Für die Transkription wurde die „F4 Transkriptionssoftware“ verwendet. Zum größten Teil handelt es sich bei den Interviews um Einzelinterviews (20), es gab dazu noch zwei Paarinterviews und ein Gruppeninterview mit vier Personen.
Obwohl ich eine Liste von vorbereiteten Fragen hatte, wurden diese kaum oder nur in Einzelfällen wörtlich abgefragt. In diesem Sinne war das Interviewformat halbstrukturiert. Dies war wichtig, um im Interviewverfahren eine natürliche und spontane Atmosphäre zu vermitteln, aber gleichzeitig die Möglichkeit aufrechtzuerhalten, die unterschiedlichen Aussagen zu den Forschungsfragen am Ende miteinander vergleichen und analysieren zu können. Dadurch konnten sowohl die Experten von ihren Ansichten sprechen als auch einzelne Interviewpartner vom eigenen Leben erzählen. So war es mir mit dem Verfahren auch möglich, nur Fragen zu stellen, die gerade von meinem Gegenüber angesprochen worden waren. Dies führte dazu, dass die Reihenfolge der Fragen in den einzelnen Interviews variierte. Das erklärt auch, warum die Länge der Interviews sich stark unterscheidet. Mit dieser Vorgehensweise habe ich mich an der problemzentrierten Interviewform nach Andreas Witzel7 orientiert, mit der die Möglichkeit besteht, unterschiedliche Elemente in Forschungsinterviews einzubinden.
0.4. Umgang mit den Daten
In dieser Arbeit sind alle Namen anonymisiert worden, außer die Namen von Personen, die professionell mit dem Enneagramm arbeiten und Personen des öffentlichen Lebens sind.
Die Interviews wurden weitestgehend im Original belassen. Nur dort, wo sie aufgrund der Umgangssprache missverständlich sein könnten, wurden sie sprachlich geglättet.
0.5. Analyseverfahren
Für das Analyseverfahren wurde die kostenlose Datenbearbeitungssoftware namens „Zettelkasten“ eingesetzt.8
Zur Analyse der Daten wurde nach den Prinzipien der Grounded Theory9 gearbeitet. Für diese Recherche habe ich die Arbeit von Jörg Strübing verwendet, der eine klärende Arbeit zu den Arbeitsmethoden und Theorien der Grounded Theory geleistet hat. Dies tut er vorerst, indem er die Unterschiedlichkeiten der Arbeit der Pioniere und Hauptvertreter der Methode (Barney G. Glaser, Anselm Strauss und Juliet Corbin) „als Ausdruck fundamentaler sozialtheoretischer und erkenntnislogischer Differenzen“10 bezeichnet und selber versucht, eine einfache aber verständnisvolle Darstellung der Grounded Theory vorzuzeigen, indem er die „Diskussion der epistemologischen und sozialtheoretischen Hintergründe der grounded theory“11 hinzuzieht.
Der Umfang der erhobenen Daten wurde bezugnehmend auf die Fragestellung analysiert. Daher wurde hier in der Behandlung von Codes12, Concepts und Categories nicht überwiegend auf einzelne Worte geachtet, sondern auf die angesprochenen Themenbereiche und ihre Inhalte. Aus diesem Grund war es auch für die Textauszüge, die tatsächlich in der Arbeit Verwendung fanden, nicht notwendig, die Transkriptionsregeln z.B. für Sprechgeschwindigkeit, Pausen, nonverbale Kommunikation einzuhalten und darzustellen. Obwohl so in einigen meiner Transkriptionen verfahren wurde, habe ich mich wegen der Verständlichkeit und Lesbarkeit entschieden, einige Wortformungen, die in die Arbeit gelangten, zu ändern.13 Dies betrifft Stellen, wo z.B. mehrere „ähs“ hintereinander kommen, größere Pausen eingelegt werden, oder Worte, bei denen im Gesprochenen Silben fehlen, z.B. „ich hätt’s“. Dies betrifft besonders die Interviews, die zuerst transkribiert worden sind.
0.6. Zum Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Ausgangspunkt sind die historischen Hintergründe des Enneagramms. Die Rückführung auf die christlichen Bezüge in der Entwicklung des Enneagramms soll zum christlichen Verständnis des Enneagramms beitragen. Hier werden besonders Aspekte der Lehre des Wüstenmönchs Evagrios Pontikos eingehend bearbeitet.
