Lidwicc Island College of Floral Spells. Andreas Dutter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dutter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959915700
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heraus. Eine Systembrecherin. Ein sich wiederholendes Muster in meinem Leben. Wobei besonders nicht nett gemeint war. Nie, sobald es mich betraf.

      »Und jetzt geh durch die Tür mit deinem Symbol.«

      »Mein Symbol?«

      »Natürlich, du kennst es nicht. Das Tor, über dem das Wappen mit dem Wunderbaum ist.«

      Wunderbaum? Ich, was? Gehörte das zur Allgemeinbildung? Ich hatte doch all die Bücher gewälzt, die man in seiner Schullaufbahn lesen musste.

      Callidora schien meinen Blick richtig zu deuten. »Das rote, stachelige, runde Ding.«

      »Ah, klar, wusste ich ja.«

      Die Tür stellte sich als Durchgang mit Vorhang heraus. Ich hob ihn an, als mir etwas einfiel. Auch, wenn ich merkte, dass ich die werten Damen und Herren nervte, machte ich kehrt. »Wogegen soll ich eigentlich lernen, zu kämpfen?«

      Sieben

      Was wäre mit einem anderen Mentor passiert?

      Und dann wächst mir eine Blume aus dem Körper?«

      Morpheus kratzte sich an seinen kurzgeschorenen grünen Haaren und wie er seine Nachtaugen ins Nichts blicken ließ, ahnte ich, dass er mich als hoffnungslosen Fall einstufte.

      Morpheus stemmte eine Hand in seine Hüfte und legte den Kopf schief, als suchte er in den Wolken eine Antwort auf meine Frage. Besser gesagt, eine Antwort, die sogar ich verstünde, was wohl eine Herausforderung war.

      »Ähm, sagen wir so, die Magie in dir gehört dir nicht kostenlos. Die Pflanzen gehorchen uns, aber nur die Seelenblume in uns ist mit uns verbunden.« Er rang sich diese Worte ab, und dennoch: Ich kapierte nichts.

      Bevor ich den Mund aufmachte, schätzte ich die Entfernung von mir zur Klippe ab, die ich ja bereits kannte, und fragte mich, ob die spitzen Felsen nicht doch die bessere Alternative waren.

      »Margo?«

      »Ja, sorry. Ich check’s nicht.«

      Ob die Träne, die er sich unter das rechte Auge hatte tätowieren lassen, bedeutete, dass er gemordet hatte? Und das Yen-Zeichen auf dem Hals, dass er Auftragsmorde beging? Wofür das ABE auf der linken Ecke seiner Stirn, kurz vorm Haaransatz, stand oder das Jessica an seinem Oberarm, konnte ich nicht ausmachen. Vielleicht war ABE sein Chef und Jessica seine Geliebte? Oder umgekehrt?

      »Denkst du bitte weniger über meine Tattoos nach und mehr über deinen Unterricht?« Gemein, dennoch berechtigt.

      Meine Aufmerksamkeitsspanne glich dem eines Igels, dabei hatte ich keine Ahnung, ob der Vergleich hinkte oder nicht, da ich nichts über Igel wusste.

      »Es ist etwas viel. Eine Seelenblume, die in meinem Herz ist. Das klingt eklig, komisch, wie soll ich mir das vorstellen?«

      Morpheus ließ das Gras unter ihm zu einem Ohrensessel wachsen und setzte sich. Ob ich das eines Tages können würde?

      »Das verstehe ich. Du hast nicht viel Zeit, Margo. Ich bin dein Mentor. Die anderen haben noch fünf Tage frei und bis dorthin solltest ein bisschen die Grundlagen beherrschen. Außerdem ist unsere Magie nicht wie ein Bodybuildingtraining. Du wirst nicht unbedingt nur durch Erfahrung und anhaltendem Üben besser. Vieles wirst du einfach können, sobald du es zugelassen hast. Vieles ist oft unfairerweise der Macht der Seelenblume geschuldet. Du könntest rasch aufholen. Dein Kopf ist mehr das Problem.«

      »Ja, toll. In fünf Tagen soll ich lernen, was ihr in zwei Jahrzehnten lernt?« Das erschien mir unfair.

