Lidwicc Island College of Floral Spells. Andreas Dutter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dutter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959915700
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      Das Pulver färbte sich pink, ehe es orange wurde. Sie stellte das Fläschchen zurück in einen antiken, dunkelbraunen Apothekerschrank. Überhaupt, warum konnte man Magie wirken und arbeitete dann in einem muffigen, dunklen Büro mit uralten Möbeln, die nach Uroma rochen und mit Kirchenfenstern ausgestattet waren?

      »Ich will nicht unhöflich sein, aber ich trinke nicht gerne Pulverchen von Leuten, die mich entführen –«

      »Entführen? Das ist doch nicht so. Retten!« Sie setzte sich hin, obwohl dort gar kein Stuhl stand. Doch während sie sich niederließ, wuchs die Rose auf ihrem Schreibtisch, der beinahe das gesamte Büro ausfüllte, an und glitt unter ihren Hintern.

      »Ähm, ja, retten.« Es verlangte mir einiges ab, nicht staunend aufzuspringen. Würde ich mich daran jemals gewöhnen? »Gerettet haben und sagen, ich sei eine Zauberin.«

      »Du bist keine billige Straßenzauberin, die Tricks vollführt und die Magie in den Schmutz zieht!« Ihr Zischen hallte durch das Büro, als wären alle ihre Topfpflanzen Lautsprecher, aus denen ihre Stimme in mich drang.

      »Sygnómi

      »Du wirst zu nichts gezwungen.« Mit ein paar Handbewegungen brachte sie andere Pflanzen zum Wachsen und stellte mit ihrer Hilfe das Glas auf eine Kommode.

      »Außer hier zu bleiben.«

      Callidora räusperte sich. Ich strapazierte ihren Geduldsfaden.

      »Margo. Das ist zu deinem Besten. Ja, wenn es ein Gesetz gibt, dann, dass du verpflichtet bist, deine Magie kontrollieren zu können. Bei Menschen gibt es doch auch eine Schulpflicht.«

      »Ich bin auf der Straße aufgewachsen.«

      »Oh. Deine Eltern … Du kennst sie nicht?«

      »Nope.« Dieses Thema stieß einen fetten Dolch, nein, einen Säbel in mein Herz. Anmerken ließ ich mir das selbstverständlich nicht.

      »Weißt du, Margo, ich will dich nicht überfordern. Das ist doch wirklich nicht so. Ich hole jemanden, der dir deine Unterkunft zeigt und er bringt dich auf dein Zimmer, okay? Dort kannst du dich erstmal akklimatisieren. Vermutlich fällt es mir schwer, unsere Blase, in der wir leben, jemandem wie dir beizubringen. Das habe ich noch nie gemusst.« Die Stimme der Collegeleiterin schlug um, wurde wärmer, verständnisvoller.

      »Danke, das wäre toll.«

      Die Wand neben mir stabilisierte mich. Der Schwindel verschwand leider nicht so zügig, wie ich es mir gewünscht hätte. Alles drehte sich. Die altmodische Blümchentapete vermischte sich mit dem cremefarbenen Hintergrund. Hoffentlich merkte Donald, der die Tür zu meiner neuen Bleibe aufsperrte, die er mir zeigen sollte, nichts.

      »War’s für dich ’ne große Umstellung, hierherzukommen?« Hoffent-lich hörte ich mich normal an.

      Donald zog den Schlüssel ab, öffnete die Tür und hielt inne. Vorsichtig musterte er mich. Die Skepsis in seinen zusammengezogenen Augenbrauen sprach Bände. Vermutlich dachte er, ich sei betrunken. Was sollte ich machen? Sorry, dass ich zuvor noch nie einen Turm betreten hatte, der statt Treppen eine gigantische Kletter-pflanze an den Steinmauern besaß, die einen in den gewünschten Stock emporhob.

      »Nich’ wirklich. Hab ja gewusst, worauf ich mich einlass. Joa, vielleicht, wenn ich von hier aus Thessaloniki besuche. Die Umstellung zwischen der arabischen Sprache meiner Family in Nordafrika und der Griechischen. So viel habe ich mit denen dort ohnehin nicht zu tun.«

      »Denen?«

      »Menschen, die keine Pflanzenmagie haben?«

      »Oh.«

      »Und deine Family? Vermisst du sie?«

      »Eventuell würde ich das, wenn ich noch eine hätte.«

      »Ich, oh, sorry, wusste nicht. Ich habe auch keine richtige, enge Familie mehr. Wir sind jetzt deine Familie.« Donalds Grinsen folgte dem Aufschwingen der Tür.

