter Mera blieb mir keine Zeit, mich umzusehen. Die weiße Flügeltür öffnete sich und wir eilten durch einen Flur.
Dank der ständig wechselnden Geschehnisse spürte ich mich selbst nicht mehr. Ganz wie in den Zeiten, in denen Daphne und ich Bücherboxen geklaut hatten, in denen sich eine zwanzigteilige historische Romanreihe befand. Wir lasen die Nächte durch, schliefen kaum, hielten uns mit Energiedrinks wach und irgendwann fühlte man sich total benommen. Das multipliziert mit hundert beschrieb meinen Zustand.
»Du hast für Furore gesorgt.«
»Ich?« Ich deutete auf mich, obwohl sie mich gar nicht ansah.
»Ja, du. Dein Auftritt in der Simulation. Nicht schlecht.«
Dass meine Erlebnisse mit dem Feuer nicht hundertprozentig real gewesen waren, hatte ich mittlerweile mitbekommen, dennoch verstand ich den Prozess dahinter und wie sie verfolgt hatten, was geschehen war, nicht.
»Was habe ich falsch gemacht?«
»Nicht unbedingt falsch. Die Prüfung ist nur noch nie so ausgegangen.«
»Das ist eine Prüfung gewesen? Wofür?«
Mera warf einen flüchtigen Blick über ihre Schulter, wobei ich ein unsicheres Stirnrunzeln wahrnahm. Vermutlich hatte sie ohnehin zu viel ausgeplaudert.
»Das erfährst du gleich.«
»Und dafür brauche ich ein Kleid?«
Sie kicherte.
Im Gehen strich ich mit meinen Fingern über die goldenen Schnörkel auf der weißen Wand. Eine der Elefantenohrpflanzen, die über mir in Hängetopfen hingen, schlug mir mit einem Blatt auf die Hände.
»Aua. Was bist du? Eine übereifrige Gouvernante?«
»Das bin ich gewesen, nicht die Pflanze.«
»Ich habe auch dich gemeint.«
Während Mera sich umdrehte und ich mich gerade noch stoppte, um nicht in sie hineinzulaufen, beschlich mich die Sorge, zu weit gegangen zu sein. Sie hob ihre Hände. Würde sie mich ohrfeigen? Ne, im Gegenteil, sie wuschelte durch meine lockige Löwenmähne, zupfte ein paar Strähnen zurecht und musterte mich.
»Perfekt. Geh rein.« Ein Schmunzeln folgte. »Behalt dir deine Art bei. Die meisten hier machen, was man ihnen sagt.«
»Danke. Ich versuche es, aber ehrlich? Ich fühle mich ein wenig gebrochen.«
Meras Blick erweichte sich eine Sekunde, wechselte danach sofort wieder zu streng und maskenhaft. »Streng dich an.«
Ein herzhafter Schlag auf den Rücken und ich schritt mit einem grummeligen Gefühl im Magen durch die nächste Flügeltür.
Zwar hatte ich mir nicht zwingend Gedanken gemacht, was mich auf der anderen Seite erwartete, mit einem leeren Ballsaal hätte ich jedoch nicht gerechnet.
»Tritt ein.«
Woher kam die Stimme?
Drinnen angekommen, schlossen sich die Türen hinter mir und da erkannte ich auch, dass ich nicht allein war. Über mir rund um den Saal befand sich eine Empore, auf der mehrere Männer und Frauen saßen.
»Komm in die Mitte.« Ich erkannte nicht, wer sprach. Nur, dass es sich um eine männliche, tiefe, raue Stimme handelte.
Das Parkett quietschte und krachte mehr als jeder Boden, den ich je betreten hatte. Oder bildete ich mir das ein? Ach, keine Ahnung. Jedenfalls trieb mir jeder Schritt mehr und mehr die Schamesröte ins Gesicht.
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Galerie, von der aus ich beobachtet wurde, gar keinen Halt hatte. Dort, wo der Boden sein sollte, wuchsen kleinere Bäume oder überdimensionale Blumen hoch, auf denen sie thronte.
Unweigerlich musste ich mit den Augen rollen. Konnten die hier nicht irgendetwas so machen wie normale Menschen? Okay, egal. Brust zurück, Schultern raus. Nein, wie war das? Brust re–
»Sieh nach oben.« Eine Frau.
In der Mitte des Raumes guckte ich hoch. Eine Deckenmalerei erwartete mich. Ein paradiesischer Garten in allen Farben. Es dauerte jedoch, bis die Erkenntnis einsetzte, dass die Szene sich bewegte und schließlich meine Prüfung zeigte.
»Margo.«
Stille. Ein Raunen ging durch die Menge, gefolgt von Ähs und Ähms. »Mädchen, wie ist dein Familienname?«
»Ich, ich, ich habe keinen. Nicht wirklich. Meistens nenne ich mich Margo Elláda.«
»Etwas überheblich, sich selbst Griechenland zu nennen, oder?«
»Etwas überheblich darüber zu urteilen, wenn man eine Familie, ein Zuhause und eine Zugehörigkeit hat, oder?« Scheiße, warum hielt ich nie meine Fresse? Oder dachte zumindest vorher darüber nach.
Lautes Einatmen holte mich aus meinen selbsttadelnden Gedanken.
»Wie dem auch sei. Margo … Elláda. Du machst deinem Ergebnis alle Ehre.«
»Bin ich durchgefallen?«
»Man kann nicht durchfallen.« Callidora! Sie erhob sich von einer weißen Rose und durch ihre Bewegung erblickte ich sie. »Es gibt nur Ergebnisse.«
»Und was sagt es aus?«
»Du bist eine Fytós.«
»Eine Pflanze?« Ich begutachtete meine Hände. »Jetzt bin ich nicht nur kein Mensch oder Magierin, sondern nicht mal ein Lebewesen. Ich bin eine Pflanze? Was denn? Eine Brennnessel?« Ein frustriertes Lachen entkam mir. Mit erhobenen Armen drehte ich mich im Kreis, ehe sie wieder an meinen Körper klatschten. »Oder ein Unkraut?«
»Fytós ist bei den Pflanzenbegabten eine Umschreibung. Fytós sind Magier und Magierinnen, die eher im Angriff begabt sind. Deine Fähigkeit liegt darin, deine Magie aktiv im Kampf zu verwenden.«
»Oh. Sorry, ich bin manchmal etwas impulsiv.«
»Das haben wir in deiner Prüfung gesehen.« Ein anderer glatzköpfiger Mann, dem ein Löwenzahn aus der Mitte des Kopfes wuchs.
Wie peinlich. Das hatten alle mitverfolgt?
»Was bedeutet das?«
»Du bekommst einen Mentor zugeteilt, der dich unterrichtet.« Callidora richtete ihren Schleier und setzte sich wieder. »Daraufhin wirst du auch einige allgemeine Kurse belegen, damit du mehr über die Geschichte und Ethik der Pflanzenbegabten erfährst. Sieh es uns nach, dass wir noch nie