      »Normal müsstest du das auch allein lernen. Als Mentor auf Lidwicc geben wir euch nur die wichtigsten Grundkenntnisse vor. Den Rest müsstet ihr allein erarbeiten. Ich bin ohnehin eine Ausnahme, die hier lebt, weil ich euer Magiewachstum kontrolliere. Diejenigen, die euch die wichtigsten Kapitel in der Geschichte oder Kräuterkunde aufzeigen, leben nicht hier und kommen nur manchmal vorbei.«

      Allein? Seine Erklärungen halfen nicht, mich besser zu fühlen. Nun brauchte ich auch einen Ohrensessel und tat, wie mein Mentor es mir erklärt hatte. Ich manifestierte das Bild eines Stuhls unter mir, erschaffen aus Gras. Stellte mir vor, wie es wuchs, mir gehorchte wie ein ausgebildeter Hund, und setzte mich wie selbstverständlich hin. Denn die Pflanzenwelt gehorchte mir, es gab keine Zweifel.

      Mein Arsch knallte auf den Boden und von meinem Steißbein aus blitzte ein Schmerz durch meinen Körper, als riss ich entzwei.

      Ein stummer Aufschrei entfuhr mir. Meine Hand suchte meinen Hintern und ich rieb, in der Hoffnung, es linderte meine Schmerzen – tat es nicht.

      Das Grinsen, das Morpheus sich verkniff, erinnerte mich ein wenig an Daphne. Das bescherte mir den nächsten Stich. Dieses Mal verlief er mitten durch mein Herz.

      Beim Massieren seiner Augenlider entdeckte ich noch jeweils ein tätowiertes X auf jedem Lid. Wie konnte er bereits ein Mentor sein? Soweit ich das erfasst hatte, reisten die meisten erst um ihren zwanzigsten Geburtstag ins Lidwicc.

      »Das wird so echt nichts.« Ein Seufzen folgte seiner Erkenntnis. »Ich zeig es dir.«

      Oh, das klang besser. Wir standen beide auf und Morpheus deutete auf die Stelle über seinem Herzen.

      Der schlanke, dennoch definierte Körper meines Mentors leuchtete, nein, es war ein Glimmen, das seine Konturen mit der Umwelt verschwimmen ließ. Die letzten Bäume des Waldes vor der Klippe raschelten, die Baumkronen schwangen im Rhythmus von links nach rechts, als schunkelten sie zum selben Takt, den ich nicht hörte.

      Zuerst erkannte ich nur eine Lichtkugel, die sich vor seiner Brust bündelte und ruhig über seiner Haut pendelte. Geschah das gerade wirklich? Also so richtig? Wenn Daphne das nur sehen könnte.

      Die Lichtkugel schälte sich, nein, erblühte wie eine Blume. Blüten-blätter reihten sich umeinander, sahen aus wie winzige, gezackte, altrosa Fächer. Mein Zwinkern dauerte nicht lange und ich glaubte, das Aufblitzen eines Wurzellabyrinths unter seinem Körper auszumachen, das sich überall in ihm erstreckte. Leider verschwand es so zügig, wie ich meinte, es erkannt zu haben.

      »Wow. Das ist unglaublich. Ist das echt?« Ich näherte mich und ging wenige Schritte vor ihm in die Hocke.

      So viel Leben, Kraft, Wärme und Sehnsucht strahlte aus dieser halbdurchsichtigen, glitzernden Blume.

      »Das ist meine Seelenblume, eine Nelke. Jeweils eine Familie hat dieselbe, jede hat ihre eigene, spezifische Fähigkeit. Jede ist nicht ganz kostenfrei mit deinem Herzen und deinem Leben verbunden.«

      Etwas Heiliges umgab Morpheus, als stünde ein Gott vor mir.

      »Sowas habe ich auch? Was ist deine Fähigkeit? Warum ist es nicht kostenlos?« Fragen über Fragen türmten sich in meinem Kopf auf.

      Zusammen mit der Frage, warum er nur eine weite, schwarze Jeans trug, die von einem Gürtel gehalten wurde, und kein Shirt?

      Ein schiefes Grinsen huschte über das Gesicht meines Mentors, als er seine Arme ausbreitete. Die Nelke strahlte auf, verpuffte und winzige Lichtpartikel breiteten sich um ihn aus. Nach und nach verflochten sie sich und verglühten.

      »Nicht, dass ich dir zu nahe treten will oder so, aber: Das war’s?«

      Die Art, wie er seine Brauen zusammenzog, verriet mir, dass ihn meine Aussage verstimmt hatte.

      »Großartig, ich verbuche das unter: Du hast keine Ahnung. Nimm, ähm …« Morpheus sah sich um. »Den Stein da und wirf ihn auf mich.«

      Er musste scherzen. Der war so groß wie meine Hand. Andererseits, was gab es hier nicht? Langsam fing ich an, Zweifel hinten anzustellen.

      »Wie du meinst.« Gesagt, getan.

      Der Stein wog schwer in meiner Hand.