      Besaß ich nun eine Familie? Noch nie hatte ich eine gehabt. Oder doch. Daphne. Aber sie war weg. So wie sie immer alle verschwanden. Alle versprachen sie unentwegt, zu bleiben. Dass sie anders wären. Dass die anderen mich nicht geschätzt hätten. Bis auch sie verschwanden, sich selbst aus meiner Biografie ausradierten. Egal, wie ich mich auch benahm. Tat ich alles für andere, war ich zu aufdringlich, zu selbstverständlich, für mich musste man sich nicht mehr bemühen. Oder ich war zu viel. Ging ich auf Abstand, warf man mir vor, unnahbar zu sein. Nein, nirgendwo gab es eine Familie für mich. Wie sollte mich auch jemand haben wollen, taten es nicht mal die Menschen, die mich auf die Welt gebracht hatten. Tat ich es ja nicht einmal selbst.

      »Kommst du endlich?« Donald sah um die Ecke. »Oder hast du da Wurzeln geschlagen?« Er kicherte. »Das ist witzig, weil wir Pflanzenmagier- und Magierinnen sind.«

      »Hab ich verstanden, Donald.« Ich folgte ihm.

      »Nenn mich Don.«

      »Don.« Mit meinem Fuß stieß ich die Tür hinter mir zu.

      Als sie zuschlug, wackelte das Bücherregal neben mir und eine Pflanze kippte um. Ich wollte gerade einen perfekten Hechtsprung ausführen, da schlang die Pflanze sich um den Globus daneben und rettete sich selbst.

      »Warst du das?«

      »Jup.«

      Perplex blinzelte ich meinen Schock weg und verfolgte die dunkelbraunen Querbalken an der Decke des senfgelben Raums. Ich stellte mich auf den bunten Webteppich und drehte mich im Kreis. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in einem richtigen Raum gewesen war, in dem ich sogar leben sollte. Ich freute mich so übertrieben, dass ich in mich hinein grinste, was ich niemals zugeben würde. Äußerlich blieb ich gelassen. Selbstverständlich tat ich das.

      »Kommst du, ich zeig dir, wo du pennst.«

      »Bin gleich hinter dir.«

      »Warum grinst du so, Margo?«

      »Tu ich doch gar nicht.«

      Wir eilten an einem kleinen Raum vorbei, der sich als Küche mit zusammengewürfelten Möbeln herausstellte. Nur kurz erhaschte ich einen Blick auf den türkisfarbenen Kühlschrank. Gleich daneben stand die Tür zum Badezimmer offen. Ich bestaunte den Duschkopf, der wie eine riesige Tulpe aussah, sodass ich in Don hineinstolperte.

      »So eilig?«

      »Sorry.«

      »Kein Ding. Kann mir gar nicht vorstellen, wie das auf dich wirken muss.«

      »Ziemlich abgedreht.«

      Don öffnete lachend die Tür zum Schlafzimmer und das könnte widersprüchlicher nicht sein. In der einen Hälfte stand ein Bett mit Nachttisch und einem Schrank. Daneben fand sich ein halber Dschungel. Unzählige Pflanzen hingen von der Decke, an den Wänden, standen am Boden oder lagen sogar im zweiten Bett. Darauf saß die Sonne.

      Ja, die Sonne. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Ein kleines, zierliches Mädchen winkte mir mit seinen gelben Fingernägeln zu. Ihre knallgelben Haare und Sonnenohrringe schwankten dabei hin und her.

      »Das ist Yellow.«

      »Thää? Dein Ernst?«

      Das Mädchen schmunzelte – mit hellorangem Lippenstift.

      »Nein, das ist Harmonia«, sagte Don zwischen zwei Lachern, bei denen auch Harmonia mit einstimmte.

      »Witzig. Ich bin Margo.«

      »Hallo, Margo, schön, dass wir uns kennenlernen. Du bist meine Zimmergenossin. Obwohl das klingt irgendwie beanspruchend. Ich bin ja auch deine. Ich wollte nicht klingen, als wäre ich etwas Besseres, weil ich zuerst hier gewesen bin. Wir sind Zimmergenossinnen. Sagt man noch Genossin?« Sie trug gelb, sie strahlte die pure Lebensfreude aus und quasselte wie ein Wasserfall.

      »Ähm,