Das zweite Kapitel setzt sich mit der Enneagramm-Theorie auseinander. Ausgehend vom ersten Kapitel soll hier ein umfassenderes Bild vom Enneagramm gezeichnet werden. Im Rahmen einer derartigen wissenschaftlichen Arbeit soll die Vorstellung des Enneagramms lediglich dazu beitragen, den Lesern dieser Arbeit, die noch nicht mit der Theorie des Enneagramms vertraut sind, seine Grundanteile näher zu bringen. Hier wird nur auf eine generelle Auseinandersetzung mit der Enneagramm-Theorie eingegangen. Mit Verweis auf Ennagramm-Literatur, die sich detailliert mit den einzelnen Enneagramm-Typbeschreibungen beschäftigt, wird auf eine eingehende Darstellung der Typen verzichtet.
Im dritten Kapitel wird das Enneagramm aus theologischer Perspektive diskutiert: Im ersten Teil werden die Hauptthemen dargestellt, die in Bezug auf die Theologie in der Enneagramm-Arbeit wichtig sind. Dieser Teil beginnt mit einer Analyse des Diskussionsstandes des Enneagramms in der Theologie und endet mit einer Vorstellung von Themen und Praxen des Enneagramms, die für eine christlichtheologische Legitimität der enneagrammatischen Arbeit plädieren. Dies wird dann in den zwei weiteren Teilen konkretisiert. Der zweite Teil ist systematischtheologisch ausgerichtet und beschäftigt sich mit der Klärung der wichtigsten theologischen Terminologien, die in der Enneagramm-Arbeit zu finden sind. Der dritte Teil führt die pastoraltheologische Ausrichtung dieser Arbeit aus. Der Teil ist stark an die Literatur und die zeitgenössischen pastoraltheologischen Konzepte angelehnt. Der vierte Teil greift die Ergebnisse der vorangegangenen drei Teile auf, zieht Schlüsse und gibt Vorschläge für eine christliche Enneagramm-Arbeit und Theorie.
Exemplarisch werden im vierten Kapitel drei pastorale Handlungsbereiche zum Einsatz des Enneagramms behandelt. Angefangen von den Erfahrungen der Interviewten wird in diesem Kapitel gezeigt, wie das Enneagramm in der Praxis angewendet wird. Das Enneagramm in der geistlichen Begleitung, in der geistlichen Ausbildung von Priestern und Ordensleuten und in der Jugendarbeit und Jugendpastoral verbindet das Schlagwort „Begleitung“. Durch die Interviews und Berichte von anderen Projekten wird das Alltagswissen der Menschen hier vergleichsweise stärker rezipiert als in anderen Teilen der Arbeit. Damit wird ein Bezug zwischen den theoretischen Diskussionen und den Lebensrealitäten und Meinungen der Menschen über das Enneagramm hergestellt.
Das letzte Kapitel möchte unter der Überschrift „Perspektiven und Grenzen“ einerseits die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfassen, andererseits darauf aufbauend eine zukünftige Enneagramm-Praxis vorschlagen, die sowohl in der theologischen Diskussion als auch im christlich-kirchlichen Handeln und für die Menschen verständlich ist. Dafür sind die Beschlüsse handlungsrelevant ausgerichtet, indem kritisch auf die Chancen und Gefahren des Enneagramms hingewiesen wird. Abschließend werden Vorschläge für die Organisation von Enneagramm-Arbeit unterbreitet. Diese sind in dem Sinne gedacht, dass sie nicht nur auf die drei in der Arbeit vorgestellten Handlungsfelder beschränkt sind, sondern auch Orientierung für weitere Gebiete der Enneagramm-Arbeit geben, auf die sie ausgeweitet werden können.
1. Geschichtliche Hintergründe: Von Evagrios Pontikos bis zur Systematisierung des Enneagramms als Charaktertypologie in der neuen Zeit
Je nachdem, in welchem Rahmen mit dem Enneagramm gearbeitet wird, haben die Rückblickversuche in die Entwicklungsgeschichte des Enneagramms verschiedene Schwerpunkte. Im Aufsatz mit dem Titel „Das Ende der Sufi-These“ von Werner Küstenmacher wird zum Beispiel dafür plädiert, dass es nicht mehr reiche, den Ursprung des Enneagramms allzu schnell dem Sufismus zuzusprechen. Küstenmacher versucht, eine kurze aber präzise Rekonstruktion der historischen Entwicklung des Enneagramms zu leisten, worin er verdeutlicht, dass die Sufis nur einen Teil der Entwicklungskette des Enneagramms bilden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Sufis das Wissen um das Enneagramm besonders geprägt haben. Aber zu erklären, dass sie das System erfunden hätten, würde das Enneagramm-Wissen verengen, denn es enthält mehr als nur die Elemente des Enneagramms, die in der sufistischen Lehre zu finden sind. Diesem Aufsatz nach wurde die These von den Sufi-Wurzeln des Enneagramms