Ein wichtiger Bereich der Arbeit des Seelsorgeamtes sollte die Standesseelsorge bilden. Neben speziellen Angeboten für einzelne Berufsgruppen wurden eigene Seelsorger mit der Ausübung von Frauen- und Männerseelsorge betraut, 1951 jeweils ein Referat Männer- und Frauenseelsorge beim Seelsorgeamt gegründet.192 Federführend hierbei wirkte der Breslauer Priester Georg Bartsch, der nach seiner Vertreibung die neue Seelsorgestelle Stotternheim betreute. Das diözesane Jugendseelsorgeamt in Erfurt wurde bereits 1946 gegründet. Domvikar Karl Schollmeier193 wurde zum Diözesanjugendseelsorger194 ernannt; er war damit der erste Jugendseelsorger der gesamten SBZ.195
Das neue Seelsorgeamt wollte inhaltlich einer „vertieften und zeitnahen Seelsorge dienen“. Insbesondere sollte der Klerus unterstützt und gebildet werden; Wallfahrten und andere überpfarrliche Feiern galt es, zu organisieren. Außerdem war man bestrebt, eine „einheitliche Zielsetzung der gesamten Gemeindeseelsorge“ zu erarbeiten.196
Noch im Jahr 1958 sahen die Verantwortlichen als das Hauptziel aller Hilfen und Anstrengungen des Seelsorgeamtes die Gemeindebildung an. Dabei wollte man vor allem das Gemeindebewusstsein wecken, die Selbsterfahrung der Gemeinde als Kirche Christi fördern und die Gemeinde als Kultgemeinschaft, Glaubensgemeinschaft und Bruderschaft sichtbar machen.197 Die konkreten Wege dieses Aufbaus „aus zufällig zusammengewürfelten Einzelnen zu einer gläubig verbundenen Gemeinde“198 in den Jahren bis 1955 gilt es, detailliert zu untersuchen.
1Vgl. C. Kleßmann, Staatsgründung, 59-63.
2Vgl. J. Köhler / D. van Melis (Hg.), Siegerin in Trümmern. Die Rolle der katholischen Kirche in der deutschen Nachkriegsgesellschaft (Konfession und Gesellschaft 15), Stuttgart 1998.
3C. Kleßmann, Staatsgründung, 37.
4Vgl. T. Großbölting, Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945, Göttingen 2013, 73f.
5Dr. jur.can. Joseph Freusberg: geb. 1881 in Olpe/Westfalen, 1906 Priesterweihe in Paderborn, 1916-1923 Pfarrer in Erfurt (St. Severi), 1923 Propst von St. Marien in Erfurt und Direktor des Geistlichen Gerichts, 1946 Generalvikar für den thüringischen Anteil der Diözese Fulda, 1953 Weihbischof von Fulda mit Sitz in Erfurt, gest. 1964 in Erfurt. Vgl. J. Pilvousek, Freusberg, Joseph, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 175-176. J. Pilvousek, Weihbischof Dr. Joseph Freusberg (1881-1964). Seelsorger und Integrationsfigur für die Katholiken Thüringens, in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 1 (2005) 79-95. J. Lengemann, Thüringische Landesparlamente 1919-1952. Biographisches Handbuch (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe 1, 4), Köln-Weimar-Wien 2014, 260-262.
6Vgl. J. Pilvousek, Weihbischof Freusberg.
7Josef Streb: geb. 1893 in Somborn, 1919 Priesterweihe, 1930-1936 Pfarrer in Witzenhausen, 1936-1945 Pfarrer in Birkungen, 1945-1967 Propst und Bischöflicher Kommissarius in Heiligenstadt, gest. 1976 in Heiligenstadt. Vgl. F. Gerth, Josef Streb (Christ in der Welt 44), Berlin 21980. J. Pilvousek, Gratwanderung mit diplomatischem Geschick? Propst Josef Streb und sein kirchenpolitisches Engagement, in: A. Liedhegener / T. Oppelland (Hg.), Parteiendemokratie in der Bewährung. Festschrift für Karl Schmitt (Jenaer Beiträge zur Politikwissenschaft 14), Baden-Baden 2009, 347-363. J. Lengemann, Landesparlamente 1919-1952, 629-631.
8Vgl. J. Pilvousek, Gratwanderung.
9Bei Gottesdienststationen handelt es sich um Orte, an denen nur sporadisch Hl. Messen durch einen Priester gefeiert werden konnten. In den meisten Fällen stand dafür kein eigenes katholisches Gotteshaus zur Verfügung, sodass man auf profane Gebäude zurückgreifen musste.
10Vgl. C. Brodkorb, Erfurt, 234.
