Ich hatte ihn schon mal schlimmer gesehen. Als der »gedopte« Killer Arsenio Samms - im Drogen- und Blutrausch - Blacky gekidnappt und grausam misshandelt hatte. Samms hatte Blackfeather als Geisel missbraucht, um mich in einen Hinterhalt zu locken, und dennoch war es Blacky gewesen, der Samms letztendlich einen Strich durch die Rechnung gemacht und mir das Leben gerettet hatte.
Inzwischen war der indianische G-man vollständig wiederhergestellt und gesund und einsatzfähig.
Er trat ein und sagte: »So, da wären wir.«
Er machte einen Schritt zur Seite und stellte uns ein scheues, ärmlich gekleidetes Rentner-Ehepaar vor - Joe und Clara,McFadden.
Die beiden sahen sich neugierig um. Sie waren wohl zum ersten Mal in ihrem Leben beim FBI.
Blacky erklärte: »Mr. Und Mrs. McFadden waren in der U-Bahn-Station, als Yvonne Bercone vor den Zug stürzte.«
Clara McFadden seufzte. »Das arme Ding...«
Joe McFadden schüttelte den Kopf. »So jung noch...«
»lind musste so ein grausames Ende nehmen«, fügte seine Frau hinzu.
»Mr. und Mrs. McFadden möchten eine Aussage machen«, erklärte Blackfeather.
Wir boten dem Ehepaar Platz an. Blacky zog sich zurück.
»Wir haben lange mit uns gerungen«, begann Joe McFadden. »Sollen wir zum FBI gehen? Sollen wir es bleiben lassen?«
»Haben Sie irgendetwas beobachtet?«, erkundigte sich mein Partner.
»Gibt es eine Belohnung?«, fragte Clara McFadden hoffnungsvoll.
»Leider nein«, antwortete Milo bedauernd.
»Schade.«
»Was haben Sie uns zu erzählen?«
Joe McFadden hob die Schultern. »Nun ja, es ist nicht allzu viel...«
»Dieses Mädchen... Diese junge Frau...«, sagte Clara McFadden.
»Sie drängte sich an uns vorbei«, übernahm ihr Mann wieder das Wort. »Wir warteten auf den Zug, und ich dachte: Diese Jugend. Immer will sie ganz vorne stehen... Aus der Zeitung wissen wir, dass sie Yvonne Bercone hieß. Sie stand dann also ganz vom am Bahnsteig, und hinter ihr stand ein Mann mittleren Alters...«
»Ein bildschöner Mensch«, sagte seine Frau.
Joe McFadden zog die Mundwinkel nach unten. »Es gibt schönere.«
»Er war höchst attraktiv.« Das ließ Clara McFadden sich nicht nehmen.
Ihr Mann rümpfte die Nase. »Er sah mir ein bisschen zu weiblich aus.«
»Unsinn...«, widersprach Clara McFadden.
»Was hat dieser Mann getan?«, fragte ich dazwischen, um diese fruchtlose Diskussion zu beenden.
Joe McFadden sah mich an. »Getan?«
»Wieso erinnern Sie sich an ihn?«
»Weil er hinter Yvonne Bercone stand«, sagte McFadden.
»Könnte er die junge Frau vor den Zug gestoßen haben?«, fragte Milo.
»Also, ehrlich gesagt, ich kann es mir nicht vorstellen«, sagte Clara McFadden. »Aber mein Mann ist anderer Meinung. Das ist er ja fast immer...«
»Er könnte Yvonne Bercone gestoßen haben. Jawohl«, sagte Joe McFadden.
»Aber gesehen haben Sie es nicht«, warf Milo ein.
»Wie denn? Bei den vielen Menschen, die um uns herum standen.«
»Hatten Sie den Eindruck, dass der Mann Yvonne Bercone kannte?«, fragte ich.
McFadden schüttelte den Kopf. »Nein, diesen Eindruck hatte ich nicht.«
»Als Yvonne Bercone vor den Zug stürzte - was hat der Mann da getan?«, wollte mein Partner wissen.
McFadden zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht, Sir. Ich habe ihn in dem Tumult aus den Augen verloren. Er war auf einmal nicht mehr da.«
Ich bat das Ehepaar, den Mann zu beschreiben. Mr. und Mrs. McFaddens Angaben fielen zum Teil sehr konträr aus. Die beiden gerieten sich dabei fast in die Wolle.
Wir brachten sie zu Peiker. Unser Kollege sollte nach ihrer Beschreibung ein Phantombild anfertigen. Es wurde der schwierigste Job seines Lebens.
Aber nach zwei Stunden zähen Ringens erzielte unser Zeichner ein Resultat - geboren aus vielen Kompromissen mit dem sowohl Joe McFadden als auch seine Frau einigermaßen zufrieden waren. Ich schaute auf ein fremdes Gesicht. So oder so ähnlich sah also der Mann aus, der hinter Yvonne Bercone gestanden hatte. Ob er etwas mit ihrem Tod zu tun hatte?
Wenn wir ihn fanden, würde das eine der ersten Fragen sein, die wir ihm stellten. Aber noch waren wir Lichtjahre davon entfernt, ihn in unser Office holen zu können.
Wir dankten den McFaddens dafür, dass sie zu uns gekommen und uns so viel Zeit geopfert hatten, und entließen sie. Anschließend gingen wir in die Fahndungsabteilung und baten Stew Hawkins und Walter Stone, den im Augenblick noch Unbekannten für uns aufzustöbern...
27
Während die Fahndung nach dem Unbekannten anlief und ein Zahnrad in das andere zu greifen begann, verließen Milo und ich das FBI-Building. Wir fuhren zu jener U-Bahn-Station, in der Yvonne Bercone den Tod gefunden hatte.
Nichts war mehr davon zu sehen. Der Alltag hatte längst alle Spuren verwischt. Die Station sah aus wie immer. Menschen warteten auf den Zug.
Als er eintraf, stiegen sie ein, und als er weiterfuhr, war die Station für kurze Zeit so gut wie menschenleer. Aber sie begann sich rasch wieder zu füllen.
Milo und ich versuchten uns ein Bild von dem zu machen, was sich hier kürzlich abgespielt hatte. Hier hatten die McFaddens gestanden. Dort der Mann, den sie beschrieben hatten. Vor ihm Yvonne...
Wir sprachen noch einmal mit Jeff Pepin, dem Zugführer. Die psychologische Betreuung begann bei ihm zu greifen. Pepin war zwar über das schreckliche Erlebnis noch lange nicht hinweg, aber es ging ihm seelisch schon um einiges besser.
Wir erzählten ihm von dem Mann, den die McFaddens gesehen hatten. Er konnte sich an niemanden, der so ausgesehen hatte, erinnern.
»Für mich waren die wartenden Menschen in jeder Station ein vertrautes Bild, eine lebende Kulisse, die ich kaum noch wahrnahm«, sagte er, und ich konnte mir das sehr gut vorstellen.
Wir bedankten uns für seine Bereitschaft, mit uns zu sprechen, verabschiedeten uns und verließen seine Wohnung.
Unser nächstes Ziel war das Abbruchhaus, in dem Laura Holden ermordet worden war. Kalt und feucht legte sich der muffige Kellergeruch auf meine Lungen.
Wir versuchten irgendeine Entdeckung zu machen, die uns weiterhalf, doch Lieutenant Kramers Männer hatten hier beste Arbeit geleistet. Es gab in diesem Keller keine »Sensation« zu finden, so gewissenhaft wir auch danach suchten. Immerhin blieb uns die Gewissheit, dass hier unten ganz bestimmt nichts übersehen worden war.
Als