11Dargestellt werden lediglich die seit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 erfolgten Evakuierungen. Darüberhinaus flüchteten im September 1938 kurzzeitig Tausende Sudetendeutsche in das Deutsche Reich, als es zu einem offenen Konflikt zwischen der Sudetendeutschen Partei und der tschechischen Regierung kam, die die reichsdeutsche Propaganda ausnutzte, um eine Panikstimmung zu verbreiten. Mehr dazu bei M. Broszat, Das sudetendeutsche Freikorps, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961) 30-49. – Auch in den Gau Thüringen kamen so Sudetendeutsche: „In Heiligenstadt trafen im Berichtsmonat [September 1938] 800 Flüchtlinge aus dem Sudetenland mit einem Sonderzug ein. Kreisleiter Vogt begrüßte die Gäste herzlichst und nahm die Verteilung in die Standquartiere, das Konvikt und die Truppführerschule des Reichsarbeitsdienstes vor. Die NS-Frauenschaft bewirtete die Ankömmlinge bestens in herzlichster Art und Weise.“ F. Kurth, Das Eichsfeld im September 1938, in: UE 33 (1938) 238-240, hier 239. – Auch die katholische Kirche betreute die Zugezogenen leiblich und seelsorglich. So ist aus Nordhausen bekannt, dass Dechant Wilhelm Hunstiger (1884-1962) sich um Unterbringung und Verpflegung kümmerte sowie die Sudetendeutschen im Gottesdienst besonders einfühlsam ansprach. Vgl. ThStAG, Regierung Erfurt, Nr. 17008, 164RS und 165.
12M. Fleischhauer, Thüringen, 104.
13Vgl. Ebd., 105.
14„Durch Propst Msgr. Dr. Freusberg, Erfurt, wurde in Verbindung mit Pfr. Schu aus Lauterbach (Saar) in Erfurt, Herrmannplatz 4, Domrendantur eine Suchhilfe für Grenzabwanderer mit dem Ziele eingerichtet, eine alphabetische Namenskartei aller Grenzabwanderer sowie Listen derselben geordnet nach den Heimatgemeinden und den Aufnahmegemeinden aufzustellen. Die Geistlichen mögen auf diese Suchstelle aufmerksam machen.“ Grenzabwanderer, in: Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Fulda 55 (1939) 86.
15Vgl. P. Hartmann, 50 Jahre Seelsorger und Seelsorge in Erfurt 1923-1973 (unveröffentliches Manuskript im Bestand der FKZE, Sammlung P), 25.
16Vgl. Generalvorstand des Bonifatiusvereins für das Kath. Deutschland e.V. (Hg.), Diasporaführer, Paderborn 1937, 204-208.
17Dr. theol. Adolf Bolte: geb. 1901 in Hannover, 1928 Priesterweihe, 1928 Vikar in Dingelstädt, 1931 Präfekt am Bischöflichen Konvikt in Heiligenstadt, 1935 Vikar in Heiligenstadt (St. Marien), 1941 Bischöflicher Geistlicher Kommissar des Eichsfeldes, Dekan und Propst an St. Marien (Heiligenstadt), 1945-1959 Weihbischof in Fulda, 1955-1958 Generalvikar in Fulda, 1959-1974 Diözesanbischof von Fulda, gest. 1974 in Fulda. Vgl. Redaktion, Bolte, Adolf, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 228-229. G. M. Mierswa, Adolf Bolte (1901-1974). Bischof von Fulda in einer Zeit des Umbruchs (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und Diözese Fulda 29), Fulda 22006.
18Wilhelm Breitung: geb. 1873 in Grüsselbach, 1899 Priesterweihe, 1910-1951 Pfarrer in Weimar, 1921-1951 Dechant des Dekanates Weimar, 1940 Ehrendomkapitular in Fulda, seit 1951 in Ruhe in Ried (Kreis Fulda), gest. 1962 in Ried. Vgl. W. Breitung, Marksteine aus dem Leben der Pfarrgemeinde Weimar, in: Goldenes Priesterjubiläum Wilhelm Breitung, Domkapitular, Dechant, Pfarrer in Weimar, Weimar o.J. [1949], o.S. B. Opfermann, Erfurt-Meiningen, 316.
19Dr. theol. et phil. Johann Baptist Dietz: geb. 1879 in Birkach (Oberfranken), 1905 Priesterweihe in Rom, 1910 Subregens am Priesterseminar Bamberg, 1912 Regens am Priesterseminar Bamberg und Dozent für Homiletik, 1936-1939 Bischofs-Koadjutor in Fulda, 1939-1958 Bischof von Fulda, 1958 Resignation, gest. 1959 in Fulda. Vgl. J. Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Frankfurt